Thema: Altdeutschland Preussen: Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 18.05.2015 14:31:38 Gelesen: 35471# 25@  
@ Magdeburger [#24]

Lieber Ulf,

herzlichen Glückwunsch zu dem sicher nicht häufigen Brief - aus Baden oder Württemberg ist jeder "gscheite" Brief nach Magdeburg gut - ich finde ihn prima!

Liebe Freunde,

heute stelle ich einen optisch eher mäßigen Brief vor, ohne dessen Inhalt er der Wert einer bissfesten Currywurst entspräche. Mit dem Inhalt entspricht er aber eher dem Wert von 2 bissfesten Currywürsten.





Der Brief selbst wurde am 26.5.1852 in Berlin geschrieben und war, wie so viele, an die Strohwarenfabrik Isler in Wohlen (Aargau) in der Schweiz gerichtet.

Nach seiner äußeren Beschaffenheit wog er unter 1 Loth im Postverein bis zur Grenze Baden - Schweiz und über 1/2 - 1 Loth für die Eidgenossenschaft, weswegen ihn Preußen mit 9 Kr. für sich und Basel mit 50 Rappen Gesamtporto (30 Rappen für Preußen und 20 Rappen für die Schweiz) taxierte, ein reiner Portobrief also. Preußen hatte ihn noch siegelseitig mit 3 Groschen taxiert, weil man die später von Baden zu beanspruchen hatte.

Die Leitung von Berlin per Bahn über Leipzig - Hof - Tauberbischofsheim - Karlsruhe und Efringen gen Süden ist eh klar.

Öffnet man den Brief, erfreut sich der Kenner und der Laie wundert sich: 2 kleine Wachssiegel zeigen an, dass es kein Standardbrief war, von denen es doch so viele gab und gibt.

Die Erklärung findet sich im Text, den ich hier wiedergebe: " Im Auftrag des Herrn David Cohn in Warschau , überreiche ich Ihnen für dessen Rechnung inliegend:

Frcs (Franken) 600 auf Bischoffsheim Goldschmit & Co per 25ten Juli per Paris, die sie gefälligst genanntem Freunde unter umgehender Empfangsanzeige creditiren wollen, auch empfehle mich Ihnen hochachtungsvoll und ergebenst Christian Neufeld".

Aha - der schlaue David Cohn aus Warschau hat also einen Wechsel über 600 Franken (1 Franken = 30 Kreuzer, somit 300 Gulden!), statt ihn per Wertbrief von Warschau aus direkt in die Schweiz zu schicken, diesen wohl einem anderen Schreiben nach Berlin an Chr. Neufeld beigefügt, der ihn dann - weiterer Text ist nicht vorhanden - weiterleitete an Isler in Wohlen, was der einzige Zweck dieses Briefes war.

Findet man hin und wieder Inhalte, in denen steht, dass man diesem Brief noch ein oder zwei andere beifügte, was schon ein Ausnahmetatbestand des Postbetrugs und der heutigen PO darstellt, so ist ein solcher Brief, vor allem weil er aus Polen (zu Russland) stammt, m. E. von besonderer Bedeutung.

Phantastisch wäre es, wenn mir jemand sagen könnte, was ein Wertbrief mit 300 Gulden Wert (bzw. dem Äquivalent in Rubel) von Warschau aus direkt in die Schweiz gekostet hätte, um mir die Ersparnis vorzustellen (von Warschau nach Berlin m. E. 6 Groschen = 20 Kopeken), dazu 5 Sgr. = 15 Kreuzer = 50 Rappen für diesen Brief.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
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