Thema: Einzelne Marken heute noch sammelwürdig ?
0nickyet Am: 18.05.2015 09:39:40 Gelesen: 9910# 20@  
@ Heinz 7 [#15]

Lieber Heinz,

die von dir aufgemachte Rechnung könnte man nun so missverstehen, dass sich der Wert einer Briefmarke an der ("Arbeits-")Zeit bemisst, die ein Händler zum einordnen benötigt. Das hast du sicher nicht gemeint - der Wert bemisst sich allein an der zahlungsfähigen Nachfrage innerhalb der Sammlerschaft (des "Marktes"), aber ein Händler kann seine Zeit freilich nicht damit vertun, Kiloware einzusortieren, die so massenhaft verfügbar ist, dass eine Zahlungswilligkeit nicht besteht. Mit der Beforschung einer gefragten Marke hingegen kann der Wert tatsächlich gesteigert werden, sofern etwas herausgefunden wird, das zusätzliche Sammler investieren lassen könnte.

Die Anzahl derjenigen, die Briefmarken nicht zur Wertanlage sammeln ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv gesunken, zum einen weil Briefmarken als Alltagsgegenstand seltener geworden sind, zum anderen weil sich die verfüg- und bezahlbaren Freizeitbeschäftigungen stark vermehrt haben, sicher aber auch, weil nicht mehr alle Ausgabeanlässe der Post die Neugierde des Betrachters wecken. Aber die Grundidee der Briefmarke von Rowland Hill ist so unschlagbar einfach, dass sie bei aller Konkurrenz durch E-Mail, Whatsapp und markenloser Massenfrankierung überleben wird. Auch neue Privatpost-Unternehmen, die ja auf dem technisch neuesten Stand beginnen, können darauf nicht verzichten: Eine Briefmarke zur Hand und ein Briefkasten in der Nähe, und man kann mit der ganzen Welt kommunizieren, ohne Elektrizität und ohne "Netz".

Den wichtigsten Bereich der Philatelie bildet sicher das Wissen, ohne das niemand irgendetwas über seine Marken herausfände. Hier gibt es natürlich Experten, von denen manche abfällig reagieren, wenn sie auf Unwissendere treffen. Das ist unnötig, denn sie waren auch mal dumm. Zur Wissenschaft der Philatelie kann aber jeder beitragen, indem er/sie sich die Frage stellt: Erklärt sich die Marke vor mir mit dem verfügbaren Wissen vollständig? Ihre Herkunft, ihre Wertstufe, ihr Motiv, ihr Stempel, ihr Weg von A nach B? Ist das nicht der Fall, können die Details der Marke oder des Belegs philatelistisch interessant sein. Für diese Wissenschaft ist der Handelswert einer Marke völlig unerheblich.

Schließlich gibt es noch die Händler. Unverzichtbar in vieler Hinsicht, sind sie natürlich nicht unmittelbar an Allerweltsmarken interessiert. Aber ohne diese, und ohne das philatelistische Wissen, gäbe es auch weniger wertanlegende Sammler (die meist klein anfingen), somit sollten auch Händler an der Förderung des Alltagshobbies interessiert sein (sind die meisten ja auch).

Vor kurzem las ich in "Approaches to Philately" von G.B. Erskine aus dem Jahre 1950. Neben dem Bonmot, dass sich dort ein Autor darum sorgte, das Briefmarkensammeln könne bald aussterben - und offenbar Unrecht hatte - fand ich die Einleitung bemerkenswert: Dort wird darauf hingewiesen, dass die Philatelie ein demokratisches Hobby sei, da sie grundsätzlich jedem zugänglich ist, und ganz ohne Hürden. Es gibt keine überflüssigen Sammlungen, da jede die Beziehung einer Person zu Kultur, Gesellschaft und Geschichte stiftet, auf welche Art auch immer.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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