Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 04.11.2016 15:31:37 Gelesen: 324312# 125@  
Liebe Freunde,



heute zeige ich einen, jedenfalls für mich, besonderen Brief. Am 24.5.1846 sandte man ein großes Kuvert mit Trauersiegel der Grafen zu Castell mit Postaufgabe in Rüdenhausen (ab 1.1.1846 erstmals eine Postexpedition!) an Seine Erlaucht den Herrn Grafen Albert von Rechberg und Rothnelöwen nach München, wo es am 26.5.1846 ankam. Es wurde unfrei aufgegeben - eventuell dachte man hier an eine Portofreiheit des Empfängers (also eine unbeschränkte), weil man selbst nicht aktiv portobefreit war.

https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwix8bavqI_QAhUKtRQKHVKjBEkQFggdMAA&url=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FCastell_(Adelsgeschlecht)&usg=AFQjCNFozyXL2MGu_KGAM_vUL0LVL95H8Q&sig2=t1NELGgwDYnhQ0vv4NAaOg

Man setzte nach dem Inlandstarif vom 1.1.1843 15 Kr. fest bei einer Entfernung von 27 Meilen (24 - 30 Meilen einfach kosteten 10 Kr., hier über 1/2 bis 1 Loth den Faktor 1,5 = 15 Kr. wie notiert). In München hatten seine Genaden jedoch der Post seine neue Anschrift hinterlassen und zwar im schwäbischen Donzdorf im Königreich Württemberg, dunnemals noch von deren von Thurn und Taxis postalisch versorgt. Dazu muss man sagen, dass die deren zu Rechberg und Rothenlöwen es 1803 geschafft hatten, das Dorf Donzdorf bayerisch werden zu lassen, ehe man 1810 durch eine Grenzbereinigung dort wieder württembergisch wurde. So verquickt sich Geschichte.

Da in München keiner die 15 Kr. hatte bezahlen wollen, notierte man dort für die Weiterleitung nach dem Inlandstarif vom 1.12.1810 (der anzusetzen war, weil der Brief ins Ausland ging!) 9 Kr. für die Strecke München bis zur württembergischen Staatsgrenze bei Günzburg (13 Meilen - bei über 6 bis 12 Meilen fiel ein Porto von 6 Kr. an, hier mit Faktor 1,5 also 9 Kr., wie unter "15" notiert).

Ein nettes Bild über die Behausung unseres Empfängers mag der Illustration der Zeit dienlich sein:

https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=4&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwjM5JmaqI_QAhWEPRQKHTcxC0kQFggqMAM&url=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FSchloss_Donzdorf&usg=AFQjCNFB905VgVDnWYS_QoQ6e3aFjOgVGQ&sig2=Q7cVmV64Lijb76Pdd-Bdtg&bvm=bv.137901846,d.d24

https://de.wikipedia.org/wiki/Donzdorf

Ab der württembergischen Grenze wurden für die Kasse der Taxispost 4 + 2 = 6 Kreuzer fällig, die man unter die Addition von 15 + 9 = 24 Kr. schrieb, so dass wir jetzt ein Gesamtporto von 30 Kr. vor uns hatten.

Tja, das wäre es eigentlich auch gewesen - wenn nicht oben eine deutliche Rötel "39" zu sehen wäre. Im Jahr 1845 bekam Donzdorf eine Postablage! Erst 1848 erhielt es eine Postexpedition, so dass wir davon ausgehen müssen, dass jemand 9 Kr. Botenlohn (!) = 3 Mittagessen bekam, um von Göppingen nach Schloß Donzdorf zu laufen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/8122
https://www.philaseiten.de/beitrag/138337