Thema: Vorphilatelie Schweiz
bignell Am: 17.12.2015 18:41:14 Gelesen: 47206# 17@  
Ich habe nun die Übersetzung für alle Interessierten:

Zuoz, 13. November 1798
Geschätzter und geliebter Bruder!
Schon vor drei ordentlichen [Wochen] wurde mir [verm. vom Ehemann] aufgetragen, Dir zu schreiben, aber nie gelang es mir, nun hoffe ich, dass ich Dir dieses Mal an deine neue Adresse schreiben kann. Dem Schreiben an unsere liebe Mutter habe ich entnehmen können, dass es Dir gut geht und Dir Deine neue Berufung gut gefällt. Ich kann Dir versichern, dass es mich aus tiefstem Grund meines Herzens gefreut hat, und der Herr wolle Deine liebe Person immer gedeihen lassen und alle Deine Unternehmungen! Seit Deiner Abreise hat es bei uns hier eine grosse Veränderung gegeben. Dass die Kaiserlichen Truppen unser armes Land besetzen, weisst Du bereits und wohl auch, dass wir von jenen, die hier ins Engadin kamen, in Suot Funtauna Merla nun freundlich [erfreulicherweise] momentan verschont sind, weil diese nach Poschiavo, Brusio und ins Bergell abkommandiert wurden. Bei jenen, die bei uns in Sur Funtauna Merla blieben, bestand für uns die Inkonvenienz [Wort fehlt evtl. nicht] darin, sie jene Nacht so unerwartet erhalten zu müssen [zu verköstigen] [Text fehlt] die Spedition von Commissari Brod, der bis jetzt alle 4 Tage mit 28 oder 30 [Wort fehlt], das, was sie auch mit ihren Wagen und Pferden geführt hätten. Aber es misslang wegen der schlechten Strassen im Engadin. [Es geht vielleicht darum, dass die Einheimischen es nicht als die grösste Last empfanden, die Truppen unerwartet verköstigen zu müssen, sondern dass sie Transporte für die Kaiserlichen Truppen ausführen mussten.] Genug, mir schreibt dein Schwager Kriegskommissär, der in Ponte Martina residiert, dieser hat nun aber von den Nachbarschaften in Suot Funtauna Merla 28 Wagen, 28 Rossgeschirre, 28 Schlitten und 28 Kisten zusammenbringen lassen, was bereits besorgt wurde, und von nun an werden sie ihr Brot selbst führen, das wird etwas mehr Heu kosten, aber viel Ärger ersparen. Ich wünschte, ich könnte Dich mit Neuigkeiten auf dem Laufenden halten aber ich fühle mich ausser Stande dazu, zum einen ist Dein Schwager, wie schon gesagt, abwesend und zum zweiten kann man sich nicht darauf verlassen, weil man so viel Falsches hört und ich mich nicht darauf verlasse und dann lieber nichts sage. Jeden Tag wird hier verbreitet, dass weitere Truppen ankommen sollen und zwar in grosser Anzahl, doch mein Ehemann schreibt mir, dies sei alles falsch, dass sie an der Grenze zum Tirol [„Portadel Tirol“] genügend vorbereitet seien, dass sie aber nur bei dringender Notwendigkeit ins Land kämen, was hoffentlich nie eintreffen wird. Mit Gottes Hilfe wird alles gut Enden und man hört ja auch von allen Seiten gute Nachrichten über Frieden und auch wenn sie noch nicht grosses Fundament haben, gibt es uns doch ein gutes Gemüth [Hoffnung]. Der Schwager, der mir schon vor drei Wochen auftrug, Dir zu schreiben, hat mir aufgetragen, Dich herzlich zu grüssen. Er ist wieder mitvielem beschäftigt, auf dass Gott ihm helfe. Die Frau Tante Ursula, meine Kleinen lassen Dich sehr grüssen. Den gleichen Auftrag habe ich auch von den Fräulein Cousinen D. Zas. Auch ich mein geliebter Bruder grüsse Dich mit der lebhaftesten Zärtlichkeit und aufrichtiger Liebe mit der ich Dir weiterhin gutes Wohlergehen wünsche. Ich verbleibe Deine Dich liebende Schwester Ursula N. Schucan.
Adresse: Luzio And[re]a Romedi in Bergamo.
Beantwortet am 19. November 1798

Lg, harald
 
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