Thema: Kulturgutschutzgesetz: Für den Erhalt des privaten Sammelns
mljpk Am: 26.10.2015 18:55:58 Gelesen: 40147# 31@  
@ Francysk Skaryna [#30]

Sehr geehrter Herr Skaryna,
liebe sonstigen mitlesenden Sammlerfreunde,

ich habe das Protokoll der Anhörung durchgesehen. Im Zusammenhang mit der bereits oben geprüften Frage, ob auch Briefmarken / Sammlungen / Belege von der Gesetzesnovelle betroffen sein werden, kann die Frage nun definitiv mit "JA" beantwortet werden. Briefmarken werden zwar nur an einer Stelle erwähnt (Seite 98, letzter Absatz), dort aber vom zuständigen Referenten im Ministerium, MinDir Dr. Winands, eindeutig mit den Münzen gleichgestellt und als vom Gesetz erfasst behandelt. Er verwies auf die "Blaue Mauritius" und sonstige "ganz teure Briefmarken".

Es ist weiter festzuhalten, dass seitens der Postwertzeichenhändler oder Briefmarkensammler keine Vertreter in der Anhörung anwesend waren. Der BDPh war möglicherweise gar nicht geladen, da aber die Münzhändler vertreten waren, gehe ich davon aus, dass der Postwertzeichenhändlerverband geladen war. Um so trauriger ist es, dass die Möglichkeit einer frühen Intervention - auch im Sinne der Sammler - nicht wahrgenommen wurde. Soweit seitens BDPh und Händlerverbänden eventuell schriftlich Stellung genommen wurde, hat man zumindest die Möglichkeit verpasst, Händler und Wissenschaftler aus anderen Fachbereich im direkten Vortrag dafür zu gewinnen, Briefmarken als nicht im Fokus stehendes "Randopfer" eines an sich guten Zieles zu sehen und aus dem Kategorienprinzip herauszunehmen. Mit Kategorienprinzip ist gemeint, dass Objekte nicht nach einer Eintragung auf einer Liste, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie mit bestimmten Alters- und Wertgrenzen als genehmigungspflichtig angesehen werden.

Das Anhörungsprotokoll zeigt, dass der gesamte Gesetzesentwurf sich sehr stark am Kunst- und Antikenmarkt orientiert. Drucke, Bücher, Briefmarken und Münzen (soweit keine Antiken) stande wohl eher nicht im Fokus. Daher ergab sich wohl die fehlende Sensibilität für den "Massenmarkt" Briefmarken mit regem grenzüberschreitendem Tausch-, Kauf- und Ausstellungsverkehr in mengenmäßig riesigen Dimensionen (wenn man sich am einzelnen Objekt orientiert), die die Mengen des gewöhnlichen Kunsthandels wohl weit überschreiten dürften, und bei der etwa eine durchgehenden Provinienzdokumentation aufgrund der schieren Menge wie auch durch das rege Verschieben der sehr "volatilen" Sammlungsgegenständen noch schwieriger als im Kunsthandel sein dürfte.

In der Anhörung wurde auch die von mir hier bereits beschriebene Kritik vorgebracht, dass für eine Klärung von Werten und dem Alter von Gegenständen im grenzüberschreitenden Verkehr der Sachverstand bzw. auch die "Manpower" fehlen wird (sog. Vollzugsprobleme), und es dadurch zu langen Bearbeitungszeiten kommen könnte. Ich sehe neben den Problemen im Genehmigungsverfahren bei den Kulturschutzbehörden selbst, noch das Problem beim Zoll, der bei einer Sendungskontrolle auch ausserhalb eines Genehmigungsverfahrens möglicherweise Sammlungen oder Marken zur Klärung von Alter und Wert zurückhalten wird, um zu überprüfen, ob eine Gehnehmigung erforderlich ist. Das Ministerium verwies hier meiner Meinung nach ungenügend auf die Möglichkeit einer "allgemein offenen Genehmigung" sowie auf das Vertrauen in die Verwaltung sich einarbeiten zu können, bzw. schnell Rat einzuholen.

