Thema: Die Zukunft des BDPh und der Philatelie in Deutschland
olli0816 Am: 04.04.2016 18:13:35 Gelesen: 30473# 28@  
@ Francysk Skaryna [#21]

Es geht nicht um Ausgrenzung. Alte Strukturen werden nicht von heute auf morgen verschwinden. So lange sich genügend Leute einfinden, die ausschließlich so sammeln wie vor zwanzig Jahren und daran nichts ändern möchten, werden sie das weiterhin tun. Das Problem ist, dass jüngere Generationen, und da rede ich von 50 abwärts Technik ganz anders nutzen als ein heute 70jähriger, der seine jungen Jahre keine Handys oder Computer kannte und damit natürlich nicht nutzte.

Wir haben heute das Problem, dass gerade nachfolgende Generationen nicht mehr auf den alten Wegen erreicht werden. 20jährige nutzen Technologien noch ganz anders als ich knapp 50jähriger. Aber mir fällt bei den Briefmarkensammlern (vor allem die alten Mitglieder) eine Aversion gegen neue Arten der Kommunikation auf. Und genau das ist nicht zielführend, da die alte Generation zum größten Teil in 20 Jahren nicht mehr da ist. Die Gefahr ist ähnlich wie bei den Telefonkarten: Die waren, als sie jeder brauchte, eine zeitlang ganz beliebt. Heute bekomme ich sie im 1000 billiger und werde sie trotzdem nicht mehr los, weil sich eben kein Mensch dafür interessiert. In zehn oder zwanzig Jahren wird fast niemand mehr wissen, wofür man eine Telefonkarte überhaupt brauchte?

@ Cantus [#22]

Die Verschiebung ins virtuelle ist sehr gut beobachtet. Wenn man heute öffentlich fährt, schaut jeder zweite in sein Handy, Kindle, was auch immer. ich warte nur darauf, das der erste mit einer Virtual Reality Brille im Zug sitzt. Das dauert sicher noch was. Wo ich nicht mit dir übereinstimme: das alle unerreichbar sind. Sie werden nicht erreicht, weil sie nicht angesprochen werden. Ich bin sogar überzeugt, dass gerade wegen der immer größeren Zunahme der virtuellen Welt die Leute als Abwechslung Dinge suchen, die außerhalb dessen liegen. Vielleicht kann man in zehn Jahren (ziemlich sicher) Rio de Janeiro virtuell durchwandern inkl. der besten Plätze beim Karneval. Oder ein FC Bayern-Spiel mitten auf dem Spielfeld oder auf der Ehrentribüne virtuell neben Rummenigge oder Hoeness anschauen (Das mit dem Spielfeld ist schon angedacht). Oder virtuell die Eiger-Nordwand besteigen - es gibt heute tatsächlich schon ein Bergsteigprogramm, was ganz gut funktioniert. Trotz all dieser Möglichkeiten weiß der Mensch, dass das nicht real ist. Rio in Natur ist halt doch schöner und ein Bergsteig-Freak klettert den Eiger, wenn er gut genug ist, dann doch lieber real rauf.

Ich schaue mir z.B. ganz gerne Online-Sammlungen an, weil man sieht, was die Leute so treiben und wie sie sich vorstellen, ihre Sammlungen aufzuziehen. Philasearch ist mein Freund und auch die Auktionskataloge sowohl im Netz als auch als Papierkatalog genauso wie einige Foren. Aber es ist ein ganz anderes Gefühl, einen schönen alten Brief "live" in der Hand zu halten oder z.B. den Schwarzen Einser zu besitzen. Das kann einem die virtuelle Welt einfach nicht bieten. Sie ist nur Hilfsmittel und ich finde, ein sehr mächtiges Werkzeug, um gerade etwas so weit verzweigtes wie das Briefmarken sammeln und alles was drumherum ist gut zu dokumentieren und mit Gleichgesinnten sich auszutauschen. Es ist nur eine Erweiterung, wenn auch in meinen Augen eine sehr große.

Was das Vergangene betrifft: gerade das interessiert doch sehr viele. Wie war die Welt 1950 oder 1800? Wie haben die Leute gelebt, wie haben z.B. die Städte ausgeschaut. Fast alle mittel- und osteuropäischen Städte haben sich gerade wegen den beiden Kriegen sehr stark gewandelt. Hamburg, Berlin oder München im Jahre 1930 oder älter werden z.B. durch Postkarten und alten Büchern dokumentiert. Das wird die Leute immer interessieren. Wie sah z.B. der Potsdamer Platz 1935, 1960 und 1990 aus? Ich komme auf den, weil ich erst vor kurzem da war. Man kann das in Zukunft auch virtuell irgendwie darstellen, aber die alten schwarz-weiß Fotographien oder die kolorierten Karten sind nett anzusehen und haben einen gewissen Flair.

Mit einer Papierzeitschrift, wo ich nur ein paar Themen abbilden kann wie bei einer Giesskanne komme ich nicht weiter, weil gerade das Gebiet Briefmarkensammeln zu groß ist. Das wird der Sache aufgrund besserer Methoden nicht mehr gerecht. Da helfen auch nicht die Bildchen von irgendwelchen Vorständen weiter. Das interessiert den normalen Sammler einfach nicht. Warum sollte es das auch? Jeder hat im Berufsleben und mit Familie & Mobilität immer weniger Zeit und deshalb konzentriert man sich auf spannende Dinge. Und die Interessenten sind heute nicht mehr örtlich gebunden, das zeigt auch die Mitglieder in Portalen, die weltweit irgendwo leben. Das ist dann vielleicht mal ein guter Grund, in ein anderes Land zu reisen, wenn man dort schon jemanden kennt.

Wenn man denn so einen Dachverband haben möchte, fände ich es auch viel sinnvoller, wenn sich dieser direkt um seine Mitglieder kümmert, sprich ohne irgendwelche Zwangsmitgliedschaften bei Argen oder Vereinen. Die Mitglieder stimmen direkt über die Belange und Aufgaben des Verbandes ab und die Beteiligten müssen direkt ihren Mitgliedern Rechenschaft abgeben. Abstimmungen kann man in der heutigen Zeit auch über das Internet durchführen für die Leute, die nicht persönlich anwesend sein können. Im übrigen: Die Jahresbeiträge und die Erhöhungen sind gemessen an anderen Dingen, wofür wir Geld ausgeben ein Witz. Und man hätte so wirklich üble Diskussionen wie in dem Nachbarthread aus Stuttgart nicht an der Backe. Das ist wirklich Antiwerbung für unsere Hobby. Ist aber nur meine persönliche Meinung.

Jetzt ist mein Beitrag doch länger geworden, als ich wollte. Dafür zeige ich als Ausgleich drei Belege, warum ich als "virtueller" Mensch gerne Briefe & Briefmarken sammle:




 
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