Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 06.08.2016 08:24:12 Gelesen: 328792# 87@  
Liebe Freunde,



heute wieder ein Fund aus der Bucht - angeboten war eine hübsche, vollrandige Nr. 14a auf Ortsbrief von Kaufbeuren. Nun sind Ortsbriefe ja nichts besonderes bei Bayern, aber für gewöhnlich steht als Ortsbezeichnung "Dahier" oder "Hier" auf ihnen und eher seltener der Ort. Daher ahnte ich, was auch so war: In Wirklichkeit war es kein Orts-, sondern ein Fernbrief aus Regensburg, der am 20.1.1868 dort verfasst wurde. Wie er genau nach Kaufbeuren kam, wissen wir nicht.

Als Möglichkeiten biete ich an:

1. In einem anderen Brief versteckt ("Unterschleif"),

2. Von einem Reisenden (eigene Firma, Bekannter, Spediteur usw.), der nach dorthin unterwegs war, mitgenommen,

3. In ein Paket eingepackt zu einer Warensendung nach Kaufbeuren an einen anderen Händler dort (dann war er sicher in Regensburg vorfrankiert worden), oder

4. hatte man am 20.1.1868 zahllose Drucksachen auf blauem Papier aufgegeben und diesen hier unerkannt untergeschmuggelt, was ich aber eher für eine leicht gewagte These halte, auch wenn ich dergleichen kenne/habe.

In jedem Fall kam der Brief am 22.1.1868 unter die Fittiche des Kaufbeurers, der ihn nicht mit dem Mühlradstempel, sondern seinem Rahmenstempel bedruckte, aber das ist ja ein anderes Thema.

Oft wird in der Sekundärliteratur der 1.1.1868 (Erster Tag des Norddeutschen Bundes, damit des Norddeutschen Postbezirks und die Übernahme der meisten Postvorschriften in Bayern) als das Datum gefeiert, an dem man von dem veralterten DÖPV endlich in die Neuzeit katapultiert wurde und alles moderner und wohlfeiler wurde.

Für Bayern traf das aber nicht so ganz zu: Waren zuvor schon alle einfachen Briefe mit 3 Kreuzern bayernweit sehr günstig geworden, so kosteten zuvor Briefe über 1 - 15 Loth nur 6 Kr., ab dem 1.1.1868 jedoch um die Einheitlichkeit zu wahren 7 Kr., dem Äquivalent der anderen Währungen in den Vertragsstaaten mit 2 Silbergroschen bzw. 10 Neukreuzern. De facto erhöhte sich also das Franko bei schweren Briefen um 17%! Am Franko für Ortsbriefe von nur 1 Kr. änderte sich nichts. Porto kosteten sie 3 Kr., schwere 6 Kr. (statt 7 Kr., wie man annehmen könnte, aber das war eine rein interne Gebühr und da wollte man einfach mal zeigen, dass man sein Postregal noch immer besaß).

Auch bei Portofernbriefen gab es zuvor nur die Stufen 6 Kr. bis 1 Loth und 12 Kr. über 1 bis 15 Loth, welche danach 7 Kr. und 11 Kr. kosteten, also wieder 17% teurer bei den Standardbriefen und bei den schweren eine moderate Senkung um 8%.

Nimmt man noch die Erhöhung der Chargégebühr von 6 Kr. auf 7 Kr. und die für Rückscheine von ebenfalls 6 Kr. auf 7 Kr. hinzu, so wurde zum 1.1.1868 so gut wie nichts günstiger, aber viele teurer.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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