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Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 962 Beiträge:
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Magdeburger Am: 06.08.2016 11:28:13 Gelesen: 324714# 88 @  
@ bayern klassisch [#83]
@ Max78 [#86]

Hallo ihr beiden,

ich bin relativ sicher, dass oben bei dem Brief hinter der 2 ggr. als Währungsabkürzung steht und kein Bruch. Es ist nur die Wiederholung der linken "2".

2 ggr entsprechen 2 1/2 Sgr., nur dies kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 06.08.2016 18:43:05 Gelesen: 324690# 89 @  
@ Magdeburger [#88]

Lieber Magdeburger,

das kann natürlich auch sein - aber dann sind wir wieder da, wo wir immer schon waren: Ganz am Anfang. Aber egal, es macht doch Spaß hier im Forum gemeinsam zu knobeln, wie es gewesen sein könnte. Der Weg ist das Ziel. :-)

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Magdeburger Am: 06.08.2016 18:58:00 Gelesen: 324688# 90 @  
@ bayern klassisch [#89]

Lieber Bayern Klassisch,

mit Hilfe der Taxquadrate ergibt sich zwischen Erfurt und Langensalza 3 Meilen Entfernung und das Porto betrug hierfür dann 2 Sgr. laut preussischer Portotaxe.
Wenn Bayern 2 ggr. = 2 1/2 Sgr. zustanden + 2 Sgr. preussisch, ergibt sich 4 1/2 Sgr. -> habe ich jetzt einen Denkfehler?

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 06.08.2016 20:03:08 Gelesen: 324676# 91 @  
@ Magdeburger [#90]

Lieber Magdeburger,

es gibt aus dieser Korrespondenz aber Briefe der 1. Gewichtsstufe mit 1 Sgr. Porto von Erfurt nach Langensalza, von 3/4 Sgr., von 1 1/2 Sgr. - Kann es sein, dass man die Gebühren modifiziert hatte?

Ansonsten würde deine Rechnung aufgehen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Magdeburger Am: 06.08.2016 20:07:15 Gelesen: 324674# 92 @  
@ bayern klassisch [#91]

Lieber Bayern Klassisch,

dazu kann ich leider nichts sagen.

Mit freundlichen Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 26.08.2016 09:14:54 Gelesen: 324264# 93 @  
Liebe Freunde,



heute zeige ich einen Brief aus meiner pfälzischen Heimat, genauer gesagt aus dem schönen Neustadt an der Haardt, vom 19.12.1853 nach Langnau in der Schweiz. Der Absender frankierte 15 Kreuzer, die sich aus dem Postvereinsfranko von 9 Kr. per Marke und 6 Kr. Weiterfranko bar erklären ließen. Diese 6 Kr. Weiterfranko wären der badischen Bahnpost zu bonifizieren gewesen, die sie dann der Schweiz gutzuschreiben hatte.



Dass alles in den Büchern o.k. war, bezeugt der in Rötel ausgeführte "Erledigungsstrich" von Basel, wo man vergessen hatte, zu stempeln.

Nicht vergessen zu stempeln hatte man in Bern am 21.12.1853 und am selben Tag in Langnau.

Ich danke der Aufgabe- und Transitpost für ihre fehlerhafte Behandlung - so wandert er in die Bayern - Schweiz - Sammlung.

Diese Spielart war nur bis zum 31.3.1854 möglich - davor galten Marken für das Ausland nicht und wären auch nicht angerechnet worden, daher gibt es nicht viele Briefe mit dieser geteilten Frankoabgeltung.

