Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 27.08.2015 19:26:04 Gelesen: 334914# 10@  
Liebe Freunde,

es gibt Briefe, bei denen man selbst nach längerer Betrachtung keinen einzigen Grund findet, sie zu mögen und andere, bei denen gleich mehrere Gründe einen Kauf nahe legen.

Letzteres trifft wohl (hoffentlich nicht nur meiner Meinung nach) auf den folgenden Brief zu, der am 27.5.1867 als sehr großes Kuvert mit folgender Adresse in Regensburg aufgegeben wurde:

"An Seine des Herrn k. b. Oberlieutnants, Flügeladjutanten Seiner Majestät des Königs Ludwig I von Bayern etc. etc. etc. k. Kämmerers Franz von Gmainer Hochwohlgeboren in München" f(ranco) M(arke).



Die kalligraphisch ansprechende Mischschrift (deutsche Currentschrift und den lateinisch geschriebenen Namen) gefiel mir auf Anhieb und der Flügeladjutant seiner Majestät wird nicht jeden Tag solch einen Brief bekommen haben, war er doch der Vertraute des Königs zum bayer. Militär und als solches in heraus gehobener Position.

Des weiteren sind Paare der Nr. 15 auf innerbayerischen Briefen genau 1 Jahr möglich - die Marke kam zum 1.1.1867 heraus (wenn gleich nicht an alle Schalter) und ab 1868 kosteten schwere Briefe über 1 - 15 Loth wie hier schon 7 Kreuzer. Aber schaut man sich das Paar genauer an, stellt man fest, dass es einen tiefen Schnitt im Zwischenraum aufweist, jedoch oben noch zusammen hängt. Ein Blick auf die rechte und linke obere Ecke beweist außerdem, dass der Postbeamte in Regensburg sicherlich waagrechte Streifen seiner Marken gefertigt und diese dann vorgeschnitten hat, so dass sie nur noch oben zusammen hingen.

Der Vorteil lag darin, dass er nun, ohne die Schere benutzen zu müssen, stets ganz einfach und ohne weitere Perforation, eine, oder mehrere Marken aus diesem waagrechten Streifen abreißen konnte, wie es nach der Frankostufe nötig war. Gab es mal eine schwache Zeit im Schalterdienst, konnte man so ein paar Bögen präparieren und hatte dann, in der Hektik des Tagesgeschäfts am Schalter, ruck zuck die passende Frankatur beinander.

An losen Marken und auch an waagrechten Streifen konnte ich das bisher erahnen, hier kann ich es festmachen. Somit haben wir hier eine elegante Lösung bei geschnittenen Marken vor uns, denn erst zum 1.7.1870 kamen in Bayern gezähnte Bögen in Umlauf und bis dahin war es noch eine Weile.

Siegelseitig hat man sich nicht verewigt - nur 2 Siegel deuten auf einen "besseren" Absender hin, aber mir genügt das vollkommen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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