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Thema: Rumänien: Postrouten und Transportwege
Das Thema hat 189 Beiträge:
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Heinz 7 Am: 08.08.2019 00:51:00 Gelesen: 60052# 165 @  
@ Heinz 7 [#164]

Wer mit den Ortsbezeichnungen auf der "Reise" von Bukarest nach Constantinopel (auf der Karte Wien 1829) Mühe hat, dem geht es gleich wie mir.

Es scheinen mir folgende Unterschiede in den Schreibweisen zu existieren:

1. Schreibweise = Karte 1829
weitere Schreibweisen = neuere Bezeichnungen

1. Ruscuk = Ruse/Ruscuk oder Russe
2. Schumla = Sumen oder Schumen
3. Sisopoli = Sozopol (bei Burgas am Meer) = Sosopol
4. Philipopel = Plovdiv/Filipopol = Plowdiw
5. Adrianopol = Edirne
6. Burgas (Achtung: nicht verwechseln mit dem Burgas am Schwarzen Meer) = Lüleburgaz
7. Constantinopel = Istanul

Diese Angaben sind noch "ohne Gewähr" (teilweise).

Heinz
 
10Parale Am: 03.11.2019 21:13:01 Gelesen: 57269# 166 @  
@ Heinz 7 [#165]

Ja, mit den vielfältigen Schreibweisen der Ortsbezeichnungen kann man nicht nur im Balkan oder der Levante seinen Spaß erleben.

In der neuesten Ausgabe des Briefmarkenspiegels gibt es eine höchst interessante Literatur-Empfehlung. Endlich ein philatelistisches Buch über den Orient-Express, dachte ich mir und bestellt sofort auf Vorauszahlung, 3 Tage später war das schöne Buch von Ute Dorr und Dr. Elmar Dorr in meiner Post.

Der Orient-Express 1883 - 1914

Ich gestehe, ich habe nur ein wenig den Inhalt überflogen, aber der erste Blick ist schon überzeugend. Auf solch ein Buch wartet nicht nur der Eisenbahn Fan, sondern auch der Historiker und Philatelist. Allein die Aufmachung begeistert. Auf über 162 Seiten farbige Bilder, Landkarten, aufschlußreiche Tabellen, Erklärungen, Text. Es wird auch auf die Stempel der rumänischen Postämter (Ovalstempel Conspoli - Ostenda / Ovalstempel Conspoli - Paris) eingegangen, Zuglaufvarianten beschrieben und natürlich wunderbare seltene Briefe gezeigt.

Ich kann das Buch nur weiterempfehlen. Solch ein Buch vermisse ich schon lange auch aus rumänischer Hand. Leider ist die Druck- bzw. Papierqualität einiger Bücher, die aus Rumänien stammen, niemals in so guter Qualität wie dieses Werk.

Ich hoffe nun, das Buch gibt auch Aufschluss über Transportwege und Postrouten in Rumänien und in Osteuropa zu Zeiten der Hochkultur der Philatelie.

Liebe Grüße

10Parale
 
Zinnenstadt Am: 04.11.2019 08:55:44 Gelesen: 57232# 167 @  
Hallo 10Parale,

eine Abbildung des Titelblatts sowie weitere Informationen zu dem Buch über den Orient Express können unter https://aphv.de/neu-erschienen-ute-und-dr-elmar-dorr-der-orient-express-1883-1914/ abgerufen werden.

Besten Gruß,
Zinnenstadt
 
bayern klassisch Am: 04.11.2019 16:45:25 Gelesen: 57210# 168 @  
@ 10Parale [#166]

Hallo 10Parale,

ich kenne die liebe Ute sehr gut - sicher darfst du das Titelbild abbliden. Das freut sie doch, wenn ihr Buch so gut ankommt.

Wenn du ihr mailen willst, kannst du mir gerne eine E-Mail schreiben.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
10Parale Am: 04.11.2019 22:07:25 Gelesen: 57183# 169 @  
@ bayern klassisch [#168]

Dann hoffe ich der bayerische Herrgott hat nix dagegen.

