Thema: (?) (130/140) Alliierte Besetzung SBZ: Belege aus dem Zeitraum 1945 bis 1949
Briefmarkentor Am: 22.04.2016 21:34:36 Gelesen: 95373# 42@  


Inlandspostkarte im Fernverkehr vom 2. Januar 1946 aus Barth (OPD Schwerin - Sowjetische Besatzungszone) nach Köln (RPD Köln - Britische Besatzungszone). Die Postkarte wurde portorichtig in Einzelfrankatur mit 6 Reichspfennigen (1 x Mi.-Nr. 9a - Ausgabe vom 16. November 1945 - Auflage 1.950.000 Stück) frankiert und mit dem Kreisstegstempel mit Bogen oben und unten BARTH / a abgeschlagen.

Der Text lautet wie folgt:

Barth, den 1.1.46. Liebe Frau
Kownatzki! Es freut mich zu ver-
nehmen, daß Sie mit Ihrer Familie wohl-
behalten bei Köln leben. Auch wir haben
glückl. alles überstanden, aber auf d.
Lande Furchtbares durchmachen müssen.
Als es nicht mehr auszuhalten war, zogen
wir hierher. M. Mann wurde hier Rechts-
Anwalt u. hat gut zu tun. Wir wohnen
zwar beengt (2 Räume) aber sehr hübsch
im Pastorhaus (mit + bezeichnet) bei
sehr netten Menschen, von denen uns der
Abschied schwer fallen wird. M. Mann
hat sich nach Hessen gemeldet, Gießen
od. Marburg, in Jochens Nähe. Von ihm
hatten wir vor 1/4 Jahr die 1. Nachr., die
uns aus gr. Besorgnis befreite. Es geht ihm
mit s. j. Frau in Mbg. sehr gut. Mit 30
Lebensm.Päckchen, die bis auf 1 ankamen
hat er unserer Ernährungslage ausgeholfen.
Leider habe ich über m. Mutter u. Schw, die
in Danzig blieben, äuß. beunruhigende Nach-
richt, die ich aber nicht glauben kann. Es mag ein Gerücht
sein wie das über uns, daß wir auf d. Fl. i. d. Weichsel ertranken.
Schreiben Sie doch auch bald einmal. Herzl. Gr. v. uns Ihre Hertha Grunau

Der Text dieser Postkarte zeigt anschaulich den traurigen Alltag der unmittelbaren Nachkriegszeit auf dem Gebiet von Mecklenburg und Pommern.

Die Absenderin scheint aus Danzig vor den anrückenden Truppen der Roten Armee nach Westen geflohen zu sein und war in Vorpommern gestrandet. Dabei riss der Kontakt zu ihrer Familie ab. Im Januar 1946 war der Verbleib, bzw. das Überleben eines Teils der Familie immer noch unklar. Diese Flüchtlinge wurden von der ortsansässigen Bevölkerung nicht sehr willkommen geheißen, musste mit diesen doch das Wenige, was noch vorhanden war, geteilt werden (Wohnraum, Nahrung).

Hinter dem Satz "aber auf d. Lande Furchtbares durchmachen müssen" verstecken sich wahrscheinlich Erlebnisse wie Hunger, Krankheiten, Plünderungen, Arbeitseinsätze, wahllose Verhaftungen und Tötungen sowie Vergewaltigungen. Diese waren im Jahr 1945 Alltag in Mecklenburg und Vorpommern.
 
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