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Thema: (?) (6) 19. Jahrhundert: Briefbeförderung USA - Deutschland
Manne Am: 15.02.2012 20:07:19 Gelesen: 10754# 1 @  
Hallo zusammen,

im Anhang ein Brief von Evansville (Indiana), eingeliefert am 15. Februar 1858, Ankunft am Zielort Schwenningen am 14. März 1858.

Stempel in Evansville falsch eingestellt, (13.) handschriftlich auf 15. verbessert, New York 23. Februar, Aachen 12. März, Tuttlingen leider nur teilweise lesbar, Rottweil 14. März und Schwenningen 14. März 1858.

Das Porto betrug wohl 30 Cent und weitere 45 Kreuzer. Der Brief war ca. einen Monat unterwegs. Wie lange würde ein Brief heute benötigen ?

Gruß
Manne


 
Lars Boettger Am: 15.02.2012 21:49:40 Gelesen: 10727# 2 @  
@ Manne [#1]

Der Brief wurde in einem geschlossenen Briefpaket mit dem Cunard-Dampfer "Niagara" von Boston aus am 24.2. nach Liverpool befördert (9.3.) - das Foreign Exchange Office in New York hat das Paket fertiggemacht. Am 11.3. war der Brief dann beim Austauschpostamt in Aachen (von Vervier kommend). Die komplette "Prussian Closed Mail" lief über Aachen.

Die Taxe ist schnell erklärt: 45 Kreuzer = 13 Silbergroschen = 30 Cents. Davon bekamen die USA 23 Cents (im NY-Stempel oben angegeben), davon mussten 18 Cents an England für den Transatlantiktransport und die Inlandsbeförderung abgegeben werden. 5 Cents gingen an die USA für das Inlandsporto. 7 Cents erhielt Preussen, die davon 2 Cents an Belgien zahlen musste.

Die vermerkte "30" kann man getrost ignorieren. Wäre der Brief damit vorausbezahlt worden, dann müsste irgendwo "Paid" stehen und NY hätte den Stempel in rot (Gutschrift) mit einer "7" abgeschlagen.

Ein schöner und einfacher Transatlantikbrief =D

Beste Sammlergrüsse!

Lars
 
Manne Am: 15.02.2012 23:14:59 Gelesen: 10717# 3 @  
Hallo Lars,

vielen Dank für Deine ausführliche Beschreibung. Der Brief liegt in meiner Heimatsammlung.

Gruß
Manne
 
bayern klassisch Am: 27.06.2014 16:59:35 Gelesen: 9214# 4 @  
Liebe Sammlerfreunde,

ein Brief ging aus Chicago vom 15.4.1875 an "Herrn Carl Bur Adr(esse) Herrn Bauenriis & Müller in Nürnberg Germany" ab. Am 17.4. kam der Brief in New York an, wo er auf die "Mosel" des Norddeutschen Lloyds geladen wurde, um am 28.4. in Southampton europäisches Festland zu erblicken. Schnell ging es über den Kanal und am 30.4. war er bereits in Nürnberg, wo er zügigst ausgetragen wurde.



Die 7 US - Cents reichten dafür aus, denn nach dem PV des Dt. Reiches mit den USA kosteten einfache Briefe bis 15g 11 Kr. (manchmal auch nur 10 Kr., weil man 3 Sgr. im Vertrag genannt hatte und Bayern rechnete mal 3 Kr. für sich und 2 Sgr. = 7 Kr. für die Strecke ab Deutschland bis zum Zielort). Aber das wäre ein anderes Thema und ist bereits in einem unserer Rundbriefe von Dr. Martin Camerer erschöpfend behandelt worden.

Noch immer am 30.4. (offenbar hatte dieser Tag mehr als 24 Stunden!) gab man den Brief mit korrigierter Adresse der Post zurück: Adresse des Herrn Uibeleisen & Nicklas Margarethenstrasse 56 in Wien. Am 1.5. wurde er mit dem 3. Bestellgang ausgetragen.