Danke für die Motivation bayern klassisch, es folgt das Titelbild dieses wunderbaren Buches.

Liebe Grüße von 10Parale


 
Seku Am: 08.11.2019 18:15:08 Gelesen: 56988# 170 @  
@ 10Parale [#166]

Hallo Michel,

Zum Thema Orient-Express findet man einiges an Belegen im Thema Motiv Eisenbahnen [1]

Wünsche ein schönes Wochenende

Günther

[1] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ME=137655
 
bayern klassisch Am: 08.11.2019 18:24:19 Gelesen: 56984# 171 @  
@ 10Parale [#169]

Zuviel der Ehre - ich kenne nur die beiden schon seit Jahrzehnten sehr gut und habe nur Gutes über das Buch gelesen. In vielen philatelistischen Bibliotheken sollte es schon vorhanden sein - wer es kauft, begeht sicher keinen Fehler.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Heinz 7 Am: 05.12.2019 10:52:03 Gelesen: 56164# 172 @  
@ 10Parale [#169]

Eine andere wichtige Eisenbahn möchte ich anbei auch etwas besprechen.

Suceava gehört heute zu Rumänien, aber kaum ein Mensch weiss heute noch, dass Suceava über ein Jahrhundert hinweg eine völlig andere Geschichte erlebte als Botosani, das ebenfalls in Rumänien liegt, nur ca. 40 Kilometer Luftlinie von Suceava entfernt, Richtung ostnordöstlich. Getrennt sind die zwei Städte durch den Fluss Sereth (Siret) und sie sind unterschiedlichen historischen Regionen zugeteilt: Suceava der Bukowina, Botosani (deutsch: Botoschan bzw. Bottuschan) der Region "Westmoldau". Während Botosani eine wichtige Rolle spielte in der Geschichte des Fürstentums Moldau und von Anfang an zu Rumänien gehörte, geriet Suceava - einst stolze Hauptstadt (!) des (alten) Fürstentums Moldau (1375-1565) - unter osmanischen Einfluss, bevor die Bukowina 1775 an die Habsburgermonarchie fiel. 1867 war die Bukowina ein Teil von Österreich-Ungarn und kam erst 1918, nach dem ersten Weltkrieg, zu Rumänien!

Im Norden von Rumänien gab es früh eine wichtige Eisenbahn. Ich zitiere Ausschnitte aus:
Quelle: Wikipedia, Thema "Bahnstrecke Tscherniwzi-Suceava", Version 5.12.2019.

"Am 1. September 1866 ging in Österreich-Ungarn die Bahnlinie von Lemberg nach Czernowitz in Betrieb. Sie wurde von der Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahngesellschaft (LCJE) erbaut und betrieben. Diese erhielt am 15. Mai 1867 die Konzession für die Weiterführung der Bahn bis Suceava an der damaligen österreichisch-rumänischen Grenze. (…). Trotz ungünstiger Geländebedingungen konnte die Strecke planmässig am 28. Oktober 1869 eröffnet werden. Zusammen mit der am 15. Dezember 1869 erfolgten Inbetriebnahme der Bahnstrecke Suceava-Roman verfügte Rumänien nunmehr über eine Verbindung seines Bahnnetzes mit dem Ausland."

Roman liegt südlich von Botosani, auch in der historischen Region "Westmoldau".

Anbei eine Karte dieser Eisenbahn Chermivtsi-Suceava:



(Quelle: Von Meichs - Eigenes Werk (own work) nach Physical map of Romania.jpg (user:AdiJapan), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6692219)

Heinz
 
Heinz 7 Am: 05.12.2019 11:17:43 Gelesen: 56162# 173 @  
@ Heinz 7 [#172]

Besonders schön für einen Philatelisten sind nun Poststücke wie dieses.