Ich kenne mit diesem 3 Briefe aus der Pfalz mit geteilter Frankoabgeltung in die Schweiz.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 04.09.2016 14:15:31 Gelesen: 323989# 94 @  
Liebe Freunde,



netter Brief der Firma Jenisch aus Kempten an die Firma David in Francomont in Belgien vom 22.01.1831 (Belgien war frisch gegründet worden - der früheste Bayernbrief nach Belgien, den ich kenne). Es war ein Teilfrankobrief. Der Absender zahlte 14 Kreuzer (Kr.) bis Aschaffenburg. Die vorn vermerkten 2 Silbergroschen (Sgr.) waren an Taxis für deren stillen Transit (Aschaffenburg - Koblenz). Mit ihnen verlangte Preußen 4 1/2 Sgr, also ca. 14 Kr.. In Belgien war es aber ein Brief der 2. Gewichtsstufe (PV Bayern - Preußen 1.5.1816 war bis 1 Loth einfach, in Belgien aber nicht!), so dass er total 15 Stuiver = 40 Kr. kostete. Die Gesamtgebühr betrug daher 54 Kr., fast einen Gulden! Das waren immerhin 15 Mittagessen, also nicht gerade wenig.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 06.09.2016 16:53:20 Gelesen: 323947# 95 @  
Liebe Freunde,



heute zeige ich einen Brief aus München vom 21.8.1865, der doppelt interessant ist. Absender war die General - Bergwerks- und Salinen - Administration in München an das K. Salinen - Forstamt in Ruhpolding. Die Absenderbehörde notierte, und das finde ich hochinteressant, "Rekommandirt" und fügte hinzu "Gegen Recepisse". Nun lernt ja jeder bayerische PO - Schüler, dass Chargé, Recommandirt, gegen Schein usw. das Gleiche darstellt - und das ist auch richtig. Nur beim Begriff Recepisse kennen wir zwei unterschiedlichen Deutungen: Einmal wollte der Absender die Einschreibung, einmal wollte er einen Rückschein, amtlich "Retour - Recepisse" genannt.

Hier darf angenommen werden, dass das Wort Recommandirt für die Einschreibung und das Wort Recepisse für die Beibringung eines Rückscheins (Post - Lieferscheins) gewählt wurde.

Nett zu sehen, dass siegelseitig der 7A - Stempel von Traunstein den Transit nach Ruhpolding dokumerntiert. Wie der Stempel aussieht, war er damals sehr frisch.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 22.09.2016 14:50:12 Gelesen: 323683# 96 @  
Liebe Freunde,

der Threadtitel heißt eigentlich "erklären", aber hier möchte ich mal einen Bayernbrief zeigen und euch raten lassen, warum er etwas ganz besonderes ist und war.



Nun zu den Fakten: Geschrieben in Lindau am 6.12.1852 war er gerichtet an den Weinhändler Otto Vogler in Kreuzlingen im Kanton Thurgau. Der Absender frankierte 6 Kreuzer, mehr nicht. Über den Bodensee kam era m 7.12.1852 nach Romanshorn und wohl am selben Tag oder einen Tag später in Kreuzlingen an.

Wo liegt die Besonderheit (oder gar die Besonderheiten?)?

Ich bin mal gespannt, wer sich den Brief zu beschreiben wagt. Nur Mut - er wird wie immer belohnt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Max78 Am: 23.09.2016 14:18:00 Gelesen: 323629# 97 @  
Hallo Ralph,

auch wenn ich wenig Ahnung habe, versuch ich es mal und ich greife dabei auf Daten zurück, die Du in diesem Forum schon für die Allgemeinheit bereitgestellt hast!

1. Nach Infos zum Postvertrag 1.10.1852 würde man für einen einfachen Brief 3 Kreuzer für Bayern und 3 für die Schweiz berechnen (jeweils 1. Rayon bis 10 Meilen), dann wäre dieser Brief portogerecht. Allerdings fehlt da doch etwas: der Rötel seitens der Schweiz, die 3 Kreuzer hätten auf dem Brief vermerkt werden müssen?

