Thema: Kulturgutschutzgesetz: Für den Erhalt des privaten Sammelns
mljpk Am: 17.09.2015 20:07:00 Gelesen: 41266# 25@  
Liebe Sammler und Philatelisten,

nachdem der Entwurf nun endlich vorliegt, kann fundiert diskutiert werden. Bin gerade dabei die hier aufgeworfenen Fragen und geäußerten Befürchtungen anhand des Entwurfes als weitere Diskussionsgrundlage zu erarbeiten. Ich werde in den kommenden Tagen peu à peu meinen Senf abgebene. Es nimmt aber etwas Zeit in Anspruch die Zusammenhänge zu verstehen. Heute zur zentralen Frage:

1. Sachlicher Anwendungsbereich des Gesetzesvorschlages, sind Briefmarken betroffen?:

In § 1 wird der Anwendungsbereich einmal auf „nationales Kulturgut“ ausgedehnt (Schutz gegen Abwanderung), im Übrigen nur auf Kulturgut.

Der Begriff des Kulturgutes wird in § 2 Ziff.9 definiert, wo das Kulturgut als bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlichem oder archälogischen Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von … numismatischem Wert benannt ist.

Der Wortlaut bezieht sich zwar nicht auf Briefmarken, durch die Formulierung „insbesondere“ wird aber deutlich, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern nur um Regelbeispiele handelt. Da Markensammler selbst damit argumentieren, dass sie zur Erforschung und dem Erhalt des kulturellen Erbes zur Art und Weise der Informationsbeförderung (Posthistoriker) und eines Teils der alltäglichen Gebrauchskunst (Briefmarken) beitragen, zudem Philatelie und Numismatik in Art und Weise von Strukturierung und der Belegung historischer Umstände mittels des Objekts ähnlich herangehen, können Briefmarken und Sammlungen insbesondere älterer Perioden unter den Begriff des Kulturgutes im Sinne des Gesetzes fallen.

Meine Auslegung dürfte durch den EuGH gestützt werden, der zum Gemeinsamen Zolltarif Sammlungsgegenstände wie folgt definiert hat: Gegenstände, die geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden, das heißt Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben.

Die VO EG 116/2009 die die Ausfuhr von Kulturgütern europarechtlich regelt, greift auf die Definitionen des Gemeinsamen Zolltarifs zurück, womit die allg. Definition auch im Kulturgüterschutz greifen könnte.

Allerdings nennt die VO EG 116/2009 in ihren ausführlichen Anlagekatalogen nirgendwo Briefmarken oder Belege oder „philatelistische“ Objekte, womit der Gesetzesentwurf des Kulturgutschutzrechts durch die Einfügung des Wortes „insbesondere“ in die Definition einen weiteren Anwendungsbereich will, als die zwingend anzuwendende EG-Verordnung. Die EG-Verordnung nennt nur „Wiegendrucke“ und Handschriften sowie „sonstige Antiquitäten“ älter als 100 Jahre als Kulturgüter im Sinne der Verordnung.

Für eine Einbeziehung von Briefmarken und Belegen in den Anwendungsbereich des deutschen Kulturgutschutzrechts spricht allerdings das Ziel der verbesserten Umsetzung des Übereinkommens vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, UNESCO-Übereinkommen 1970. Dort sind die Kulturgüter in Art.1 wie folgt definiert:

For the purposes of this Convention, the term `cultural property' means property which, on religious or secular grounds, is specifically designated by each State as being of importance for archaeology, prehistory, history, literature, art or science and which belongs to the following categories:

(a) Rare collections and specimens of fauna, flora, minerals and anatomy, and objects of palaeontological interest;

(b) property relating to history, including the history of science and technology and military and social history, to the life of national leaders, thinkers, scientists and artist and to events of national importance;

(c) products of archaeological excavations (including regular and clandestine) or of archaeological discoveries ;

(d) elements of artistic or historical monuments or archaeological sites which have been dismembered;

(e) antiquities more than one hundred years old, such as inscriptions, coins and engraved seals;

(f) objects of ethnological interest;

(g) property of artistic interest, such as:

(i) pictures, paintings and drawings produced entirely by hand on any support and in any material (excluding industrial designs and manu-factured articles decorated by hand);

(ii) original works of statuary art and sculpture in any material;

(iii) original engravings, prints and lithographs ;

(iv) original artistic assemblages and montages in any material;

(h) rare manuscripts and incunabula, old books, documents and publications of special interest (historical, artistic, scientific, literary, etc.) singly or in collections ;

( i) postage, revenue and similar stamps, singly or in collections;

(j) archives, including sound, photographic and cinematographic archives;

(k) articles of furniture more than one hundred years old and old musical instruments.

Auf Seite 67 des Referentenentwurfs wird auch verschämt mitgeteilt, dass “die weite Definition des Art.1 des UNESCO-Übereinkommens“ nicht außer Acht gelassen wird, was die Bedeutung des unscheinbaren Wortes "insbesondere" unterstreicht.

