Thema: Philatelie in der Presse - Auktionen (Sammelbeitrag)
Richard Am: 24.11.2008 08:44:44 Gelesen: 133344# 22@  
Marken für Millionen

Tagblatt.ch (21.11.08) - Im Wiler Auktionshaus Rapp steht die weltgrösste Briefmarkenauktion des Jahres bevor. Erstmals können Interessierte im Internet mitbieten. Juniorchefin Marianne Rapp Ohmann über Faszination und Sammler, Finanzkrise und Jugend.

Frau Rapp, was fasziniert Sie persönlich an Briefmarken?

Marianne Rapp Ohmann: Briefmarken sind mein tägliches Leben. Seit ich denken kann, habe ich mit Marken tun. In meinem Elternhaus war ich ständig davon umgeben. Die Faszination geht von der Ausstrahlung der Marke aus, und von den Menschen, die sich damit beschäftigen. Wenn wir zum Beispiel eine Sammlung begutachten, steht dahinter stets auch eine Lebensgeschichte. Ich erinnere mich etwa an einen älteren Mann, der erzählte, wie er im Zweiten Weltkrieg, als Dresden bombardiert wurde, seine Sammlung auf einem Leiterwägeli aus der brennenden Stadt schaffte.

Wie ist die Lage auf dem Briefmarkenmarkt angesichts von Finanzkrise und Rezession?

Rapp: Wir hatten zunächst etwas Angst, aber nun beobachten wir eine gewisse Flucht in Sachwerte. Das Interesse an wertvollen Briefmarken ist ungebrochen gross und das Interesse an unserer Auktion gar noch grösser als in anderen Jahren. Briefmarken sind eher ein konservativer Wert, sehr beständig. Der Markt ist sehr stabil, nicht aufgeblasen wie gewisse Sparten des Kunstmarktes. Wenn man etwas versteht von der Philatelie, dann kann man an Marken auch etwas verdienen.

Nächste Woche kommen Marken im Schätzwert von 15 Millionen Franken unter den Hammer. Woher stammen diese Marken?

Rapp: Wir erhalten Sammlungen und Einzellose aus der ganzen Welt. Ich fahre im Jahr etwa 100 000 Autokilometer, fliege oft, vor allem in Europa. Ich besuche die Verkäufer und besorge den Transport der Marken in die Schweiz. Anbieter sind Sammler, Erbengemeinschaften, Anleger, Banken und Treuhänder.

Welche Kriterien müssen Marken erfüllen, damit sie bei Ihnen eingeliefert werden können?

Rapp: Das Hauptkriterium ist die Seltenheit: Was selten ist, ist wertvoll. Dann ist natürlich auch der Zustand der Marken wichtig, und Sammlungen sollten so wenig Lücken haben wie möglich.
Woher kommen die Bieter?

Rapp: Wie die Anbieter aus der ganzen Welt. Wir haben sowohl viele Stammkunden als auch, vor allem dank des Internets, viele neue Kunden. Es ist interessant zu sehen, wenn wir etwa hohe Gebote für alte Schweizer Marken aus Hongkong, Kolumbien oder Brasilien erhalten. Sammler sind oft Unternehmer, Geschäftsleute, denn es braucht natürlich schon recht viel Geld. Es gibt Sammler, die geben Millionen aus.

Erstmals können dieses Jahr Interessierte im Internet mitbieten. Welchen Zuspruch erwarten Sie?

Rapp: Einen sehr grossen. Derzeit sind allein drei Mitarbeitende mit den Registrationen beschäftigt.

Wie lässt sich der typische Briefmarkensammler charakterisieren?

Rapp: Eher älteren Semesters, so 50 plus, eben weil es gewisse Mittel braucht. Eher männlich – warum das so ist, dafür haben wir keine Erklärung. Wir haben schon auch Kunden aus der Generation ab 35 Jahren, aber auch für sie gilt: ohne Geld keine wertvollen Marken. Jüngere Sammler sind aber eindeutig in der Unterzahl.

Wie steht es ums Sammeln günstiger Briefmarken, für wenig Geld?

Rapp: Ein Philatelist investiert in wertvolle Briefmarken, alle anderen sammeln aus purer Freude an den Märkli. Das geschieht heute anders als vor 30 Jahren. Das Vereinsleben ist eher rückläufig, dafür tauschen sich Sammler vermehrt im Internet, in Foren und Forschungsgruppen aus. Es gibt auch einen Trend zur stärkeren Spezialisierung.

Und die Jugend?

Rapp: Wir machen uns nichts vor: Früher hat jedes Kind Märkli gesammelt, heute haben die Kinder andere Interessen. Der Verband engagiert sich auch sehr in der Jugendförderung, aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass man die Jugend im gleichen Ausmass wie vor 30 Jahren fürs Briefmarkensammeln begeistern könnte. Eigentlich schade, denn Marken sammeln bildet auch, zum Beispiel auf den Gebieten Geographie, Geschichte oder Politik.

Wenn jemand für wenig Geld sammeln möchte, was empfehlen Sie?

Rapp: Motive sammeln, zum Beispiel zum Thema Sport. Das bringt zwar keine Wertsteigerung, ist aber unterhaltsam.

Was verspricht von modernen Marken Wertsteigerung?

Rapp: In der modernen Philatelie sind es nur Abarten, zum Beispiel Fehldrucke. Ansonsten sind die Auflagen heute viel zu hoch.

Interview: Thomas Griesser Kym



Marianne Rapp: «Ein Philatelist investiert in wertvolle Briefmarken, alle anderen sammeln aus purer Freude an den Märkli.» (Bild: Hannes Thalmann)

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