Thema: (?) (687/689) Air Mail / Luftpost - Aufkleber, Labels, Eindrucke, Vermerke
saintex Am: 24.12.2015 21:56:04 Gelesen: 672220# 507@  
@ cilderich [#502]

Angaben zum Leitweg Deines Luftpostbriefes finden sich in den offiziellen zeitgenössischen Publikationen der deutschen und der schweizerischen Postverwaltung, die in den letzten Jahren als Neudruck in Deutschland (2008/2009) und der Schweiz(2010) erschienen sind.

Die vom Reichspostministerium herausgegebenen Luftpostlisten kann ich gerade bei mir nicht auffinden. Ich habe jedoch in Erinnerung, dass der Leitweg für Luftpost nach Argentinien dort für das Jahr 1943 über Stuttgart-Lissabon und dann weiter mit der us-amerikanischen Fluggesellschaft Pan American Airways angegeben wurde.

Die monatlich von der Generaldirektion der schweizer Post-, Telegraphen- u. Telefonverwaltung herausgegebenen Übersichten der Postverbindungen mit dem Ausland führen in der Ausgabe vom 1. Juli 1943 für die Luftpost aus der Schweiz nach Argentinien drei Beförderungsmöglichkeiten auf:

421. Rom-Madrid-Lissabon
450. Lissabon-Natal (Brasilien)-Buenos Aires

401. Zürich-Stuttgart
414. Stuttgart-Lissabon
450. Lissabon-Natal-Buenos Aires

Der dritte Leitweg für die schweizerische Luftpost lief über London und kommt daher im Juli 1943 für Deinen Luftpostbrief nicht in Betracht.

Danach erscheint der Leitweg Deines Luftpostbriefes innerhalb Europas geklärt. Der Brief lief zunächst von Wien nach Berlin und wurde dort zensiert. Anschließend lief der Brief nach Stuttgart und von dort mit dem im Juli 1943 noch täglich verkehrenden Linienflug der Lufthansa über Barcelona nach Lissabon. Ab Lissabon wurde der Luftpostbrief dann von der us-amerikanischen Fluggesellschaft Pan American Airways (Pan Am) weiter befördert. Ungewöhnlich hieran ist, dass die us-amerikanische Fluggesellschaft auch Luftpost aus Deutschland beförderte obwohl das Deutsche Reich im Juli 1943 aus amerikanischer Sicht ein Feindstaat war. Ein möglicher Erklärungsgrund hierfür ist, dass die Amerikaner so in den Besitz von deutscher Post kamen und diese im Wege der Zensur auswerten konnten.

Schwierig und „eine Wissenschaft für sich“ ist die Bestimmung des Leitweges ab Lissabon nach Südamerika, da die Pan Am im Zeitraum 1939 bis 1945 über den Nord- und Südatlantik 14 verschiedene Flugrouten benutzte. Es ist dem us-amerikanischen Luftpostsammler David Crotty zu verdanken, dass die Flugpläne der Pan Am über den Nord- und Südatlantik aus den Kriegsjahren 1939-1944 fast vollständig publiziert sind und dem interessierten Luftpostsammler zur Auswertung zur Verfügung stehen. Crotty hatte die verschollen geglaubten Originalunterlagen der Pan Am im Jahr 2007 in den Archiven der Universität von Miami/Florida entdeckt, wo sie seit der Insolvenz der Pan Am in den 1990er Jahren in Vergessenheit geraten waren. In fast 7-jähriger Kleinarbeit, zusammen mit einem von ihm selber bezahlten research assistent hat Crotty die Flugpläne entschlüsselt und in einer 2013 erschienen Publikation [1] den interessierten Luftpostsammlern zugänglich gemacht. Ein anderer us-amerikanischer Luftpostsammler, John Wilson, der auf dem gleichen Gebiet geforscht hat, hat seine Forschungsergebnisse auch online auf der Internetseite des West African Study Circle (WASC) zur Verfügung gegestellt, wo sie kostenlos abgerufen werden können [2]. Nach meiner Beobachtung sind dabei die von Crotty in seinem Buch und von Wilson im Internet veröffentlichten Flugdaten weitgehend deckungsgleich, was nicht weiter verwunderlich ist, da die Forschungen beider Sammler auf den in der Universität von Miami wiederentdeckten Unterlagen der Pan Am basieren. Das Verständnis der Leitwege wird bei der Darstellung von John Wilson im Internet wesentlich dadurch erleichtert, dass seine Darstellung durch farbiges Kartenmaterial mit den jeweiligen Flugrouten ergänzt wird. Die Karten eignen sich prächtig zum Ausdrucken und um die Flugroute auf einem Albumblatt in Ergänzung des Flugpostbriefes plastisch darzustellen.

Aber jetzt wieder zurück zum möglichen Leitweg Deines Luftpostbriefes auf dem Weg von Lissabon nach Buenos Aires. Nach den auf der Internetseite des WASC veröffentlichten Forschungsergebnissen von John Wilson beflog die Pan Am im hier interessierenden Zeitraum 28.5.1943 bis 23.10.1943 drei Flugrouten über den Nord- und Südatlantik. Das waren die Flugrouten 3, 7 und 8. Ich füge nachstehend eine Karte bei, die von der Internetseite der WASC stammt, und die drei Flugrouten zeigt.



Das Copyright für diese Karte liegt bei dem englischen Luftpostsammler Peter Wingent.

Die Flugroute no. 3 kommt für Deinen Luftpostbrief nicht in Betracht, da sie über Grossbritannien lief. Stimmt die Angabe von Saguarojo, dass Dein Luftpostbrief in San Juan auf Puerto Rico zensiert wurde, dann kann Dein Luftpostbrief nach meiner Ansicht nur auf der Flugroute no. 7 befördert worden sein. Also von Lissabon über Horta auf den Azoren nach Hamilton auf den Bermudas und von dort nach San Juan in Puerto Rico. Anschliessend entlang der Ostküste Südamerikas nach Natal im Norden Brasiliens und von dort weiter Richtung Süden nach Buenos Aires. Das konkrete Fludatum könnte der 1.8.1943 ab Lissabon mit dem Clipper-Flugboot Taufname Capetown, an San Juan/Puerto Rico am 11.8.1943 gewesen sein [3].

MfG

saintex

[1] David Crotty, Pan American Airways 1939-1044 Atlantic Wartime Operations Catalog, Ludlow(KT)/USA 2013
[2] http://www.wasc.org.uk/PanAm%20group.html
{3] David Crotty a.a.O. [Fn.1] Seite 257
 
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