Nach meiner Auffassung fallen damit auch Briefmarken, Sammlungen solcher und Belege unter den Anwendungsbereich des Gesetzes. Vor dem Hintergrund des Ziels einer effektiven Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens 1970 ist es fraglich, ob eine ausdrückliche generelle Herausnahme von „Briefmarken, Belegen und sonstigen philatelistischen Objekten“ aus dem sachlichen Anwendungsbereich möglich ist.

Nach Art.5 lit b) des UNESCO-Übereinkommens sollen die Konventionsstaaten Verzeichnisse besonders wichtiger Kulturgüter führen, deren Export eine besondere Beeinträchtigung des nationalen kulturellen Erbes bedeuten würde (mir liegt nur die englische Fassung vor, die amtliche Übersetzung mag etwas anders formulieren). Darauf aufbauend könnte argumentiert werden, dass nur Briefmarken und Sammlungen die in Verzeichnissen erfasst sind, nach dem Übereinkommen besonderen Export- oder Importbeschränkungen unterliegen sollen, generelle Export- oder Importbeschränkungen von Briefmarken und philatelistischen Sammlungen vom Übereinkommen nicht gefordert wird, und auch die EG-VO Briefmarken nicht benennt.

Zweitens kann für den Bereich der nicht in Inventaren erfassten Briefmarken und philatelistischen Sammlungen bei einem generellen Genehmigungsverfahren bei Überschreitung von Grenzwerten mit der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes argumentiert werden. Briefmarken, Sammlungen und Sammlungsteile werden in großem Umfang verkauft und getauscht. Dabei ist eine große Zahl privater Sammler auch auf grenzüberschreitende Kontakte mit anderen Sammlern angewiesen. Der Referentenentwurf stellt bei den Belastungen der Bürgerinnen und Bürger stark kunstmarktbezogen darauf ab, dass die Belastungen für den Bürger nicht so groß sei, da der Bürger bei einem Erwerb eines Kunstwerkes regelmäßig Provinienz- und Wertnachweise von gewerblichen Händlern verlangt, die diese aus handelsrechtlichen Gründen und Servicegründen sowieso vorhalten. Diese Logik greift aber im hochfrequenten Sammlerverkehr (was zu belegen ist) gerade nicht, weshalb hier anders als in anderen Bereichen des Handels mit Kunstwerken die Sammler doch stärker belastet werden.

Einzelne Briefmarken mögen die Wertgrenzen für eine Genehmigungspflicht selten überschreiten, bei Sammlungen mag dies anders sein. Der Marktpreis ist schwierig zu bestimmen, da Katalogpreise keine Marktpreise sind, die Marktpreise wiederum äußerst volatil bis in einigen spezialisierten Randgebieten schlicht nicht feststellbar. Wie will im konkreten Fall ein Zöllner bei der Ausfuhrkontrolle feststellen, ob eine Briefmarkensammlung die Schwellenwerte erreicht? Er wird im Zweifelsfall die Sammlung zur Klärung stoppen. Der Sammler könnte dies nur umgehen, in dem er vergleichbar mit einem Händler bereits vorbeugend Wertforschungskonvolute und Herkunftsnachweise vorhält um seine Sammlung freizubekommen, umgekehrt etwa im Falle eines grenzüberschreitenden Tausches solche Konvolute vom anderen Sammler fordern wird, um einer Blockade am Zoll wegen der Klärung der Einfuhr zu umgehen, und seiner Pflicht zum Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einfuhr zu genügen.

Nach meiner Auffassung steht hier der Gesamtaufwand in keinem Verhältnis zum erstrebten Ziel, dem in der Abwägung die Erfordernisse des UNESCO-Übereinkommens einfacher genüge getan werden kann, wenn nur Sammlungen oder Marken dem Anwendungsbereich des Gesetzes sowohl für die Ein- oder Ausfuhr unterworfen werden, die in einer Liste der geschützten nationalen Kulturgüter eingetragen sind. So kann ein Blick in die Liste Klärung bringen, die ja im Internet publik gemacht werden sollen. Insofern würde schlicht der auch bisher geltende Eintragungsgrundsatz für den nur am Rande nach dem Schutzzweck relevanten Briefmarkenmarkt umgesetzt werden.

Wenn man es für erstrebenswert erachtet, dürften nach meiner Auffassung im Rahmen einer fundierten Einflussnahme auf den Gesetzgebungsprozess daher realistische Aussichten bestehen, Briefmarken, Sammlungen solcher oder sonstige philatelistische Objekte aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herauszunehmen, soweit diese nicht in einem nationalen Verzeichnis wichtiger Kulturgüter eingetragen sind. Hier ist konstruktive Einflussnahme direkt aus der Sammlerschaft und deren Organe gefragt. Eventuell ist der Entwurf auch dem BdPh zur Stellungnahme zugeleitet worden der dann abwägen könnte ob er hier in die eine oder andere Richtung Einfluss nehmen will. Man mag ja auch geschmeichelt sein, wenn Briefmarken durch Teilnahme an besonderen Verfahren von Gesetzgeber "geadelt" werden. Ich sehe allerdings die Adelung durch eine mögliche Aufnahme in die Verzeichnisse wichtiger Kulturgüter als ausreichend an.

In diesem Sinne einen schönen Abend. Weitere Analysen folgen.
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/8088
https://www.philaseiten.de/beitrag/112976