Thema: Deutsche Besetzung des 1. Weltkrieges 1914/18: Amtliche Ganzsachen
sentawau Am: 17.07.2015 12:52:57 Gelesen: 47627# 35@  
Zu diesem interessanten Themenkreis ist lange nichts mehr geschrieben worden. Ich will versuchen, den Faden wieder aufzunehmen.

Das Inland-Porto im Bereich der Landespost Belgien wurde am 1. Oktober 1918 von 8 auf 10 Cent erhöht. Um die noch reichlich vorhandenen 8 Cent-Postkarten aufzubrauchen, wurden gleichzeitig 2 Cent-Briefmarken (Mi. Nr.10) durch Überdruck hergestellt. Vorher war es, nicht möglich, 8 Cent-Postkarten (z. B. zum Zwecke der Auslandsverwendung) auf 10 Cent portorichtig aufzufrankieren, denn es standen nur 3 Cent-Marken zur Verfügung.

Die Ergänzungsportomarken erschienen allerdings zu einem Zeitpunkt, als sich die deutsche Verwaltung des besetzten Belgiens schon in Auflösung befand. Viele Postämter waren bereits geschlossen, oder die Postbeförderung war eingestellt, so dass die 2 Cent-Marken nur noch bei wenigen großen Postämtern an die Schalter kamen und bedarfsmäßig verwendet wurden. Bestimmungsgemäß auf 8 Cent-Karten verwendet, ist die Marke sehr selten. Auf Brief kenne ich sie bislang nur auf Sammlerbriefen an Philatelisten oder Händler, z. B. an Noske, Kosack oder Köhler, dann meist gleich zehnfach verklebt.

Die Auktionsfirma Harlos rief 2002 (18. Auktion Los 2778) eine derart frankierte Karte mit 150 Euro aus. Damals war sie das zweite bekannte Stück. Ich zeige nachfolgend zwei weitere Exemplare, abgestempelt am 5. 10. 1918 in Antwerpen bzw. am 7. 11. 1918 in Brüssel. Beide tragen Zensurstempel, der auf der Karte aus Antwerpen allerdings in der Abbildung kaum zu erkennen ist (roter Rollstempel links unten). Die Spuren eines frühen Sammlers auf dieser Karte habe ich absichtlich nicht entfernt. Außerdem kann ich auch die Doppelkarte 8 Cent mit der 2 Cent-Marke zeigen, abgestempelt bereits am 2.10. in Brüssel (fast Ersttag!)



Philatelistisch frankierte Briefe sind dagegen relativ häufig. Der nachfolgend abgebildete ist immerhin von der Post befördert worden, abgestempelt in Pepinster am 2. 11. 18. Die außerdem abgebildete Drucksache vom 2. 11.1918 aus Brüssel dagegen hat vermutlich nie einen Postsack von innen gesehen.



Zum Schluss noch eine um 3 Cent überfrankierte Postkarte vom 31. 7. 1918, als es noch keine 2 Cent-Marken gab. Meistens wurden allerdings ersatzweise 3 Cent-Marken verwendet. Die Postkarte ist an einen „Zivilarbeiter“ sprich Zwangsarbeiter in Deutschland gerichtet. Völkerrechtswidrig rekrutierte Zwangsarbeiter aus unterworfenen Ländern waren keine Erfindung der Nazis – auf diese Idee waren schon die Herren Hindenburg und Ludendorff gekommen. Aber das ist eine andere Geschichte, die sich auch am Beispiel Belgien philatelistisch darstellen läßt.



Auf die besondere Bewandtnis mit der unscheinbaren 2 Cent-Marke machte als Erster aufmerksam Horst Denke in der Ganzsache 75. 2001, S. 204 -211, die dort fehlerhafte Gebührentabelle berichtigt in 76. 2002, S.32.
 
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