Dieser Brief kommt von Galatz (oder Galati, an der Donau, siehe Karte oben) und ging 1877 nach Itzkany. Was für einen heutigen Betrachter nach einem Rumänien-Inlandbrief aussieht, war in Tat und Wahrheit zur Zeit der Verwendung klar ein Brief ins Ausland:

Fürstentum Rumänien nach Österreich-Ungarn.

Also kein Inland-Tarif (von 10 Bani). Aber auch kein Ausland-Tarif von 25 Bani… Warum waren denn nur 15 Bani Porto erforderlich?

Itzkany lag im nahen Grenzbereich zu Rumänien und profitierte von einem Spezialtarif. Darum ist dieser wunderschöne Brief nicht nachtaxiert worden. Er kam zwei Tage nach der Aufgabe in Itzkany (oder Jtzkany) an, wie der rückseitige Ankunftsstempel zeigt.



Und noch schöner wird das Ganze, wenn man weiss, wo Itzkany denn genau liegt. Ich zitiere nochmals aus dem Wikipedia-Artikel aus Beitrag 172:

Die österreichisch-rumänische Grenze lag unmittelbar südlich des Bahnhofs Itzkany (rumänisch Itcani, heute Bahnhof Suceava Nord).

Um die Geschichte der Eisenbahn Gesellschaft LCJE noch etwas fortzuführen zitiere ich nochmals aus dem oben genannten Wikipedia-Artikel:

Trotz ihrer Bedeutung blieb die Strecke durch die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in der Bukowina und im Norden der Moldau zunächst defizitär. Von der österreichischen Regierung wurde von 1872 bis 1875 eine Zwangsverwaltung über die Strecke verhängt. In den Jahren 1889-1894 wurde sie gegen entsprechende Ausgleichszahlungen verstaatlicht; der Betrieb erfolgte nunmehr durch die k.k. Staatsbahnen (kkStB).

Quelle: Wikipedia, Thema "Bahnstrecke Tscherniwzi-Suceava", Version 5.12.2019.

Für die rumänische Postgeschichte war diese Eisenbahnlinie sehr wichtig.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 23.06.2020 22:25:37 Gelesen: 50812# 174 @  
@ nor 42 [#27]
@ 10Parale [#28]

An der Auktion von Köhler
Private ShipLetter Stamp Issuing Companies up to 1900
The Jan Berg Collection
373. Auktion 24.3.2020, verschoben auf 23.6.2020

kamen gleich ZWEI solche äusserst seltenen Briefe zur Auktion:



Brief von Constantinople nach Braila, frankiert mit T.B. Morton-Marke 3. und 6. Ausgabe (1 Piaster rot und 10 Para schwarz/rot). Es gibt nach Angaben des Auktionshauses nur 8 Briefe, die mit Morton-Schiffsmarken frankiert wurden.

Der Brief wurde verkauft, statt zu Euro 12'000 (Ausruf) zum Zuschlag von Euro 15'000.

Genau so schön ist das nächste Los:

Ein Brief AUS Rumänien, von Galatz, nach Griechenland!



Der Brief lief über Wien / Triest und erhielt auf Korfu das griechische Porto von 90 Lepta.

Dieser Brief schloss auf runden Euro 10'000; der Ausruf lag bei Euro 6'000.

Damit habe ich den vielleicht EINZIGEN Brief ab Galatz zeigen können, den Nor 42 vor über fünf Jahren erwähnt hat. Ich danke nochmals für den Hinweis vom Februar 2015!

Heinz
 
Heinz 7 Am: 18.06.2021 00:10:29 Gelesen: 38654# 175 @  
Ich bin sehr froh, einen wirklich schönen Brief zeigen zu können mit Destination Ismail, als dieses zu Rumänien gehörte. Wir haben an anderem Orte schon gelesen, dass Ismail nur wenige Jahre zu Rumänien gehörte. Anbei eine Zusammenfassung der Zuordnung.