2. Aus einem anderen von Dir geschriebenen Beitrag habe ich gelesen, dass Kreuzlingen bei "Entfernungsbemessung" vergessen wurde. Hat das eventuell damit zu tun? Somit könnte man es vielleicht so erklären: der Brief war im eigentlichen Sinne überfrankiert. Das Porto für "Lindau/Romanshorn" (über den Bodensee per Schiff) berechnete sich aus dem vereinbarten Porto 3 Kreuzer für Sendungen unter 5 Meilen (3 Kr. für den Staat, wo der Brief abgesendet wurde). Die Schweizer Seite verzichtete auf ihren Teil, da Kreuzlingen nicht zu verrechnen war. Bayern freute sich über 3 Kr. mehr im Beutelchen.

Alles nur Spekulation, aber einen Versuch wert. Das auffälligste auf jeden Fall: Kein Rötel seitens der Schweiz,

herzliche Grüße Max
 
mljpk Am: 23.09.2016 17:32:26 Gelesen: 323600# 98 @  
Mmmh, lieber Ralph,

jetzt geselle ich mich mal als völlig blindes Postgeschichtshuhn dazu und mache aus Jux und Dollerei mit (man lernt ja bekanntlich spielend):

Die gerade Linie Lindau-Kreuzlingen beträgt 40,62 km = 5,474 geographische Meilen. Die gerade Linie Romanshorn-Kreuzlingen 17,67 km = ca. 2,3 geographische Meilen. Die gerade Linie zwischen Lindau-Romanshorn 23,52 km = ca. 3,17 geographische Meilen. Die halbe direkte Linie Lindau-Konstanz wird so etwa 2,9 Meilen betragen.

Folgende gedankliche Varianten kann ich vergleichbar mit Max erkennen:

1. Die Entfernung Lindau-Romanshorn wäre bei einer Berechnung der Entfernungen zum Taxgrenzpunkt Romanshorn von Lindau und Kreuzlingen jeweils kleiner als 5 Meilen, womit 3 Kr. Porto Konventionsmünze für Bayern angefallen wäre, für die Schweiz würden noch 10 Cent. = 3 Kr. hinzugekommen, insgesamt also 6 Kr..Der fehlende Rötel spricht aber gegen diese Annahme. Bei dieser Betrachtung wäre wegen der Gesamtentfernung zwischen den Orten Lindau und Kreuzlingen selbst, die Erleichterungsregelung in der Zusatzvereinbarung zur Übereinkunft 1852 nicht anzuwenden.

2. Wendet man die Erleichterungsregelung aber alleine für die Entfernungen Kreuzlingen zum Taxgrenzpunkt Romanshorn an, und nicht zwischen Lindau und Kreuzlingen, etwa weil der Grenzort Lindau wegen der fest definierten Dampferstrecke Lindau-Romanshorn als durch die Dampferstrecke nach Romanshorn "vorverlegter" deutscher Aufgabeort angesehen wurde, dann würde die 5 Meilen-Regelung greifen, und alleine Bayern stünde das Porto zu. Das würde den fehlenden Rötel erklären, der Brief wäre aber überfrankiert.

Da Max den fehlenden Rötel feststellte, könnte dieser Umstand mit Alternative 2 zu erklären sein, es also trotz der Entfernung von mehr als 5 Meilen zwischen Lindau und Kreuzlingen wegen der Dampferstrecke mit den in der Zusatzvereinbarung benannten festen Taxgrenzpunkten es auf die Entfernung vom Taxgrenzpunkt Romanshorn nach Kreuzlingen ankommen. Ich kann jedenfalls nach den Betrachtungen sehr gut verstehen, warum die Altvorderen Probleme mit der Strecke Lindau-Kreuzlingen hatten, da diese im Grunde entlang des Seeufers betrachtet zwischen Bayern und der Schweiz als größt mögliche Distanz gerade so zur Überschreitung der 5 Meilen-Regelung führte.Vielleicht ist es aber auch nur letzerer Umstand auf den Du aufmerksam machen möchtest.

