Thema: Vorphilatelie: Schnörkelbriefe und andere Belege aus der Vorphilazeit
roteratte48 Am: 17.10.2008 18:19:09 Gelesen: 305046# 56@  
@ xheine [#55]

So - das Wochenende hat begonnen und ein wenig mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens wie Philatelie z.B. ;o) bringt es auch mit sich. Ich bin einige Antworten schuldig geblieben - jetzt zumindest ein Schnelldurchlauf.

Den Privatbrief aus Stuttgart tu ich mir jetzt nicht an - er beinhaltet auch nichts Weltbewegendes. Was man gestern getan hat, was man morgen tut, dass man verreisen will, dass noch Quartier gemacht werden muss, dass die Gräfin Uexkuell nach Hall kommt usw. Für eine vollständige Transkription, wenn nötig, bitte wie unter [#54]! Warum der Brief, der, wie Du richtig sagst, in Stuttgart geschrieben wurde, in Neuwied zur Post gegeben wurde, darüber kann man spekulieren - irgendwer von Hofe wird wohl nach dort gereist sein und hat den Brief mitgenommen - geschrieben wurde er am 18. Juli, zur Post gegeben am 21. Juli, durchaus denkbar so.

Dein Schnörkelbrief aus [#50] bis [#52] ist schon was besonders Hübsches! Zunächst mal die Gestaltung der Anschrift, eine lebende Verdeutlichung des Begriffes "Schnörkelbrief", sie lautet: "Dem Ehrenvesten und Wohlgelahrten Herrn Johann Gottfried Hennigen, Gerichts-Verwaltern zu Althörnitz, unserm günstigen Herrn und guten Freunden." Schloss Althörnitz liegt im Zittauer Gebirge unweit von Görlitz in Sachsen. Im Text geht es um zwei Berichte zu einem Häftling namens Hahmann - Text 1: "Althörnitz, d. 16. August 1753 / Inquisit Hahmann ist aus dem Arreste gebracht und ihm vorstehendes Urtheil publiciret / Actum ut supra [geschehen wie oben] in Anwesenheit Johann Heinrich Schlichtings, Richters, Zacharias Grisepps und David Gieckes, beyderseits Gerichts-Eltesten [folgt Signatur des Johann Gottfried Henning]."

Text 2: "Althörnitz den 22. August 1753 / Heutigen Tages ist Inquisit Hahmann nach Vorschrift des Urteils auf der Bühne des Kreutz [?] durch den anhero requirierten Stockmeister aus Löbau, namens Kreuling, über den Stock gelegt, mit Ruthen ziemlicherweise gezüchtiget, und weil sein Vater die zuerkannte Geldstraf abzurichten und für die Unkosten zu stehen versprochen, nach erlittener Züchtigung auf freyen Fuß gestellet. / Actum in praes [geschehen in Anwesenheit von]" - und dann folgen wieder die Namen der bei der Urteilsvollstreckung Anwesenden.

Es ist also in diesem Sinne kein Brief, sondern die Übermittlung zweier Auszüge aus der Registratur hinsichtlich eines Gerichtsprozesses - gibt einen schönen Einblick in die Justiz der damaligen Zeit, in der Leibesstrafen durch den jeweiligen Schlossherrn über seine mehr oder minder leibeigenen Bauern verhängt wurden.

Zum Feldpostschein morgen ein paar Worte - meine bessere Hälfte ruft zum Abendessen.

Gruss an alle - Rolf
 
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