1484 bis 1812 gehörte die Stadt zum Osmanischen Reich. Im Krieg 1770 eroberte Russland die Stadt, doch fiel sie bald zurück an die Türken. 1790 fiel die Stadt wieder in russische Hände, aber wieder konnte die Türkei kontern. Am 26.9.1791 wurde die Stadt zum dritten Mal von den Russen eingenommen.

1812-1856 war Ismail ein Teil des russischen Gouvernementes Bessarabien. Nach dem (Krimkrieg-) Frieden von Paris 1856 kam die Region zu Rumänien, doch 1877/1878 war wieder Russland an der Reihe (bis 1917).

Schöne Briefe aus den Jahren 1856-1878 mit rumänischen Stempeln sind nach meinen Feststellungen recht selten. Ich habe einen schönen Brief gefunden (eingehende Post), der 1875 von Odessa (Russland) nach Ismail (Rumänien) gesandt wurde.



Der mehrseitige Brief wurde geschrieben am 19. August 1875 in Odessa und am selben Tag auf die Post gebracht. Die russische Marke mit Nennwert 8 Kopeken erhielt den Stempel „ODESSA – 19 AUG 1875“. Handschriftlich wurde die Versandart „par chemin de fer“ (französisch: per Eisenbahn) festgelegt.
 
Heinz 7 Am: 18.06.2021 00:20:49 Gelesen: 38651# 176 @  
@ Heinz 7 [#175]

Auf dieser Karte ist die Eisenbahnlinie eingetragen. Der Brief ging von Odessa (am Schwarzen Meer) Richtung Nordwesten, bis er den Grenzfluss Dniestr überquerte und in Bessarabien landete. Leider kenne ich nicht den genauen Jahrgang der Karte, es war Blatt 36 einer Kartensammlung von "W. & A. K. Johnston Limited, Edinburgh & London".



Bei "Bender" (bzw. Bendery/andere Schreibweise) teilte sich offenbar die Zuglinie. Für unseren Brief wurde der Zug genommen Richtung Südwesten.

Die Rückseite des Briefes ist hoch interessant und aufschlussreich. Der Durchgangsort Kubey fehlt auf den meisten Karten; der Ort liegt wenige Kilometer nordöstlich von Bolgrad. Auf der Karte wurde der Ort irrtümlich "Bolgard" (statt "Bolgrad") bezeichnet.



Stempel: «KUBEY – 22 AUG 1875» (siehe Katalog: Dobin 21.2.08).

Offenbar wurde diese Teilstrecke Odessa-Kubey also mit der russischen Post befördert. Nun aber ging der Brief in die Obhut der rumänischen Post. Davon zeugt der Stempel:

«BOLGRADU – 4. SEP 75». Stempel siehe «Dragomir, Gruppe B1f – ähnlich fig. 626».

Der Brief blieb aber nicht 13 Tage liegen, sondern wir sehen einmal mehr den Wechsel des Kalenders: julianischer Kalender bei der russischen Post, gregorianischer Kalender bei der rumänischen Post. Ein Tag später erreichte der Brief seine Destination, davon zeugt der rumänische Ankunftsstempel «ISMAIL – 5 SEP 75» Stempel siehe «Dragomir, Gruppe D – fig. 548»

Auf dieser Karte ist KUBEY eingetragen, allerdings als "Gubei" (nahe nordöstlich von Bolgrad)



Heinz
 
Heinz 7 Am: 30.04.2022 17:12:45 Gelesen: 27265# 177 @  
Liebe Leserinnen und Leser,

als ich diesen Brief in die Hände bekam, fing ich an zu grübeln. Der Brief wurde versandt 1850 von Odessa und sein Bestimmungsort war Genua. Heute würde dieser Brief wohl mit Luftpost befördert, aber vor 172 Jahren gab es diese Möglichkeit nicht. Wir hatten nur den Schiffsweg oder den Landweg. Die Fahrt durch das Schwarze Meer, den Bosporus und die Dardanellen, das Ägäische Meer, das Mittelmeer und das Tyrrhenische Meer wurde 1850 bedient, war aber weit und benötigte mehrere Reisetage.