Genug spekuliert, jetzt bin ich auf die Auflösung oder weitere Erklärungsversuche gespannt.

Grüße vom blinden Philahuhn Jens
 
SH-Sammler Am: 23.09.2016 17:35:40 Gelesen: 323598# 99 @  
@ bayern klassisch [#96]
@ Max78

Hallo Ralph und Max,

auch ich kann die Antwort nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Die Gedanken von Max sind jedoch schon mal gut.

Die Taxfreiheit bis Kreuzlingen könnte ich nachvollziehen, sofern der Brief nur per Schiff unterwegs war. Da ist jedoch der Stempel Romanshorn, der mir zu denken gibt. Meines Wissens ging die Schiffsverbindung ab Lindau nach RORSCHACH. Somit wäre Romanshorn eher aussergewöhnlich. Und hier komme ich ins Stocken.

Dass das Weiterfranko von 3 Kreuzern nicht vermerkt ist, kam wohl hin und wieder vor.

Ralph, Du musst (einmal mehr) weiterhelfen und meine Gedankengänge erhellen.

herzliche Grüsse
Hanspeter
 
mljpk Am: 23.09.2016 19:53:00 Gelesen: 323577# 100 @  
Hallo Hanspeter,

in Art. 3 des ergänzenden Postvertrages Schweiz-Bayern v. 1852 sind Dampfschifffahrtsverbindungen zwischen Lindau Rorschach und Romanshorn benannt. Auch im Jahr 1853 ist in einem Vertrag über die Regelung der Schifffahrtsverhältnisse zwischen Bayern und der Schweiz von einer Linie Lindau-Romanshorn die Rede. Evtl. handelt es sich hier um einen nur selten abgehenden Dampfer?

Weitere Grüße in die Runde.

Jens
 
Max78 Am: 26.09.2016 11:43:08 Gelesen: 323490# 101 @  
Hallo Ralph,

weil ich darauf brenne, was die Lösung ist (und ich hoffe, dass ich nicht der einzige bin, hier in Erinnerung an Deinen Beleg):

Dreht man den Durchgang-/ Ankunftstempel, sieht es so aus:



Rein nach Symmetrie könnte der schwarze Stempel den Ortsnamen Kreuzlingen (damals aus einem Kloster und 18 weiteren Gebäuden bestehend) oder Egelshofen aufweisen (nachgewiesen sind Stempel mit Ortsnamen Kreuzlingen ab 1842). Das "Verstümmelte" über der Monatsangabe ein Trennstrich (somit leider kein Hinweis auf den genauen Ankunftstag). Da Kreuzlingen damals keinen Hafen hatte, vermute ich folgenden Postweg: Lindau-Romanshorn per Dampfboot und Romanshorn-Kreuzlingen (oder Egelshofen) per "Uferweg".

Bin gespannt - vor allem was die Taxierung betrifft,

mit Grüßen Max
 
bayern klassisch Am: 26.09.2016 12:36:40 Gelesen: 323473# 102 @  
@ bayern klassisch [#96]

Liebe Freunde,

nach einen wunderschönen Kurzurlaub zurück freue ich mich sehr, dass dieses zugegebenermaßen nicht ganz leichte Thema doch seine Knobler und Liebhaber gefunden hat, was ganz klar für das Niveau dieses Forums und seiner Mitglieder spricht.

Max hatte schon erwähnt, was eigentlich nur ganz wenige Philatelisten wissen und nicht vorausgesetzt werden kann: Zum 1.10.1852 mit dem Vertrag Bayern - Schweiz (für die Schweiz erst zum 15.10.1852 gültig) teilte die bayer. Postverwaltung ihren Poststellen mit, dass die Schweiz in 2 Rayons (Entfernungsgebiete) zu Bayern eingeteilt worden war; die Orte des 1. Rayons, also in bayerischer Nähe, waren einzeln angegeben worden und man sagte, dass alle anderen Zielorte auf den Briefen logischerweise im 2. Rayon zu Bayern liegen mussten. Briefe in den 1. Rayon kosteten für die CH - Strecke 3 Kreuzer, alle anderen in den weiter entfernten Rayon 6 Kreuzer.

