Thema: (?) (24) Niederlande: Fälschungen zum Schaden der Post
Stefan Am: 21.08.2015 20:02:45 Gelesen: 20593# 17@  
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Als Ergänzung zum vorherigen Beitrag [#16]:

Aufgrund der Recherchen von ReinierCornelis (Stand 2012) und eigener Recherchen ergibt sich das nachfolgende Gesamtbild:

Am 27.12.2011 veröffentlichte die niederländische Post (PostNL) eine Pressemeldung, wonach gefälschte Briefmarken ( „valse postzegels“ bzw. „Sticker“) aufgefallen waren. Diese klebten auf Etiketten und wurden zur Frankatur von Sendungen (Briefe bzw. Pakete) verwendet. Derartige Etiketten wurden bis dato von verschiedenen Händlern im Internet zum Kauf angeboten (1). In der Meldung der niederländischen Post wurden konkret 12 Internetseiten (Händler) gelistet, welche Fälschungen vertrieben.

In den Niederlanden waren bis dato niederländische Briefmarken und Guldenwährung (Ausgabe bis 2001) und Eurowährung (Ausgabe ab 2001) gültig und es war üblich, alte Briefmarken in Guldenwährung auch nach der Einführung des Euro als Zahlungsmittel (Bargeld) zum 01.01.2002 zur Frankatur zu verwenden. Die Nominale der Guldenwährung wurde entsprechend dem offiziellen Wechselkurs 2,20371 niederländischer Gulden = 1,00 Euro umgerechnet. Zur Erleichterung des Absatzes (Verkaufs) alter Briefmarken in Guldenwährung und um den Käufern das Umrechnen der Nominale zu ersparen, wurden die zu verkaufenden Briefmarken entsprechend der als Verwendung angedachten Portostufe auf Etiketten geklebt, wobei hier Mischfrankaturen zwischen Gulden- und Euronominale gängig waren. Diese Etiketten wurden unter Nominalwert im Internet angeboten und auch verkauft. In einem Beitrag (1a) wird ein Screenshot von einer Internetseite einer der betroffenen Anbieter mit Stand von Januar 2012 gezeigt. Darin ist ersichtlich, dass die Marken ab dem 01.10.2010 für 70% der Nominale angeboten wurden.

Laut der Pressemeldung der niederländischen Post ist dieser durch die Verwendung falscher Briefmarken ein Schaden in Millionenhöhe entstanden. Demnach kann davon ausgegangenen werden, dass mehrere 100.000 (eventuell auch mehr als eine Mio.) Stück gefälschte Briefmarken verkauft wurden. Die gefälschten Briefmarken wurden neben echten Briefmarken auf Etiketten geklebt und postalisch verwendet. Seitens der Fälscher wurden sowohl Briefmarken in Guldenwährung als auch in Euro illegal nachgedruckt. Die Höchstwerte der Nominalen liegen bei minimum 7,00 Gulden (= umgerechnet 3,18 Euro) bzw. 3,00 Euro pro Einzelmarke. Laut ReinierCornelis (Beitrag [#7]) sind auch Briefmarken mit deutlich niedrigeren Nominalen (Bsp. zu 0,44 Euro) betroffen. Die höheren Nominalen werden vermutlich eher auf teureren Sendungen wie Einschreiben und Paket (jeweils Versand im Inland und Ausland) verwendet worden sein; die kleineren Nominalen (Bsp. zu 0,44 Euro) können auch als Teil eines Etiketts auf normalen Sendungen vorkommen (Beispiel siehe oben als Briefstück aus einer Postkarte).

Das Mitglied ReinierCornelis stellte Anfang bzw. Mitte 2012 seine Forschungsergebnisse zu den Fälschungen auf seiner eigenen Internetseite (2) bzw. in mehreren Foren (u.a. die vorherigen Beiträge in diesem Thema auf philaseiten.de) in verschiedenen Sprachen (niederländisch, englisch, deutsch) vor, Beispiel aus den USA mit weiteren Informationen siehe (3). In der niederländischen Briefmarkenzeitschrift „Filatelie“ sollte 2012 ebenfalls ein mehrere Seiten umfassender Artikel des Autors Rein Bakhuizen van den Brink erscheinen und wurde in zwei weiteren Fachzeitschriften veröffentlicht.

