Thema: Bayern: Vorausentwertung / Vorentwertung (Federzug); Tirschenreuth u.a.
bayern klassisch Am: 09.12.2014 13:07:57 Gelesen: 5033# 5@  
@ plytra7 [#4]

Hallo,

um interne Abläufe im Postdienst des 19. Jahrhunderts, hier in Bayern, beurteilen zu können, muss man sie zuerst einmal kennen.

Daran gebricht es 99,99% der Sammler, weil diese an anderem interessiert sind, als an dienstlichen Verhaltensabläufen ihrer Ur-Ur-Urgroßväter, wenn diese im Postdienst standen.

Von den Hauptbriefpostexpeditionen am Sitz der jeweiligen Oberpostämter (OPÄ) abgesehen, war die Post in der Hand von Subunternehmern, Postexpeditoren genannt. Das war in Tirschenreuth (TIR) auch so.

Dieser hatte im Rahmen seiner Aufgaben dafür zu sorgen, dass stets ein angemessener Vorrat an gängigen Marken vorhanden war. Wir unterstellen mal, dass er das ordentlich hin bekommen hat.

Betrat ein Briefeschreiber das Postgebäude, musste er im Wartesaal ausharren, bis er an der Reihe war und betrat nach dem Anklopfen das Postlokal. Dort wurde er nach seinem Begehr gefragt. Wünschte er einen Brief abzusenden, für den er die Gebühr im voraus bezahlen wollte, so bedurfte es in Bayern ab dem 1.11.1849 einer Marke, wenn das Schreiben im Inland verblieb.

Nach der Vorschrift war(en) die Marke(n) zu verkaufen, nicht aufzukleben. Das Aufkleben war dem Absender überlassen und er sollte/konnte den somit frankierten Brief in die "Boite" = den Briefkasten einwerfen. So war eine schnelle Abfertigung gewährleistet, denn das Augenmerk der Post und ihrer Subalternen galt der zügigen Bewältigung eigener Interessen, nicht derjenigen des Publikums.

Allerdings haben wohl viele Expeditoren die Marken nach der Bezahlung selbst auf den Brief geklebt, die Marke dann abgestempelt, den Brief mit dem Tagesstempel versehen und den Brief zur weiteren Spedierung ins "back-office" gegeben, wie wir heute sagen würden.

Statt jede Marke einzeln aus dem Bogen zu schneiden, einzeln abzustempeln und einzeln aufzukleben konnte man natürlich auch die Marken bogenweise abstempeln und bei Bedarf nur noch aufkleben. Das sparte sicher Zeit, war aber so nicht vorgesehen. Vor der Einführung der Mühlradstempel zum 1.8.1850 kamen einige wenige Expeditoren auf die Idee, die Marken mit Tintenstrichen zu linieren und erst nach dem Aufkleben auf dem Brief mit dem Tagesstempel zu versehen.

Ein Problem bekam ein Expeditor nur dann, wenn ein Revisor vom Oberpostamt unterwegs war und er die Kasse bzw. die Markenbestände zu prüfen hatte. Wie hätte ihm der Postexpeditor erklären sollen, dass er Dutzende von gestempelten bzw. mit Federzügen ungültig gemachte Marken bei sich hatte, die aber alle ungebraucht sein mussten, weil sie durch die Abstempelung ihren Wert für die Postverwaltung verloren hatten? In den zu führenden Registern musste täglich abgerechnet werden, welche Marken welcher Nominale a) verkauft und b) somit noch vorhanden waren.

Sicher war das nicht so einfach, aus der Nummer heraus zu kommen. Auf der anderen Seiten kamen die Revisoren zuerst zu denjenigen Postexpeditionen, bei denen es Probleme gab und wenn in TIR sonst alles gut lief, war der unangemeldete Besuch sicher nur alle paar Jahre zu gewärtigen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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