Man hatte bei der bayerischen Post aber einen Fehler begangen und Kreuzlingen vergessen. Das führte unweigerlich dazu, dass Briefe in diesen kleinen und unbedeutenden Ort nahe der badischen Grenze, der geographisch im 1. Rayon (also nahe) zu Bayern lag, weil der Ort nicht in der Liste der Orte des 1. Rayons aufgeführt worden war, automatisch im 2. Rayon zu liegen schien, wofür Bayern für die CH 6 Kreuzer anzusetzen hatte.

Von Lindau mit dem Dampfboot nach Romanshorn und weiter bis Kreuzlingen waren es nur Luftlinie 40 km, aber der Grenzrayon war nur 5 Meilen (= 37,5 km) und Kreuzlingen stand auch nicht auf der Liste der Orte, von denen aus er im Grenzrayon gelegen hätte, so dass wir die Grenzrayontheorie (so schade das ist!) leider vergessen müssen.

Dazu kam, dass Bayern bei frankierten Briefen bis zum 31.3.1854 darauf bestand, dass das bayerische Franko, von Lindau aus immer 3 Kreuzer, in Marken auszudrücken war, das Weiterfranko für die CH aber bar kassiert und siegelseitig notiert werden musste. Dieses war später über die die Briefe begeleitende Briefkarte mit der Schweiz in Romanshorn (daher hatte der Brief auch dort einen Stempel erhalten, weil man das bayerische Briefepaket dort geöffnet und alles auf seine Richtigkeit geprüft hatte) abzurechnen.

Noch Ende November 1852 war in Bayern keinem aufgefallen, dass Kreuzlingen im 1. Rayon in der Liste vergessen worden war, aber zwischen Ende November und dem 1. Dezember 1852 hatte man den Fehler bemerkt und den Ort sofort "nachgemeldet", wodurch die bayer. Postexpeditoren ihre 3 Kr. Liste um eben diesen erweiterten.

Der Brief stammt aber vom 6.12.1852, so dass man in Lindau wusste, dass er nach dorthin nur 6 Kr. kosten würde - je 3 Kr. für Bayerns 1. Rayon und den 1. Rayon der Schweiz. Offenbar wusste das auch der Absender, denn er klebte etwas unvorsichtig gleich 6 Kreuzer auf.

Jetzt hatte die Post in Lindau das Problem, dass wegen der sog. geteilten Frankoabgeltung (3 Kr. in Marke für Bayern, 3 Kr. Barfrankatur für die Schweiz) schon die gesamten 6 Kr. auf dem Brief klebten. Was tun? Für diesen Fall sah der Vertrag und die Durchführungsverordnung, die ja mit jedem neuen Postvertrag einher ging, keine Lösung vor.

Hier handelte man praktisch: Man ließ die Marke auf dem Brief, wie wir sehen. Aber Bayern musste nun 3 Kr., die ja nicht in der Kasse waren, an die Schweiz weiter vergüten. Also dürfte man dem Lindauer eine 3 Kreuzer Marke verkauft haben und diese 3 Kr. als Weiterfranko für die Schweiz verbucht haben.

Daher war jetzt mit der Schweiz alles in Ordnung - auf dem Brief selbst konnte man kein Weiterfranko hinten notieren, sonst wären es ja optisch 9 Kreuzer gewesen, die er gekostet hätte und die Schweiz bekam über die Briefkarte ihre 3 Kr. von Lindau gutgeschrieben. Dafür spricht auch, dass der Empfänger nicht nachbelastet wurde, sonst hätte er 10 Rappen Nachtaxe zu entrichten gehabt.