Als Konsequenz aus diesem größten Skandal über gefälschte Briefmarken in den Niederlanden verbot die niederländische Post zum 01.11.2013 die Verwendung alter Briefmarken in Guldenwährung (4).

Nach (5) wurden zwei Männer aus Maastricht (Provinz Limburg) als Produzenten der gefälschten Briefmarken ermittelt, in den Niederlanden vor Gericht gestellt und zivilrechtlich zur Zahlung eines Schadensersatzes von 2.600.000 Euro an die niederländische Post verurteilt (5). Eine strafrechtliche Verurteilung ist derzeit noch nicht erfolgt; seitens des Staates wird gegen die beiden zivilrechtlich verurteilten Täter sowie sechs weiteren Verdächtigen ermittelt (6).

Nach (6) begann der Verkauf von Briefmarken (Guldenwährung) durch die beiden Angeklagten im Jahr 2010. Der Verkauf lief so gut, dass man sich entschloss, selbst Briefmarken zu drucken. Die Fälschungen flogen nach (6) durch einen Hinweis an die niederländische Post auf und es erfolgte am 27.12.2011 eine Mitteilung der PostNL an die Öffentlichkeit, welche auch in der Presse kommuniziert wurde (Beispiel siehe (7)). Nach Mitteilung der PostNL wurden die Fälschungen durch eigene Überprüfungen festgestellt (1).

Betroffene Ausgaben laut Beitrag [#7]:

1. Dauerserie „Koningin Beatrix“, Originale nassklebend:
- Mi-Nr. 1300C (1,50 Gulden aus Rolle, senkrecht ungezähnt), Scan siehe Beitrag [#10]
- Mi-Nr. 1214C (2 Gulden aus Rolle, senkrecht ungezähnt), Scan siehe Beitrag [#10]
- Mi-Nr. 1304C (2,50 Gulden aus Rolle, senkrecht ungezähnt), Scan siehe Beitrag [#10]
- Mi-Nr. 1202C (6,50 Gulden aus Rolle, senkrecht ungezähnt), Scan siehe Beitrag [#11]
- Mi-Nr. 1298C (7 Gulden aus Rolle, senkrecht ungezähnt), Scan siehe Beitrag [#11]

2. Dauerserie „Koningin Beatrix“, Originale selbstklebend:
- Mi-Nr. 1966 (1 Euro), Scan siehe Beitrag [#11]
- Mi-Nr. 1967 (3 Euro), Scan siehe Beitrag [#11]

3. Dauerserie ohne Namen, Originale selbstklebend
- Mi-Nr. 2480 (bildgleich zu 2483), Nominale zu 0,44 Euro, Scan siehe Beitrag [#13]

vermutlich nicht gefälscht: Dauerserie „Koningin Beatrix“, Originale nassklebend:
- Mi-Nr. 1215A (3 Gulden aus Bogen, vierseitig gezähnt), Scan siehe Beitrag [#7]
- Mi-Nr. 1216A (4 Gulden aus Bogen, vierseitig gezähnt), Scan siehe Beitrag [#7]

ebenfalls Status unklar: Dauerserie „Koningin Juliana“, Originale nassklebend:
- Mi-Nr. 944 und 945 (Nominale zu 5 und 10 Gulden), siehe Scans Beitrag [#3] und [#7]

Ende 2012 vermeldete der Schwaneberger Verlag in einer Meldung (8) auf der eigenen Internetseite, dass von den Mi-Nrn. 944; 945; 1202; 1215; 1216; 1298; 1300; 1455; 1966; 1967 und 2480 Fälschungen bekannt geworden sind. ReinierCornelies belegt per Scan zusätzlich die Mi-Nr. 1214C und 1304C. Michel dagegen führt im Vergleich zur Liste von ReinierCornelis zusätzlich die Mi-Nrn. 944 und 945 auf, welche aus Sicht von ReinierCornelies im Mai 2012 noch nicht belegt waren. Weiterhin führt die Michel-Redaktion als zusätzliche Fälschung die Mi-Nr. 1455 an (Nominale zu 2 Gulden in der Zeichnung der gefälschten Ausgaben zu 1 und 3 Euro).