Leider fehlen auf dem Brief Transitvermerke weitgehend, aber ganz ohne Angaben sind wir auch nicht. Der Stempel «T.A. 3» zeigt uns an, dass der Brief den Landweg nahm!

Aber welche Route nahm der Brief?

Wenn ich heute in den Routenplaner «Via Michelin» die Fahrt von Odessa nach Genua eingebe, erhalte ich zwei spannende Routen-Vorschläge. Der erste 2320 Kilometer nach, der zweite gar 2586 Kilometer lang. Der erste Vorschlag umfuhr das Gebiet des (heutigen) Rumäniens, der zweite aber führte über viele hundert Kilometer durch eben dieses Gebiet. Ein Bild hilft oft mehr, als viele Worte.



Route 1 (blau)

Start in Odessa, heute Ukraine, Richtung West-Nord-West
173 km – Passage östlich von Chisinau (Moldawien)
396 km – Passage Briceni (im Norden von Modawien)
401 km – Wiedereintritt in die Ukraine, nun Fahrt gegen Westen, südlich von Chotin vorbei
906 km – Einreise in Ungarn, Weiterfahrt Richtung Südwesten
1233 km – an Budapest vorbei
1484 km – Eintritt in Slowenien
1799 km – Eintritt in Italien, Weiterfahrt Richtung Westen
2320 km – Ankunft Genua

Route 2 (grau)

Start in Odessa, heute Ukraine, Richtung Südwesten
49 km – Eintritt in (heutiges) Moldawien, südöstlicher Zipfel
57 km – Wiedereintritt Ukraine, Richtung Südwesten
228 km – Passage von Ismail
274 km – Eintritt in Rumänien (Isaccea)
308 km - durch Tulcea, Richtung Süden Constanta
Danach Richtung Westen nach Bukarest, Pitesti, Ramniku Valcea, Richtung Norden nach Sibiu, Arad
1289 km – Eintritt in Ungarn, Richtung Westen nach Szeged, danach Richtung Norden bis fast nach Budapest.

Fortsetzung danach: wie Route 1 = total 2586 Kilometer

Aber Achtung. Hier sprechen wir von Strassen-Verkehr, auf Strassen des 21. Jahrhunderts! 1850 wurde aber bereits über weite Strecken die Eisenbahn benutzt.

Es ist nun eine aufregende Aufgabe, den wahrscheinlichen Transportverlauf von 1850 zu erfragen. Vielleicht helfen hier die Taxvermerke? Auf der Rückseite des Briefes finden wir leider nur einen Stempel, der aber dem unerfahrenen Leser keine klare Auskunft gibt.



Wie weiter? Will und kann jemand versuchen, das posthistorische Rätsel zu lösen? Europa sah damals anders aus, als heute.

Der Brief wurde zweifelsfrei aufgegeben in Odessa; es war ein Geschäftsbrief des Absenders «P. Iraclidi, Odessa» und war datiert vom 6. Mai 1850. Die (damals) russische Post verwendete den julianischen Kalender, darum finden wir den Stempel «ODESSA, 24 APR 1850». Der 6. Mai war datiert nach dem gregorianischen Kalender (damals 12 Tage Unterschied). Den rechteckigen Stempel finden wir im Buch von Dobin («Postmarks of Russian Empire» 1993). Kennzeichen 57.1.01 – 1.03 (Seite 401). Auch über den Empfänger (wohl Giacomo Andrea Razeto) habe ich bei meinen Recherchen schon einen Anhaltspunkt gefunden, aber von einer «sicheren Lösung» fühle ich mich noch entfernt.

Es wäre schön, wenn ich Eure Kenntnisse und Vermutungen erfahren dürfte.

Heinz
 
bayern klassisch Am: 30.04.2022 17:47:18 Gelesen: 27258# 178 @  
@ Heinz 7 [#177]

Hallo Heinz,

hinten 20 Maggio = 20. Mai, das war das Ankunftsdatum in Genua.