Schwere Kost - aber wenn man sich das Geschriebene in aller Ruhe durch den Kopf gehen lässt, erschließt sich einem diese doppelte Besonderheit schnell und man erkennt, warum keine Handvoll dieser ganz besonderen Briefe bis heute erhalten blieben.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
SH-Sammler Am: 26.09.2016 13:23:05 Gelesen: 323457# 103 @  
@ bayern klassisch [#102]

Woahh, Ralph

Liebe Grüsse
Hanspeter
 
Max78 Am: 26.09.2016 13:35:13 Gelesen: 323455# 104 @  
Hallo Ralph,

wirklich genial! Und auf den ersten Blick ein "gewöhnlich" frankierter Brief.

Nur noch, um das "logisch" abschliessen zu können, eine letzte Frage:

1. Gehen wir davon aus, dass ein Brief am 20.10.1852 versendet wurde (Lindau-Kreuzlingen auf gleichem Postweg). Vermutlich würde ein "regelkonformer" Brief dann folgendermaßen aussehen:

3 Kreuzer in Marken ausgedrückt und siegelseitig 6 Kreuzer notiert, da man Kreuzlingen im 2. Rayon betrachtete? Das Gesamtporto wären dann insgesamt 9 Kreuzer?

2. Nach dem 1. November 1852:

3 Kreuzer in Marken ausgedrückt und siegelseitig 3 Kreuzer notiert (für den 1. Rayon), also insgesamt 6 Kreuzer

mit herzlichem Dank und Grüßen Max
 
bayern klassisch Am: 26.09.2016 13:53:14 Gelesen: 323446# 105 @  
@ SH-Sammler [#103]

Hallo Hanspeter,

gar nicht so einfach, diese frühen 50er Jahre des 19. Jahrhunderts. Man könnte nur die allein sammeln und wäre schon ein glücklicher Mensch (ich jedenfalls wäre es).

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 26.09.2016 14:01:50 Gelesen: 323439# 106 @  
@ Max78 [#104]

Hallo Max,

alles richtig gefolgert!

Wenn man hätte, könnte man also zeigen:

Lindau - Kreuzlingen vor dem 1.10.1852 bar frankiert 2 Kr. für Bayern (Sondertarif bis 30.9.1852, bis 8,75g) und 2 Kr. für die Schweiz (bis 10 Wegstunden = 48 km). Also siegelseitig 2 / 2 zu notieren.

Vom 1.10.1852 bis zum 14.10.1852 - für Bayern Vertragszeit, für die Schweiz nicht - 3 Kr. in Marken vorne und 3 Kr. hinten bar notiert je Loth = 6 Kr. geteilte Frankoabgeltung.

Bei über 1/2 bis 1 Loth hätte ihn die Schweiz sogar für ihren Teil als unterfrankiert ansehen können und für sich 2 mal 2 Kr. minus der von Bayern erhaltenen 3 Kr. = 1 Kr. Nachporto = 5 Rappen gerundet ansetzen können. An solche einen Brief darf ich gar nicht denken, sonst schlafe ich schlecht!

Ab 15.10.1852 dann 3 Kr. in Marke vorn für Bayern und 6 Kr. hinten bar für die Schweiz, weil Kreuzlingen nicht im 1. Rayon aufgeführt worden war. Hier hätte die CH gelacht, weil sie 3 Kr. für nichts eingesackt hätte.

Ab Ende November bzw. dem 1. Dezember 1852 bis 31.3.1854 dann korrekt 3 Kr. in Marke für Bayern und 3 Kr. für die CH = 10 Rappen jetzt bar siegelseitig frankiert.

Ab 1.4.1854 dann 6 Kr. Marke vorne drauf (wie meiner!) und alles war bezahlt.

Ab 1.9.1868 war der Grenzrayon auf 7 Meilen ausgeweitet worden - also jetzt nur noch 3 Kr. von Lindau, die allein Bayern zustanden.

