Thema: Die Zukunft des BDPh und der Philatelie in Deutschland
Cantus Am: 02.04.2016 16:43:54 Gelesen: 30978# 22@  
@ olli0816 [#20]

Hallo,

ich gebe dir durchaus recht, dass sich das Freizeitverhalten vieler Menaschen immer mehr vom realen Leben weg und hin zu einer virtuellen Wahrnehmung bewegt, so jedenfalls verstehe ich deine Worte. Und es ist auch unübersehbar, dass der absolut überwiegende Teil der Menschen, die ich vor allem in Städten so um mich herum wahrnehme, kaum noch im realen Leben miteinander kommuniziert, sondern sich statt dessen fast pausenlos und in fast jeder nur denkbaren Situation dem Handy und den daraus bezogenen Informationen widmet. Alle diese Menschen sind für uns als potentielle Briefmarken- oder Ganzsachensammler unerreichbar. Es mag ja sein, dass sie sich auch ab und zu einmal auf phliatelistische Forenseiten oder Ähnliches verirren und den einen oder anderen Beitrag lesen, dadurch wird man aber nicht zum Sammler, sondern höchstens zum Informationskonsumenten.

Man kann im Internet oder ganz allgemein in der virtuellen Welt nicht tatsächlich sammeln, denn das philatelistische Sammelgut muss man schließlich auch in der Realität in Händen halten können. Man kann sich dort informieren, solange einzelne Menschen bereit sind, entsprechende Informationen im Netz öffentlich zu machen, wenn aber immer mehr "Sammler" nur noch konsumieren wollen und immer weniger bereit sind, sich in der realen Welt philatelistisches Wissen anzueignen und dieses kostenlos allgemein zur Verfügung zu stellen, wird es in wenigen Jahrzehnten zumindest im mitteleuropäischen Raum kaum noch Menschen geben, die die Bezeichnung "Sammler" verdienen. Daran kann auch eine Fortentwicklung von Technik nichts ändern.

Du gehörst - ebenso wie ich - zu den Sammlern, die eine ganze Reihe von Interessens- und Sammelgebieten pflegen, aber letztlich gehört alles, was uns so interessiert, der Vergangenheit an, besteht also aus Papier und nicht nur aus Abbildungen, die man sich irgendwie zusammenstellen kann. Mit unseren Sammelgebieten dürfte es schwer sein, innerhalb eines Ortsvereins geeignete Mitsammler in so reicher Auswahl zu finden, dass sich dort eine länger währende Mitgliedschaft lohnt, dafür bieten sich dann ARGEn oder überregionale Vereine oder meinetwegen auch eine Direktmitgliedschaft im BDPh an, letzteres würde allerdings den Materialumlauf zwischen Sammlern nicht fördern und ohne neues Material wird jedes Sammeln irgendwann langweilig.

Mir liegt eine wie auch immer geartete zukünftige Form der Philatelie und damit auch einer größeren Sammlerschaft außerordentlich am Herzen und ich opfere deshalb ausnahmslos jeden Tag mehrere Stunden Zeit, um mit abwechslungsreichen Beiträgen hier und in auch anderen Foren immer wieder Neues zeigen zu können in der Hoffnung, damit auch potentielle Neusammler so anzusprechen, dass sie sich nicht gleich wieder anderen Themen zuwenden, sondern sich zu echtern Sammlern in der realen Welt entwickeln.

Das ist meine persönliche Art der Philatelieförderung, andere gehen da andere Wege. Dem BDPh kommt dabei die übergeordnete Rolle zu, Philateliewerbung ganz allgemein und unabhängig von örtlichen Gegebenheiten so zu gestalten, dass eine bestmögliche Wirkung erzielt wird. Dabei sind organisierte Ausstellungen eher nicht so geeignet, auch Publikationen in Fachzeitschriften dürften potentielle Interessenten kaum erreichen, da wohl kaum jemand, der sich für die Philatelie erst einmal nicht interessiert, auf die Idee kommen würde, sich eine Briefmarkenzeitung zu kaufen oder eine Fachausstellung zu besuchen.

Ich sehe daher sehr wohl die zwingende Notwendigkeit, den heute existierenden BDPh oder eine anders geartete übergeordnete Organisationsform beizubehalten, damit unabhängig von örtlichen Gegebenheiten und regionalen Empfindlichkeiten die Philatelie insgesamt dauerhaft beworben und auf vielfaltige Art und Weise gefördert wird. Dazu bedarf es mit Sicherheit mehr Personen als nur sechs Vorstandsmitglieder im BDPh, aber viele von denen, die sich hier im Forum negativ zu diesen Strukturen geäußert haben, sollten sich reinen Gewissens einmal fragen, wieviel persönliche Freizeit und wieviel persönliches Einkommen sie denn dauerhaft zu opfern bereit sind, um unabhängig von eigenen Sammlerinteressen ganz allgemein das Fortbestehen der (organisierten) Philatelie zu fördern, in der realen oder der virtuellen Welt, denn auch da ist nichts wirklich umsonst.

Viele Grüße
Ingo
 
Quelle: www.philaseiten.de
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