Thema: Deutsche Lokalausgaben 1945 Wasungen Spendenblock (Privatausgaben)
bernhard Am: 11.06.2023 08:50:27 Gelesen: 1145# 2@  
In der Tagespresse jener Zeit wurde mehr und ausführlicher darüber berichtet und auch Ross und Reiter genannt. Verpackt als „Kochrezept und Kochgericht“ zum schmunzeln. So z.B. in der Weimarer „Abendpost“ vom 15. August 1946:

„Rezept zu Millionen. Man nehme:

1. eine kleine Stadt, möglichst mit einigen malerischen Denkmälern vergangener romantischer Zeiten (gibt es glücklicherweise immer noch in reichlicher Zahl);

2. einen vertrauensseligen Bürgermeister, dessen heißester Wunsch es ist, seine Stadt von der drückenden Schuld zu befreien (so romantische Bürgermeister gibt es auch in weniger romantischen Städten in rauer Menge);

3. fünfundzwanzigtausend Blatt Papier in Postkartengröße, prima, prima (reinweiß, selbst wenn es schwarz erhandelt sein sollte);

4. ein paar briefmarkenähnliche Zeichnungen der romantischen Sehenswürdigkeiten besagten Städtchens, und

5. die große Gemeinde der Briefmarkensammler, die sich auf jedes neuerscheinende Postwertzeichen stürzt, zumal wenn es im lockenden Gewande eines Blocks mit so beschränkter Auflage erscheint, wie es nur 25 000 Stück sind (bei Millionen Sammlern – und noch mehr Spekulanten?).

Kalkulation: Unkosten 25 000 Blatt Papier, die Klischees, Druckerlohn, einige Anzeigen in Zeitungen (die weitere Propaganda machen ja die Sammler von sich aus!); Einnahmen 25 000 mal 10 Mark (so viel hat man gleich als „Nominale“ auf den Block gedruckt) macht rund zweihundertfünfzigtausend Reichsmark. Dafür dem beglückten Bürgermeister für seine Stadtkasse einen Anteil, der Post – ja, die brauchen wir gar nicht dazu; den Verkauf besorgen wir selbst spielend – nichts; der Rest für die den Alleinvertrieb besorgende Firma.

So dachten sich zwei Briefmarkenhändler in dem reizenden Städtchen Wasungen an der Werra. Sie dachten sogar noch weiter, in der richtigen Erkenntnis, daß ein solcher Fischzug so bald nicht wieder beginnen könne. Warum sich mit Provisorien und den späteren Preissteigerungen zufrieden geben? Man erhöht gleich den „Ausgabepreis“von sich aus aufs Doppelte, auf 20 Emmchen, und schon sind garantiert zweihundertfünfzigtausend Mark Superverdienst in die eigene Tasche kalkuliert. Da aber ein Markenblock in einer solch kleinen Auflage (ein richtiges „Fressen“ für den Sammler) in wenigen Wochen auf mindestens 200 Mark klettert (siehe Thüringer Weihnachtsblock, Brückenbaublock und andere), wird das Gericht noch schmackhafter.

Der Verkaufspreis wird selbstverständlich täglich der Marktlage angepaßt, sodaß wir einen Durchschnittserlös von mindestens 100 Mark je Block zu erwarten haben; macht netto die Kleinigkeit von RM 2 500 000,- oder zweieinhalb Million Mark. (Man kalkuliert, wie viele Menschenleben z.B. Aufbauarbeit zu 60 Rpf. Die Stunde leisten müßten, um diese Einnahmen zu erzielen!)

Allerdings- etwas ungenießbar erscheint das Gericht, weil einstweilen die schönen Aufbaublocks (von den verkauften abgesehen) vom Gerichte beschlagnahmt wurden. Den Köchen, den Herren Voigt & Hösel, Briefmarkenhandelsfirma in Wasungen (der erste als Briefmarkenhändler hier zugewandert; sein Kompagnon ehemaliger Polizeigewaltiger mit noch guten Beziehungen im Städtchen), erscheint die eingebrockte Suppe nun etwas versalzen. Man glaubt nicht mehr so recht an ihre gemeinsame Fürsorgetätigkeit.“




Die ursprüngliche Zeitungsmeldung, abgedruckt im Rundbrief der ArGe Thüringen Nr. 9/1945 (leider nicht so gut lesbar)
 
Quelle: www.philaseiten.de
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