Wer mir auch nur 3 der obigen Varianten zeigen kann, dem küsse ich die Füße. Hätte man alles, wäre man im Olymp der Postgeschichte.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Eilean Am: 26.09.2016 14:29:43 Gelesen: 323403# 107 @  
@ bayern klassisch [#106]

Toll zu lesen, wirklich faszinierend, auch wenn ich die Gedanken fast nur auf Logik hin folgen kann. Wissen tue ich hier nichts. Mit dem Wissen um die entsprechenden Verträge, Verordnungen, etc. öffnet sich hier die Bandbreite der Philatelie oder gar der Olymp der Postgeschichte.

Weiter so!

Gruß
Andreas
 
bayern klassisch Am: 26.09.2016 15:29:17 Gelesen: 323386# 108 @  
@ Eilean [#107]

Lieber Andreas,

vielen Dank! Wie im richtigen Leben muss die Theorie sitzen, dann erst kommt die Praxis.

Cerebral weniger bedarfte verwechseln das in ihrem Sammlerverhalten oft - die Folgen davon kann man oft sehen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 26.09.2016 15:44:08 Gelesen: 323378# 109 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich eine kleine Besonderheit - einen Brief aus Nürnberg vom 19.8.1857 nach Hamburg "poste restante".



Bis 1 Loth und über 20 Meilen erforderten die verklebten 9 Kreuzer. Leider weiß ich nicht, ob der Postsonderdienst "poste restante", also den Brief dort 3 Monate lang liegen zu lassen, kostenpflichtig oder kostenlos war. Gerne lese ich, wie es damals dort gehandelt wurde.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 30.09.2016 10:02:40 Gelesen: 323238# 110 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich ein Geschenk der Bucht, weil man dergleichen nicht auf Bäumen findet (oder unter Bäumen), sondern schon ein bissi gucken muss.



Eine Parteisache vom 17.6.1856 des Bürgermeisteramts Dürkheim (heute: Bad Dürkheim) in der Pfalz lief an eine badische Behörde in Offenburg, jedoch wollte man nicht frankieren.

Es ging 112 km nach Süden, so dass es ein Brief der 2. Entfernungsstufe war (über 10 - 20 Meilen). Dafür wären 6 Kr. Postporto und 3 Kr. Zuschlag = 9 Kr. anzusetzen gewesen. Da man aber mit 18 Kr. blau taxierte, wird der Brief 1 bis unter 2 Loth gewogen haben. Die bayerische Kreide - 18 wurde von Baden als Zeichen der Portokontrolle mit blauer Tinte unterstrichen und war somit richtig.

Siegelseitig sehen wir das rote Behördenabsendersiegel (schööön) und die Transitstempel von Mannheim (18.6.) und der badischen Bahnpost Kurs Va vom selben Tag. Ein Ankunftsstempel mangelt.

Portobriefe der 2. Gewichts- und Entfernungsstufe in den Postverein sind selten. Gut für mich, denn ich habe nur noch einen weiteren in der Sammlung - nach 20 Jahren.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 08.10.2016 10:25:18 Gelesen: 323002# 111 @  
Liebe Freunde,

danke der vornehmen Zurückhaltung eines lieben Sammlerfreundes konnte ich im Internet diesen hier schnappen, den ich euch nicht vorenthalten will, weil er doch ein bisschen lustig ist - schon von außen, auch von innen.





Verfasst hat ihn das königliche Montur- und Rüstungs - Depot in München und gerichtet war er an den Magistrat der kgl. Stadt Herzogenaurach. Unter der Franchise R(egierungs) S(ache) mit der E(xpeditions) - N(ummer) 23411 wurde er bei der Hauptbriefpostexpedition München I am Mittag des 25.3.1871 aufgegeben. Er entsprach in allen Bereichen (Siegel, R.S., Exped. - Nr. und vorderseitig obige Absenderbehördenennung) den Anforderungen für einen portofreien Dienstbrief in Bayern.