Ich hätte via Wien getippt, wegen diverser Kartenschlüsse auf Wien, aber die haben (hier: Schwarz) sehr oft gestempelt und wenn hinten keiner Wiener Stempel zu sehen ist, bleibt für mich die Route offen.

Der Brief war schwer und kostete den Empfänger 32 Soldi, wenn ich es richtig lese.

So, jetzt müssen die Spezialisten her!

Liebe Grüsse,
Ralph (und Glückwunsch zu dieser Pretiose)
 
Michael D Am: 30.04.2022 22:48:12 Gelesen: 27228# 179 @  
@ Heinz 7 [#177]

Hallo Heinz,

in diesen Jahren gab es einen direkten Kartenschluss Odessa-Wien, der allerdings alternierend auf verschiedenen Routen lief. Ich habe solche Briefe, manche sind hinten von Wien gestempelt worden, manche nicht. Manchmal findet man Durchgangsstempel von Czernowitz oder Krakau. Mit 32 Decimie fiel dein Brief in Sardinien in die 4. Gewichtsstufe (1. Gewichtsstufe: bis 1/2 Loth 80 Centesimi)

Viele Grüße
Michael
 
Heinz 7 Am: 30.04.2022 22:52:56 Gelesen: 27228# 180 @  
@ bayern klassisch [#178]

Super! 20 Maggio = 20. Mai, da hätte ich selber darauf kommen sollen! 14 Tage von Odessa nach Genua (Abgang war 6.5.)? Möglich. Später ging es rascher.

Die Taxvermerke kann ich nicht lesen, leider.

Nordroute? Südroute? Wien? Budapest? Bukarest? Donau? Knifflig..

Danke! Und natürlich habe ich mich über den Brief gefreut! So etwas findet man nicht alle Tage

Heinz
 
Heinz 7 Am: 01.05.2022 17:32:51 Gelesen: 27185# 181 @  
@ Michael D [#179]

Vielen Dank, Michael.

Du identifizierst das "Gekritzel" also auch, wie Ralph, als "32"? Nun, welche Währung wohl?

Der Brief hat leider gar keine weiteren Vermerke, ein Stempel "Wien" wäre logisch, aber - er fehlt eben.

Vielleicht weiss jemand, wo (an welcher Stelle) der Stempel "T.A. 3" angebracht wurde?

Ich nehme an, es ist der Stempel, den Edwin Müller 1961 in seinem Buch "Handbuch der Entwertungen von Österreich und Lombardei-Venetien ..." gezeigt und beschrieben hat auf den Seiten "P 31" (Zusatzstempel) und "XXXIII" (Abkürzungen).

T.A. = Transito Austria

Mich interessieren nun vor allem "die ersten 1000 Kilometer" sehr, den der Brief genommen hat. Welche Routen standen damals zur Verfügung? Gab es Postverträge damals von Russland mit Österreich & Europa, welche dies genau regelten?

Den Büchern von Dr. G. Gmach (2014 ff) entnehme ich, dass es wohl einen Postvertrag zwischen Russland und Österreich gab (siehe Band II, Seite 318, Gmach nennt den 11.2.1843, Zusatzvereinbarung 14./26.7.1849). Details daraus kenne ich nicht.

Ein Brief, gezeigt auf Seite 319, ging auch nach Genua, und trug den Stempel "T.A. 4". Aus der Notiz auf Seite 320 nehme ich an, dass der Stempel "T.A. 4" gemäss dem Postvertrag Österreich-Sardinien 1844 angebracht wurde. Mein Brief hat den Stempel "T.A. 3".

Vielleicht muss ich mich auch damit abfinden, dass der Weg nicht mehr zu eruieren ist. Die Taxen könnten aber einen Hinweis geben auf den genauen Postweg.

Herzliche Grüsse

Heinz
 
Zinnenstadt Am: 01.05.2022 19:25:03 Gelesen: 27165# 182 @  
Auch wenn die Postroute vielleicht nicht mehr genau nachvollziehbar ist, lohnt sich eine Recherche zu dem Absender des Briefes.