Als Ziele des Gesetzes wurde die Bewusstseinsbildung in Händler- und Sammlerkreisen über die Bedeutung der Herkunft von Objekten und den möglichen Schaden ihrer Aktivitäten genannt (Stichwort Raubgrabungen durch den IS), und dabei ein Vergleich mit dem Elfenbeinhandel gezogen. Weiteres Ziel ist die Möglichkeit überhaupt erfassen zu können, was an möglicherweise schützenswerten Objekten zirkuliert. Das bisherige Listenprinzip sei ineffektiv gewesen, da in anderen Staaten kaum Listen über national bedeutsames Kulturgut geführt werden, und auch hierzulande unbekannte Objekte erst gar nicht in die Schutzlisten aufgenommen werden konnten. Rückführungen seine gescheitert, da international kaum nach dem Listenprinzip verfahren werden, bzw. keine in der Praxis ausländische Verwaltung bereits rein praktisch gar nicht in Listen erfassen können.

In der Diskussion wurde aber deutlich, dass die UN-Konvention 1970 für ihre Umsetzung nicht zwingend ein Kategorienprinzip erfordert, sondern auch ein Listenprinzip genügen lässt. Wenn wie in meinen älteren Beiträge geprüft davon ausgegangen wird, dass die UN-Konvention auch Briefmarken in den Schutzbereich einbezieht, dann könnte man diesen Anforderungen mit Blick auf den internationalen Massenmarkt "Briefmarken" dadurch genügen, dass es für sie beim Listenprinzip bleibt. Briefmarken oder Sammlungen würden nur dann einem Genehmigungsvorbehalt unterliegen, wenn sie in eine Schutzliste eingetragen sind. Die von Ministerialdirigenten genannten Beispiele zeigen ja, dass es sich ausgehend von einer Wertgrenze von 50.000 EUR - 100.000 EUR nur um sehr wenige Objekte handelt, bei denen in der Praxis bei einer einzelnen Marke die Wertgrenzen erreicht werden. Diese Marken dürften sich sämtlich bereits in bekannten Händen befinden, und könnten - so sie denn "national" wertvolles Kulturgut sind, also nicht einfach nur materiell wertvoll - binnen kurzer Zeit in eine deutsche Liste aufgenommen werden. Es verbliebe aber die Problematik der Einfuhr, wobei ich hier der Auffassung bin, dass die Zahl einzelner eingeführter Marken mit einem Verkehrswert von über 50.000-100.000 EUR so gering ist, dass die Verhältnismäßigkeit bei einer Beibehaltung des Kategorienprinzips nur aufgrund einer Hand voll potentiell über den Wertgrenzen liegender einzuführender Marken nicht gewahrt ist.

Eine Beibehaltung des Listenprinzips für Briefmarken würde aus meiner Sicht auch nicht mit den Zielen des Gesetzes kollidieren, da Briefmarken nicht wie (auch wertlose) Münzen im "Fundzusammenhang" Erkenntnisse vermitteln, sondern der "Fundzusammenhang" der Briefmarke selbst folgt (als Beleg) oder die Marke selbst der gesamte Zusammenhang ist (etwa Marke + aufgebrachtem Stempelabschlag / Plattenfehler / Druckabweichungen usw.), insofern die Verbringung einer Marke keine wissentschaftliche Erkenntnis zunichte macht. Weiterhin sehe anders als bei Antiken derzeit keinen ausreichenden Markt, der Briefmarken als Finanzierungsinstrumente für den Waffenkauf oder andere terroristische Aktivitäten interessant erscheinen lässt.

In der Anhörung, die vor dem Referentenentwurf stattfand, wurde seitens des Ministeriums bei Briefmarken und bei Münzen versprochen, auf die Besonderheiten dieser Massenmärkte Rücksicht zu nehmen. Ich konnte im Wortlaut des danach vorgelegtent Gesetzesvorschlages aber keine Erleichterungen oder Ausnahmen für Briefmarken erkennen. Daher ist es nun seitens der Händlerverbände und des BDPh aus meiner Sicht angesagt, nochmals ordentlich auf eine Nachbesserung zu drängen, etwa nach meiner Anregung dahingehend, dass es für Briefmarken und Briefmarkensammlungen bei dem bisherigen Listenprinzip bleibt, sie also vom Kategorienprinzip ausgenommen sind.

In diesem Sinne hoffe ich, dass der BDPh und die Händler hier noch tätig werden, sofern er dieses bisher nicht bewusst unterlassen wurde, da sie mit der Novelle d´accord gehen, und sich möglicherweise durch die Einreihung von Marken neben die "hohe" Kunst und Antiken als geadelt ansehen.

Einen schönen Herbstabend Ihnen allen ! mljpk
 
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