Jedoch hat ihn München mit 7 Kr. Porto belastet und auf seine Reise nach Franken geschickt, warum auch immer.

Ausweislich seiner Siegelseite kam er am 26.3. in Erlangen und noch am selben Tag in Herzogenaurach an. Der dortige Magistrat nahm den mit Porto belasteten Brief erst gar nicht an, womit sich der Vermerk auf der Siegelseite "Wird unfrankirt nicht angenommen. Stadtmagistrat Herzogenaurach. Seeberger" erklärt.

Die Weigerung der Zahlung eines Portos auf einem Brief war der Annahmeverweigerung gleich gestellt, so dass die Post den Brief mit "retour" versah und zurück schickte. Nun also wieder Erlangen 27.3. und München 28.3. (danke für den netten Einkreiser, einen meiner Lieblingsstempel von Bayern!), so dass er jetzt mit 7 Kr. in München belastet der Absenderbehörde per Briefträger Numero 43 zugeleitet wurde.

Diese sah nicht ein, 7 Kr. zu zahlen, strich selbst die Taxe der Post (man hatte wohl die Schnauze voll) und notierte unten frontseitig "portofreie Dienstsache.

Ohne neuen Postaufgabestempel, wie es richtig gewesen wäre (= Contravention von München durch Absender und Empfänger!) lief er wieder nach Erlangen (30.3.) und kam dann auch in Herzogenaurach an (30.3.). Da jetzt portofrei, war die Annahme der Sendung nicht zu verweigern.

Aus dem Inhalt: "Lieferung von Schuhwerk betreffend. Der Schuhmacher Ulrich Mauser von Herzogenaurach hat 400 Paar Halbstiefel für Cavalerie und 500 Paar Bundschuhe für Infanterie in Lieferung übernommen, wofür der Ablieferungstermin schon seit Ende Januar 1871 abgelaufen war. Hierauf hat aber der Herr Mauser bis jetzt kein Paar abgeliefert und auch um eine Termins - Verlängerung nicht nachgesucht. Ich stelle daher das ergebene Ersuchen, demselben zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit anzuhalten dessen Erklärung anher bekannt zu geben und zugleich über die Vermögensverhältnisse desselben Aufschluß zu ertheilen".

Der Auftrag des Montour - und Rüstungs - Depots von Bayern in München dürfte also noch zu aktiven Kriegszeiten Ende 1870 ergangen sein und die Lieferung war sicher dringend, denn Soldaten ohne Schuhwerk dürften gerade im Winter ziemliche Probelme bekommen haben. Herzogenaurach war wohl schon in früher Zeit ein Zentrum der bayer. Schuhindustrie und heute kennen wir vor allem die beiden großen Sportschuhhersteller Puma (Rudolf Dassler) und adidas (Adolf Dassler), welche beide aus diesem Ort einen weltbekannten, kleinen Ort gemacht haben.

Wir wissen nicht, wie der Streit ausgegangen ist, aber der Krieg wurde gewonnen und das auch ohne die Schuhe aus Herzogenaurach, obwohl 900 bayerische Soldaten noch immer auf ihr ersehntes Schuhwerk aus Herzogenaurach haben warten müssen (und die Post in München durch Fehltaxierung noch ihr Schärflein dazu beigetragen hatte).

Das sind die Briefe und Geschichten, die unser Hobby ausmachen - weniger eine blaue Mauritius, oder eine British-Guyana-1-Cent. Just my 2 cents.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bignell Am: 08.10.2016 11:21:43 Gelesen: 322999# 112 @  
@ bayern klassisch [#111]

Hallo Ralph,

gratuliere zu diesem tollen Fund, einerseits wunderbar wie der Brief hin und her geschubst wurde, andererseits eine nette Anekdote aus Kriegszeiten. Gibt nicht viele Belege die so schön Geschichten erzählen.

Lg, harald
 

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