Thema: Deutsches Reich Inflationsbelege
muemmel Am: 21.02.2016 23:20:16 Gelesen: 3668884# 4938@  
Hallo an alle Freundinnen und Freunde der Inflationsbelege,

heute zeige ich einen eingeschriebenen Fernbrief bis 20 Gramm aus der Portoperiode 22 (1.–4.11.1923):



Der Brief ging am 2.11.23 von Ravensburg nach Reichenbach im Vogtland und ist mit 100 Millionen Mark Porto und 50 Millionen Mark Einschreibgebühr tarifrichtig frankiert. Von daher also absolut nichts besonderes, zumal eine Marke auch noch arg unter der Aktenlochung gelitten hat und links ein wenig verkürzt ist. Da gibt es sicher besseres Material, dennoch hat der Brief eine nicht alltägliche Besonderheit.

Auf der Vorderseite ist als Absender "A. Bentele / St. Gallen" angegeben und der Ort liegt bekanntlich in der Schweiz südlich vom Bodensee. Nun kann man trefflich spekulieren, was Herrn Bentele dazu bewogen hatte, den Brief in Ravensburg, das nördlich des Bodensees liegt, aufzugeben. Denkbar wäre z.B. ein Besuch bei Verwandten, denn den Namen Bentele gibt es in Ravensburg und Umgebung recht häufig. Sicher ist aber, dass Herr Bentele die Gelegenheit wahrgenommen hatte, den Brief zu deutlich geringeren Kosten auf die Reise zu schicken, als wenn er das direkt von der Schweiz aus getan hätte.

Beim Versand aus der Schweiz hätte der eingeschriebene Auslandsbrief 80 Rappen gekostet (je 40 Rappen für Porto und Einschreibgebühr). Ab jetzt wird die Sache nun etwas kniffelig und bedarf ein wenig Rechnerei. Außerdem kommt noch der Goldfranken ins Spiel.

Der Goldfranken (Gfr) war von 1920 bis 2003 eine Fiktivwährung, die zur Abrechnung von Post- und Fernmeldeleistungen zwischen den Postvereinsländern diente, und an jenem 2.11.1923 hatte 1 Gfr den Gegenwert von 29 Milliarden Mark.Teilt man nun die 150 Millionen für den Brief durch 29 Milliarden, erhalten wir als Ergebnis 0,005172 Gfr.

Das Verhältnis des Gfr zum Schweizer Franken (Sfr) war zu der Zeit 1,55. Dies mit 0,005172 multipliziert ergibt dann 0,008017 Sfr bzw. 0,8017 Rappen. Somit brauchte Herr Bentele nur 1/10 der Kosten gegenüber einem eingeschriebenen Auslandsbrief seiner Portokasse entnehmen.

Schöne Grüße
Mümmel
 
Quelle: www.philaseiten.de
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