Thema: Prüferhaftung - und was alles ausgeschlossen wird
Richard Am: 11.10.2015 09:25:15 Gelesen: 11492# 1@  
Prüferhaftung - und was alles ausgeschlossen wird

Von Dr. Reinhard Fischer

1. Der Prüfer haftet nur bei Fahrlässigkeit. D.h. wenn sich eine Prüfung erst durch „neue philatelistische Erkenntnisse“ als Fehlprüfung erweist, gilt das nicht als fahrlässig. Damit dürften die vielen Fälle von Attesten für Potschta-Briefe keine Haftung begründen. [1]

2. Die Haftung besteht erst einmal nur gegenüber dem ursprünglichen Auftraggeber der Prüfung. Gegenüber Dritten (also in der Regel einem späteren Erwerber) besteht nur, wenn sich die Prüfung an Dritte richtet. Damit müsste eine Haftung bestehen, wenn der Auftraggeber der Prüfung ein Händler oder Auktionator ist, aber nicht, wenn ein Sammler sich ein Los aus seiner Sammlung oder gerade frisch gekauftes Los prüfen lässt und das Stück dann später weiterverkauft wird. In der Praxis wird es in vielen Fällen schwierig sein, nachzuweisen, wer der ursprüngliche Auftraggeber der Prüfung war und damit, an wen sich die Prüfung richtete. D.h. in vielen Fällen wird ein Gericht eine Prüfung ablehnen.

Beim VP sieht die Prüfordnung [2] allerdings eine Haftung gegenüber dem Erwerber ausdrücklich vor:

„10. Der Prüfer leistet gegenüber dem Auftraggeber die gesetzliche Gewährleistung für die Richtigkeit seiner Prüfung und im Falle einer Veräußerung des Prüfgegenstands auch gegenüber dem Erwerber.“

Eine ähnliche Regelung gibt es in den Bedingungen des BPP nicht.

3. Die gesetzliche Haftung für Gutachter beträgt seit 2002 = 10 Jahre, wobei eine Klage innerhalb von 2 Jahren nach Entdeckung einer Fehlprüfung einzureichen ist. In den Prüfbedingungen des BPP wird die Zeit nach Entdeckung auf 1 Jahr reduziert, in den Bedingungen des VP gibt es keine solche Einschränkung.

Die Tatsache, dass viele immer noch annehmen, dass die Haftungsfrist nur 5 Jahre sei, hat damit zu tun, dass auf der Rückseite der Attestformulare früher eine solche Frist genannt wurde. Schon lange findet man dort aber nur noch einen allgemeinen Hinweis auf die Prüfbedingungen des BPP.

4. Gesetzlich haftet der Prüfer auch für entgangenen Gewinn. Die Prüfordnung des BPP (9.2. etwa in der Mitte) schließt das aus. Eine vergleichbare Regelung gibt es in der Prüfordnung des VP nicht.

Der Ausschluss von entgangenem Gewinn hört sich harmlos an, verhindert aber die Durchsetzung eines großen Teil der Schadenersatzforderungen. Hierzu weiter unten.

5. In vielen Fällen entsteht kein Schaden im juristischen Sinn. Wenn eine Fälschung als echt bezeichnet wird, hat der Eigentümer der Fälschung keinen Schaden, weil die Fälschung ja sowieso wertlos war. Ein evtl. Erwerber hat nur dann einen Schaden, wenn er keine Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer mehr geltend machen kann. Wenn die Haftung entgangenen Gewinn ausschließt, hat ein Erwerber auch genau nachzuweisen, was er für das Stück ursprünglich bezahlt hat, was z.B. beim Kauf in einer Sammlung schwierig sein kann. Es reicht nicht, den eigenen Verkaufspreis zu kennen.

Ein Auktionator hat bei Fremdware dann keinen Schaden, wenn die Prüfordnung (BPP !) eine Haftung für entgangenen Gewinn ausschließt und er den Einlieferer noch haftbar machen kann. Er bekommt aber die entgangene Provision nicht erstattet. Statt dessen kann er Kosten für Bearbeitung, Reprokosten, Druckkosten, Rufschädigung usw. geltend machen, was in der Praxis schwierig bis unmöglich ist.

6. Der BPP beschränkt die Haftung in 9.2. auch noch weiter: Die Haftung für Farbbestimmungen „in Übergangs- und Grenzbereichen“ (was immer das ist) ist ausgeschlossen. Ebenso wird die Haftung auf den Wert der Marke zum Zeitpunk der Prüfung beschränkt, evtl. Wertsteigerungen ausdrücklich ausgeschlossen.

Weiterhin wird die Haftung gegenüber Dritten (also Erwerbern, so sie überhaupt besteht, siehe oben, Punkt 2.) ausgeschlossen, wenn dem Dritten als Erwerber die Gewährleistung schon ausgeschlossen oder beschränkt (!) wurde. Das hört sich auch erst einmal harmlos an, aber bei Auktionen ist die Gewährleistung für Sammlungen immer ausgeschlossen und für Einzellose normalerweise auf 4 Wochen begrenzt.

Schließlich wird auch die Haftung für eine Signierung der Marke ohne Zustimmung des Auftraggebers ausgeschlossen, obwohl heute eine Signierung u.U. eine Wertminderung von 1/3 des Preises oder mehr bedeutet.

Vergleichbare Regeln gibt es in der Prüfordnung des VP nicht.

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Dr. Reinhard Fischer ist Inhaber des gleichnamigen Auktionshauses in Bonn [3]


[1] https://www.bpp.de/de/pruefordnung.html
[2] http://vpev.de/pruefordnung-2/
[3] http://www.reinhardfischerauktionen.de/1-0-startseite.html
 
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