Aber Nürnberg stempelte mit seinem Ortsstempel auf der amerikanischen Marke und nochmals um 20.00 Uhr Aufgabe vorn, was eigentlich eine österreichische Spezialtiät war, denn dort war es Vorschrift, Marken sog. "Abzugsbriefe" mit dem Abdruck des Tagesstempels zu versehen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 25.06.2016 11:02:35 Gelesen: 8165# 5 @  
Liebe Freunde,

einem geschätzen Forumsmitglied konnte ich mit einem Kauf die Mühe ersparen, diesen Brief beschreiben zu müssen. Diese Ehre fällt mir nun zu und ich bitte um Nachsicht, wenn die Beschreibung nicht perfekt ausfallen sollte, denn ganz so einfach ist er für mich nicht in der Zuweisung.



Geschrieben wurde er in den USA wohl in Philmont am 9.6.1854, welches in der Nähe von New York liegen sollte, weil am 10.6. bereits der US - Stempel in rot für bezahlte Gebühren ("AMERICAN PACKET") abgeschlagen wurde. Der Vermerk "paid" weist auf eine Bezahlung hin, die ich aber nicht sicher finden kann (oder sollen die "21" unter "paid" US - Cents darstellen?

Er war adressiert an William H. Philip, Esquire, Care Hottinguer & Co. Bankers, 17 rue Bergere, Paris France, also an Herrn Philip bei der Bank Hottinguer & Co. in Paris.

Am 22.6.1854 kam er mit dem Stempel versehen "Etat Unis Pag. Am. ??" an - leider habe ich den Stempel im van der Linden nicht gefunden und wäre für Hilfe froh. Dort wurde er mit 16 Decimes belastet in Paris noch am selben Tag der Bank zugestellt (war also ein klassischer Teilfrankobrief).

Nach Zahlung dieses Portos korrigierte man die Adresse in: "A. E. d´Eichthal, Munich, Bavière". Nun hatte man den Brief auch noch im Briefkasten aufgefunden, weswegen der Stempel (zu dem ich gerne näheres wüsste) "Trouvé à la Boite" abgeschlagen wurde, den ich noch nie auf Briefen nach Bayern sehen durfte.

Als reiner Portobrief von Frankreich nach Bayern nach dem PV vom 1.7.1847 durfte Frankreich nichts taxieren, sondern überließ dies souverän Bayern, wo man ihn mit 36 Kreuzer als Brief über 8,75 bis 7,5g als einen der 2. Gewichtsstufe ansah und am 24.6.1854 aushändigte.

Siegelseitig ist noch der Stempel von London zu sehen, der am 21. Juni 1854 abgeschlagen wurde. Dies ist sehr wichtig, denn nun kennen wir das Schiff, mit dem er auf seine weite Reise über den Teich kam:

Die "Baltic" der Collins Line war in New York am 10.6.1854 ausgelaufen und am 21.6.1854 in Liverpool angelandet. Noch am selben Tag erreichte der Brief London und das weitere wissen wir (fast schon) alles.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Max78 Am: 27.07.2017 01:52:31 Gelesen: 7089# 6 @  
Hallo zusammen,

da dieses Thema seit 2012 mit 5 Beiträgen "bestückt" wurde, dachte ich, dass folgende Frage eventuell auch ok wäre. Es geht ums 20. Jahrhundert, ich möchte deswegen aber nicht noch ein neues Thema eröffnen.

Hauptsächlich geht es mir um den Zeitraum 1924-1930. Die Luftpost kam langsam in Fahrt und ich frage mich, wo eigentlich die "gewöhnlichen" Briefe aus den USA in Deutschland ankamen, im Speziellen, wenn ihr Ziel Süddeutschland war. Es gibt so viele schöne Belege aus der Zeit, die rückseitig Transitstempel von der Bahn aufzeigen (WÜRTT. BAHN-POST), der erste Ankunftsort auf deutschem Boden bleibt aber meist unklar, da Städtenamen fehlen.

