Thema: Rumänien: Postrouten und Transportwege
Heinz 7 Am: 01.02.2015 12:09:19 Gelesen: 133224# 19@  
@ 10Parale [#12]

Hello everybody!

Dieses Thema hier ist sehr vielseitig, und - quasi als "Sonntagsbraten" - möchte ich Euch anbei einen spektakulären Brief vorstellen, der auf den ersten Blick allerdings gar nicht speziell aussieht:



Das Handelshaus Theologo Galatz sandte seiner Filiale (Gebrüder Theologo) in Konstantinopel im März 1853 einen im voraus bezahlten Brief. Er wurde dem österreichischen Postamt in Galatz übergeben, die ihn entsprechend stempelten und auf die Reise schickten. Soweit so gut - nichts Besonders, das kennen wir aus mehreren anderen ähnlichen Briefen.

Ein Blick auf die Rückseite des Briefes bringt uns nun aber zum Staunen. Während andere Briefe dieser Zeit oft keine Durchgangs- oder Ankunftsstempel zeigen, finden wir hier gleich vier verschiedene!



Sereth = Siret; gehört zur historischen Region (Süd-)Bukowina, Kreis Suceava. Der deutsche Name war Sereth, rumänisch Siret. Siret spielte im alten Fürstentum Moldau eine wichtige Rolle, kam 1775 aber zu Österreich. Heute ist es eine Grenzstadt zur Ukraine

Semlin = Zemun; (bei (heute Teil von) Belgrad) gehörte 1541-1718 zum Osmanischen Reich und kam dann zu Österreich-Ungarn. Zitat Wikipedia: "In der folgenden Epoche war Zemun Grenzort und Zollstation der Donaumonarchie, erst zum Osmanischen Reich, dann zu Serbien. Nach Auflösung der Militärgrenze gehörte Zemun zur Gespanschaft Syrmien des Königreichs Kroatien und Slawonien"

Hermannstadt = Stadt in Siebenbürgen (= Nagyszeben = Sibiu) seit 1711 zu Österreich gehörend.

Temesvar = Timisoara, Stadt in der historischen Region Banat; gehörte 1552-1716 (also 164 Jahre lang!) zum Osmanischen Reich, bevor es zu Österreich kam.

Ich kann leider nicht mit genauer Sicherheit die Reihenfolge dieser Odyssee feststellen. Ich lese:

27. März Galatz
1. April Sereth
5. April Hermannstadt
9. April Temesvar
?. April Semlin

Warum nur nahm dieser Brief diesen sehr unerwarteten Verlauf? Konstantinopel liegt südlich von Galatz, aber die Reise startete ohne Zweifel in genau die entgegengesetzte Richtung, nach Norden, und wurde dann westlich weiter gesandt. Warum? Waren es bereits Vorboten des Krimkrieges, der 1853 startete? Eine weitere mögliche Erklärung könnte eine Seuchengefahr gewesen sein, denn der Brief wurde gerastelt (viele kleine Löcher). Das könnte wohl in Siret erfolgt sein ...

Ich weiss es nicht mit Sicherheit. Aber ich bin begeistert von diesem Dokument der europäischen Geschichte.

Anbei noch eine Karte, die die politischen Verhältnisse der damaligen Zeiten uns vor Augen führt.



Herzliche Grüsse - Heinz
 
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