Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 05.01.2017 19:36:52 Gelesen: 322972# 130@  
Liebe Freunde,



heute zeige ich einen Portobrief aus dem schönen Bad Brückenau vom 24.6.1863 via Gemunden nach Riga. Die Adresse lautet: "S(eine)r Hochwohlgeboren Dem Herrn A. von Sivers Im Petersburger Hotel abzugeben Riga über Berlin - Russland".

Ab dem 13.4.1852 gab es den Leitweg über Preußen (wie hier gewählt und gewährt), der für Portobriefe die einfache, entfernungsgemäße Postvereinstaxe von 9 Kreuzer für die Aufgabepost vorsah und 10 Silberkopeken = 3 Silbergroschen = 10,5, gerundet 11 Kreuzer für Russland vorsah.

Da wir links oben eine große 3 sehen, könnten wir zu glauben geneigt sein, dass es sich um ebige 3 Silbergroschen handeln müsste. Aber das wäre weit gefehlt, denn die Vorschrift besagte bei Portobriefen nach Russland, dass die Vereinstaxe in preussischer Währung frontseitig bei Portobriefen zu notieren war. Demzufolge hatte die Aufgabepost allein die Pflicht, die Briefe zu wiegen und je angefangenes Loth 3 Silbergroschen oder ein Vielfaches davon zu notieren (ab 1.1.1861 immer in blau, der Farbe des Portos, im Gegensatz zu rot, der Farbe des Frankos damals).

Diese 3 Silbergroschen entsprachen zwar paritätisch 3 mal 3,5 Kr. = 10,5 Kr. gerundet auf 11 Kr., doch bekam Bayern von Preussen nur 9 Kr. ersetzt, womit Bayern auch sehr zufrieden war. Preussen selbst setzte natürlich im Austausch mit Russland 3 Sgr. an und bekam o. g. 10,5 Kr. paritätisch, machte also einen Währungsgewinn von 1 1/2 Kr. je Gewichtsstufe jeden Briefes. Das war so wenig nicht. Auf der anderen Seite waren Briefe aus Russland via Preussen nach Bayern 20 Kr. je Loth teuer und Preussen erhielt dann 11 Kr. von Bayern für Russlands Anteil und durfte selbst nur 9 Kr. behalten - bei diesen Briefen erhielt Bayern also gar nichts!

Zurück zum Brief: Siegelseitig notierte man die Forderung Preussens an Russland mit 10 (Silberkopeken) und wie so oft wurde das Gesamtporto in Riga nicht notiert - es betrug 20 Silberkopeken.

Galt für Bayerns Absender ein Briefgewicht von 1 Loth = 15,625g inklusive, so galt für russische Absender bzw. bayer. Empfänger das Gewicht von 15g als einfach. Es wäre also sehr spannend, einen Brief zu finden, der über 15g, aber unter 15,625g gewogen hatte, aber den habe ich selbst noch nicht gefunden.

Beim Empfänger muss es sich um Alexander Graf von Sievers, geb. 1823, gest. 1887, gehandelt haben, der immerhin Gouverneur von Moskau war, also kein Niemand. Hier der Link zur Famile:

https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwi5ocf60avRAhVBXhoKHVfqDAUQFggcMAA&url=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FSievers_(Adelsgeschlecht)&usg=AFQjCNHD_lezo3v8SsQIDggDARrPiSOBbA&sig2=oIKU5R7tR3yC1qa572piMA

Den sicherlich adligen Absender zu eruieren war mir anhand des kleinen Siegels nicht vergönnt. Ich finde diesen Damenbrief auch ohne Marken äußerst attraktiv, womit er sich in dieser Hinsicht seinem Kaufpreis annähert.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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