Nehme ich z. B. einen Brief ohne Zusatzleistungen von New York nach Stuttgart aus dem Jahre 1927. Wo trifft der Brief zuerst ein? Hier mal ein Beispiel aus Kalifornien (mir ist klar, dass man eventuell über die Zugnummer die Frage beantworten könnte, mir geht es aber eher um eine allgemeinere Info):



Wäre dankbar über hilfreiche Antworten oder eventuell einen Tipp, unter welchen Suchkriterien man auf solche Informationen stossen kann, mit Grüßen Max
 
Lars Boettger Am: 21.12.2019 12:27:03 Gelesen: 4558# 7 @  
Seit langer Zeit habe ich mal wieder einen Brief für mein Transatlantik-Exponat gekauft.

Absender ist das Handelshaus "J.E. Thayer & Bros.", ansässig in Boston. Der Faltbrief wurde am 5. Februar 1849 verfasst. Der Brief wurde aber nicht der US-Post übergeben, sondern dem Forwarder Harnden (zu der Tätigkeit von Harnden gibt es einen schönen Artikel auf der englischsprachigen Seite von Richard Frajola [1]. Harnden beförderte der Brief mit der Eisenbahn von Boston nach New York und lieferte ihn zum Transport mit dem Cunard-Dampfer "Canada" ab. Die "Canada" verlies den Hafen von New York am 7. Februar 1849 (North Atlantic Mail Sailings, Walter Hubbard und Richard Winter). Am 19. Februar 1849 kam die "Canada" in Liverpool an. Da kein Liverpool-Stempel auf dem Brief zu finden ist, gehe ich davon aus, dass er direkt nach London weitergeleitet wurde.

Was macht den Brief so interessant? Ab dem 1. Juli 1848 erhob die USA ein Strafporto auf Briefe, die mit einem englischen Schiff transportiert wurden:

- 24 Cents für einen Brief, der noch im Eingangshafen zugestellt wurde (anstatt gewichtsunabhängigen 6 Cents)
- 29 Cents für einen Brief der ersten Gewichtsstufe, der seinen Empfänger in einem Radius von 300 US-Meilen fand
- 34 Cents für einen Brief der ersten Gewichtsstufe, der seinen Empfänger außerhalb der 300 US-Meilen fand

Das fanden die Engländer nicht so klasse. Man setzte sich an den Verhandlungstisch und schloss eine Postkonvention. Die USA stellten ab Ende Dezember 1848 alle Postkriegsmaßnahmen ein. Die Briefe wurden wieder so taxiert, wie so vor dem Postkrieg behandelt wurden.

Jetzt wird es schwierig. Die Postkonvention wurde veröffentlicht, aber die Engländer gingen davon aus, dass sie erst ab Mitte 1849 in Kraft treten würde. Die amerikanischen Postmeister fingen ab Januar 1849 an, die Briefe zum Teil nach der Postkonvention zu taxieren. Nicht in jedem Fall, nicht jedes Postamt, aber es gibt diese Briefe. Die Engländer waren überrumpelt, beugten sich aber der Realität und fingen ab dem 20. Februar an, die Briefe ebenfalls nach der Postkonvention zu taxieren. Auch hier gilt - nicht in jedem Fall.

Der hier vorgestellte Brief wurde noch in der sogenannten "Restored Rate Period" versandt. In dieser Zeit fanden nur drei Überfahrten von West nach Ost mit einem Cunard-Dampfer statt. Die Beförderung mit einem privaten Forwarder ist ein netter Teilaspekt, da sie gut den Kampf der privaten Postdienstleister mit der US-Post zeigen. Dem Empfänger wurde 1/- in Rechnung gestellt, die damals gültige Taxierung für den Versand mit einem Cunard-Dampfer ab 1840.

Beste Grüße!

Lars



[1] https://www.rfrajola.com/collections/harnden/harndens.htm
 
bayern klassisch Am: 21.12.2019 12:39:00 Gelesen: 4552# 8 @  
@ Lars Boettger [#7]

Lieber Lars,

ein tolles Stück Postgeschichte und nach Lesens deines erklärenden Textes wird einem auch klar, dass bzw. warum du ihn gekauft hast. Chapeau für die tolle Beschreibung.

Für die weniger mit der Materie Vertrauten: Der Empfänger musste 1 Shilling bezahlen, was ja auch nicht gerade wenig Geld war.

Liebe Grüsse und Frohes Fest,
Ralph
 
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