Es ist auffällig, dass bisher lediglich Meldungen über gefälschte Briefmarken vorliegen, welche eine konkrete Nominale (Bsp. 2 Gulden oder 0,44 Euro) aufweisen. Seit Mitte 2010 gibt die niederländische Post vielfach Briefmarken heraus, welche ausschließlich eine Ziffer (Bsp. „1“ oder „2“) als Nominale aufweisen und für die Verwendung auf bestimmten Produktklassen vorgesehen ist. Zu diesen Marken liegen bisher keine Meldungen über Fälschungen vor, obwohl diese theoretisch vorkommen könnten. In der der eingangs erwähnten Kiloware wurden ca. 1700 Stück der Mi-Nrn. 2753 und 2771 (Ausgabejahr 2010) überprüft und keine Fälschungen gefunden.

Allgemeine Merkmale der Fälschungen:

- bei im Original nassklebenden Marken (Gulden- und Euronominale) mit üblicher unregelmäßiger Zähnung (aus Bogen bzw. Rolle) weist die Fälschung regelmäßige Zahnspitzen auf
- Fälschungen generell einzeln auf Etiketten klebend
- vermutlich alle Fälschungen im Offsetdruck (Odr.) produziert, während die Originale allesamt im Rastertiefdruck (RaTdr.) hergestellt wurden
- vermutlich alle Fälschungen selbstklebend
- vermutlich alle Marken mit identischer, gestanzter Zähnung (abgerundete Zahnspitzen)

Merkmale der Fälschung von Mi-Nr. 2480:

- abweichendes Druckverfahren (Offsetdruck anstelle Rastertiefdruck)
- abweichende Zahnspitzen
- abweichende „Phosphoreszenz“ (sehr blasses grün)
- abweichende Druckfarbe unter UV-Licht im Bereich außerhalb der „Phosphoreszenz“ (hellrosa anstelle dunkelviolett)

Wenn sich Sammler anhand von Briefstücken (Kiloware) bzw. Belegen auf die Suche begeben, empfiehlt es sich, generell alle Briefmarken näher zu betrachten, welche auf Etiketten (und die Etiketten auf dem Briefstück bzw. Beleg) kleben. Die niederländische Post hat zwar Ende 2011 eine Meldung über die Fälschungen veröffentlicht und die Verwendung von Etiketten als Trägermaterial für Frankaturware verboten, allerdings ist damit zu rechnen, dass auch im Einzelfall nach Ende 2011 gefälschte Briefmarken zur Frankatur verwendet wurden. Der in Beitrag [#16] gezeigte Postkartenausriss stammt aus einer Kiloware, dem auch mehrere 100 weitere Postkartenausrisse der gleichen Art beilagen (vermutlich Antwortkarte an einen Verband oder einer Zeitschrift) und allesamt von Juni 2013 datieren. Zu diesem Zeitpunkt war die Verwendung von Etiketten auf Sendungen bereits untersagt.

Gruß
Pete

(1) http://www.postzegelblog.nl/2011/12/27/grote-serie-valse-postzegels-afkomstig-van-websites-onderschept-door-postnl/ (niederländisch)
(1a) http://www.stampboards.com/viewtopic.php?f=13&t=33419&start=50 (Beitrag vom 09.01.2012, englisch)
(2) http://www.galeoptix.nl/fila/ned/nl_2011_fraude.htm (niederländisch und englisch)
(3) http://www.stampboards.com/viewtopic.php?f=13&t=33419 (englisch)
(4) http://nos.nl/artikel/2032347-guldenpostzegel-werd-ongeldig-verklaard-na-grote-fraudezaak.html (niederländisch)
(5) http://www.volkskrant.nl/binnenland/guldenpostzegel-werd-gestopt-om-miljoenenfraude~a3979567/ (niederländisch)
(6) http://www.volkskrant.nl/binnenland/hoe-twee-jeugdvrienden-miljoenen-verdienden-met-valse-postzegels~a3980048/ (niederländisch)
(7) http://www.volkskrant.nl/dossier-archief/fraude-met-postzegels-kost-postnl-miljoenen~a3096074/ (niederländisch)
(8) http://www.briefmarken.de/news?start=1135 bzw. http://www.briefmarken.de/news/286-faelschungen-zum-schaden-der-post (deutsch)
 
Quelle: www.philaseiten.de
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