P.(aul) Iraclidi war vermutlich griechischer Staatsbürger und als Händler sowie Schiffseigner in Odessa tätig. Er hatte einen gut dokumentierten Prozess um die Beschlagnahme (s)eines Schiffes im Hafen von Odessa.

Siehe dazu [1]. Im Anhang "Entscheidungen der Gerichts-Committee des Geheimen Raths und des Admiralitäts-Prisen-Gerichts in London ..." vom Januar bis März 1856 wird unter T.T. (auf Seite 17) hierüber berichtet. Die rechtliche Auseinandersetzung fand vor dem Hintergrund des Krimkriegs (1853-1856) statt. Irgendwie von beklemmender Aktualität.

Vor dem Hintergrund des Berufs von P. Iraclidi ist die Korrespondenz mit Genua gut nachvollziehbar.

Viel Erfolg bei den weiteren Recherchen,
Zinnenstadt

[1] https://books.google.de/books?id=Sw-9S__DzAkC&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false
 
bayern klassisch Am: 01.05.2022 19:52:24 Gelesen: 27151# 183 @  
@ Heinz 7 [#181]

Lieber Heinz,

32 Centesimi waren richtig - ich war noch "Soldi-behaftet" [1]

Soweit ich es weiß, gab es TA1 bis TA5 - Stempel, die vertraglich zwischen Österreich und dem Kgr. Sardinien für die Leitungen fremder Briefe ausgehandelt worden waren. Ich meine, sie wurden in Mailand angebracht, aber das ist nicht sicher.

Hier kannst du die Stichworte Russland und Österreich eingeben und suchen, was die Datenbank ausspuckt [2].

Die ersten 1.000 Kilometer nachzuvollziehen wird möglich sein, wenn du die nächsten 10 Jahresurlaube dafür investieren möchtest , aber es gibt keine Garantie, dass du es je heraus findest, zumal die Transitstempel fehlen und es m. W. alternierende Routen gab.

Liebe Grüsse,
Ralph

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Sardische_Lira
[2] https://www.dasv-postgeschichte.de/pv/pv_show.asp?ext=0
 
Heinz 7 Am: 01.05.2022 21:24:41 Gelesen: 27108# 184 @  
@ Zinnenstadt [#182]

So ist es!

Ich habe auch bereits Hinweise betreffend Giacomo Andrea Razeto, aber es ist noch keine Gewissheit. Ich habe auch erst wenige Stunden Recherche leisten können, zur Zeit ist einfach zu viel los bei mir.

Darum bin ich froh, wenn (ein) Enthusiast(en) (oder Enthusiastinnen) da mithelfen! Früher hatte ich z.B. Marcel, der hat regelmässig Erkenntnisse "rausgehauen", da war ich ganz baff. Er hat mir zu Erkenntnis-Quantensprüngen verholfen!

Es ist auf jeden Fall spannend!

@ bayern klassisch [#183]

Danke, Ralph!

Herzliche Grüsse
Heinz
 
bayern klassisch Am: 02.05.2022 10:32:39 Gelesen: 27045# 185 @  
@ bayern klassisch [#183]

Korrektur: Nicht 32 Centesimi, sondern 32 Decimi. Sorry!

Liebe Grüsse,
Ralph
 
nor 42 Am: 02.05.2022 18:23:18 Gelesen: 27014# 186 @  
@ [#177]

Hallo,

vergessen Sie nicht dass 1850 Odessa noch von den DDSG Schiffe angesteuert wurde und es ist nicht auszuschließen, dass direkte Postsäcke für Wien von der DDSG befördert wurden.

Alles Gute,
nor 42
 
Heinz 7 Am: 02.05.2022 18:54:11 Gelesen: 27002# 187 @  
@ nor 42 [#186]

Lieber Herr Nor,

es freut mich, dass auch Sie sich an diesem Rätsel beteiligen. Wie ich einleitend schrieb, erwog ich die zwei Varianten "Seeweg" und "Landweg", und kam dann zum Schluss, dass es zumindest teilweise "Landweg" gewesen sein wird, denn ansonsten wäre m.W. der Stempel "T.A." nicht angebracht worden.

