Thema: Belege Altdeutschland in die Schweiz
bayern klassisch Am: 04.12.2014 15:41:33 Gelesen: 20589# 14@  
@ Concordia CA [#12]

Lieber Jürgen,

da ist dir ein wundervolles Vögelchen zu geflogen, denke ich mal.

Der prominente Absender dachte, wie viele seiner Zeit, dass auch die Schweiz im DÖPV (Deutsch - Österreichischer - Post - Verein) wäre und von daher bei einfachen Briefen bis 1 Loth über 20 Meilen Entfernung (>150 km) 3 Groschen korrekt wären. Das war leider nicht so ...

Man kam also zur Post und legte den Brief mit der Marke vor in der Hoffnung, dass er so richtig frankiert wäre. Die Aufgabepost in Preußen hatte aber stets das Franko zu prüfen und bei einer eventuellen Beanstandung dieses zu ergänzen. So geschah es auch hier - der Postbeamte wollte 4 Groschen sehen, kassierte also noch einen bar und notierte das Franko mit 4 Groschen total immer in rot (Tinte oder Rötel).

Dabei hatte er aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn der Postvertrag Badens mit der Schweiz vom 1.10.1852 bestimmte das Weiterfranko für die Schweiz von 1 Groschen bis 10 Meilen von der Mitte des Grenztaxpunktes Basel - Schaffhausen, bzw. von 2 Groschen, wenn der Zielort weiter als 10 Meilen davon entfernt lag.

Bern lag immer im 2. Rayon, egal von wo aus, so dass das korrekte Franko 5 Groschen gewesen wäre (3 Groschen für Preußen und 2 Groschen für die Schweiz).

Weil man nur 1 Groschen für die Schweiz in Essen kassiert hatte, konnte man auch nur diesen einen Groschen = 3 Kreuzer an Baden für die Schweiz weiter vergüten. Badens Bahnpost hat daher auf der Siegelseite eine große "3" notiert, denn sie rechnete mit der Schweiz nur in Kreuzern ab.

Nachdem die Bahnpost aber bemerkt hatte, dass die 3 Kr. nicht ausreichten, hatte sie das Problem einen Brief weiter zu geben, der nach den Usancen dieses Vertrages als völlig unfrankiert galt, womit die in Essen frankierten 4 Groschen nichtig gewesen wären. Dieser Zustand änderte sich erst zum 1.7.1856, vorher sah man das sehr rigide!

Baden gab nun 6 Kr. (2 Groschen) an die Schweiz weiter, stempelte auch Franco, obwohl das nicht stimmte, gab einen sog. "Franco - Defect" auf und belastet intern die preußische Post mit 3 Kr. = 1 Groschen. Die blaue Tinte vorn sagt "Pr 2", so dass Preußen hier nur 2 Groschen verblieben und 2 weitere der Schweiz gut geschrieben wurden.

Damit war der Brief "gerettet", sein Absender auch und sein Empfänger sowieso, denn er musste nun nicht 50 Rappen zahlen, wie es richtig gewesen wäre, wenn Badens Bahnpost nicht diesen Taschenspielertrick angewandt hätte.

Preußen wird sich von Herrn Krupp den Groschen zurück geholt haben, aber das zu dokumentieren ist eine andere Sache.

Glückwunsch zu dieser Oberrosine, die jeder Sammler nur zu gern in seiner Sammlung hätte; da ist Kevin sicher nicht alleine.

Danke fürs Zeigen und liebe Grüsse,
Ralph
 
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