Thema: Vorphilatelie: Schnörkelbriefe und andere Belege aus der Vorphilazeit
roteratte48 Am: 17.10.2008 20:11:02 Gelesen: 305021# 57@  
@ roteratte48 [#146]

In #4 hatte ich zugesagt, hin und wieder einen Beleg aus meinen Beständen zu zeigen und wörtlich zu transkribieren. Da ich diesen Beleg eh hatte "übersetzen" müssen, mach ich mir's mal einfach und stelle ihn hier vor.

Friedrich Wilhelm Ernst zu Schaumburg-Lippe (geb. 09.01.1724 in London; gest. 10.09.1777 in Wölpinghausen) wurde 1748 Regent der Grafschaft Schaumburg-Lippe. Er war einer der bedeutendsten Militärtheoretiker seiner Zeit, sammelte erste milit. Erfahrungen in Berlin unter Friedrich dem Großen (dort gehörte er zum engeren Kreis um VOLTAIRE) und stellte bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 1756 ein eigenes Kontingent zur allierten Armee. Er wurde zunächst zum Generalmajor der kur-braunschweigisch-lüneburgischen Armee ernannt - 1759 erhielt er den Oberbefehl über die gesamte Artillerie der verbündeten Heere.

1762 folgte der Ruf des Markgrafen von Pombal, der Wilhelm den Oberbefehl der verbündeten englischen und portugiesischen Truppen antrug - nach Ende des Krieges durch den Frieden von Fontainebleau wurde er in Anerkennung seiner herausragenden Leistungen von der britischen Krone zum britischen Feldmarschall ernannt!

Soviel voraus zum Verständnis des Briefkopfes im nachfolgend angebotenen Kanzleibrief Wilhelms an seinen Bückeburger Amtmann DOMMERICH aus dem Jahre 1762. Der Text:

"Dem Ehrbaren und wohlgelahrten Unserm besonders lieben getreuen Ambtmann Dommerich zu Bückeburg..

Von Gottes Gnaden wir WILHELM regierender Graf zu Schaumburg Graf und Edler Herr zu Lippe und Sternberg, Ritter des Königl. Preuss. Großen Ordens vom Schwartzen Adler, Marchal Général der Armeen seiner allergetreuesten Majestät, und General en Chef der Truppen seiner Königlichen Majestät von Großbrittannien und Portugall

Unsern gnädigen Gruß zuvor, Ehrsamer und wohlgelahrter, lieber Getreuer!

Nachdem sich der Cours unter denen bisher in hiesigen Landen roullierenden geringhaltigen MüntzSorten von neuem zum Nachtheil des Publici solchergestalt geändert, daß dadurch die Landesherrschaftlichen und publiquen Kassen mit der Zeit einen unersetzlichen Schaden erleiden würden, als ist abermahls getzt resolvieret worden, nunmehr die Königl. Preuss. 1/3 Gülden, so bis 1759 ausgepräget auf 8 mgl. [Mariengroschen], die Herzogl. Braunschwigischen mit dem "C" aber auf 6 mgl 4 Pfg, hingegen die sächsischen 1/3 Gülden auf 4 mgl 4 Pfg bei denen herrschaftlichen und publiquen Cassen zu setzen und habt Ihr denen Unterthanen Eurer unterhabenden Ämbter ein solches nicht nur bekannt zu machen, sondern auch dabey anzudeuten: daß die Nachschläge von Mecklenbg. 1/3 Gülden mit "R" und der neuen Arth geprägter Reichsgroschen (?) wovon wir Euch beygehende Stücke zur Nachricht communicieren, gäntzlich verboten seyn sollen, weshalb dann auch derjenige, so dergleichen ansichtig wird, die gehörige Anzeige dem Officio fisci zu thun hat, da sodann mit der confiscation ohne Anstand verfahren werden soll. Wornach Ihr Euch zu achten! Bückeburg den 6 Oktober 1762 Anstatt und von wegen seiner Großgräflichen Erlauchten zur RegierungsCantzley verordneten Räthe und Assessor J.Mohlmann.."

Eine eigenhändige Unterschrift Wilhelms konnte das Schreiben logischerweise nicht tragen - er blieb bis zu den Friedensschlüssen von Paris respektive dem Frieden von Hubertusburg weiterhin in Portugal und kehrte letztlich erst 1764 nach Bückeburg zurück.

Beleg zum Siebenjährigen Kriege einerseits sowie zu den Problemen des Münzwesen der damaligen Zeit andererseits. Präsentationsvermerk vom 9. Oktober auf der ersten Textseite r.o., vollständig erhaltenes papiergedecktes Siegel Wilhelms rs. (Federmessereröffnung)

Allen einen schönen Abend - Rolf


 
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