Aber es ist natürlich auch eine "Mischform" denkbar: Schiffpost, und dann Landpost. Die DDSG kommt tatsächlich für einen Transport "Odessa-Österreich" in Frage, naheliegend wäre die Strecke dann ganz bis nach Wien. Aber wann wurde dann der Stempel "T.A. 3" angebracht? Und: wäre dann nicht am Anfang bereits ein DDSG-Stempel fällig gewesen?

Wir finden aber einen Poststempel "Odessa", das deutet für mich auf Landpost.

Wenn ich die Karte in Beitrag 164 noch einmal betrachte, welche Postwege VOR der Eisenbahnzeit zeigt, fällt auf, dass es (auch) einen direkten Weg nach Ismail gab, und einen nach Jassy!, sodass für diesen Brief ein Transportweg über Rumänien also m.E. durchaus in Frage kommt.

Ich hoffe, ein Russland-Spezialist kann uns hier mehr dazu sagen. Russland war bekanntlich auch selber aktiv auf dem Gebiet der Donaufürstentümer (später Rumänien), verwendete dazu aber - mindestens teilweise - eigene Stempel. Solche sind aber auf meinem Brief keine angebracht worden.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 13.06.2023 23:43:22 Gelesen: 10458# 188 @  
@ Heinz 7 [#177]

Leider sind wir in der Sache nicht weitergekommen.

Einen einfachen Beleg zeige ich heute, aus meinen (ganz wenigen!) Ankäufen bei der IBRA Essen.



Diese Ausland - Ganzsache wurde 1897 von Bukarest nach Dänemark (Ort: Horsens) versandt. Leider hat der Beleg keinen Ankunftsstempel, doch dürfte er bestimmt in Dänemark angekommen sein (ich kaufte den Beleg von einem dänischen Händler). Saubere Belege aus Rumänien nach Dänemark sind gar nicht so häufig, und in dieser Qualität wirklich begehrenswert.

Gerne würde ich den genauen Transportweg kennen. Mit grosser Sicherheit wurde der Beleg mit dem Zug transportiert. Auf einer Autostrassen-Karte habe ich die Distanz berechnen lassen, danach legte der Beleg 2289 Kilometer zurück. Ich nehme an, in Wahrheit waren es noch ein paar Kilometer mehr, da die Zugverbindungen nicht alle so direkt waren, wie die Autostrassen-Möglichkeit.

Wenn jemand eine Eisenbahnkarte von Europa zeigen kann, auf welcher wir sehen, welche Zugstrecken wohl gewählt wurden und durch welche Länder sie führten, wäre dies eine willkommene Ergänzung. Fernab von meinen geliebten Büchern kann ich im Moment nicht weiterhelfen.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 14.06.2023 00:02:45 Gelesen: 10455# 189 @  
@ Heinz 7 [#188]

Einen ähnlichen Beleg, noch 10 Jahre älter, fand ich bei demselben dänischen Händler. Nun hatte der Absender offenbar nur eine Inland-Postkarte zur Hand, also musste er mit einer 5 Bani-Zusatzfrankatur nachhelfen, um die geforderte internationale Gebühr zu erreichen.



Auch diese Ganzsache ist in überdurchschnittlicher Erhaltung. Schön ist, dass wir alle Stempel gut lesen können; wir erkennen den Abgangsstempel "GALATI" (= Galatz) 3. AUG 87 und einen runden Einkreisstempel "K. 7.8.87" - ich bin ziemlich sicher, dass es sich um einen Ankunftsstempel in Kopenhagen handelt. Wir sehen daraus, dass der Brief für die über 2000 Kilometer Weg durch mehrere Länder nur vier Targe benötigte.

Heinz
 

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