Thema: Siebenbürgen
10Parale Am: 27.01.2017 15:46:32 Gelesen: 22736# 10@  
@ bignell [#9]

Vielen Dank für diese Posttarifbestimmung.

Ständig auf der Suche nach schönen Belegen bin ich kürzlich über diesen Geschäftsbrief gestolpert.

Er entstammt aus der berühmten Tickely-Korrespondenz. Er wurde wohl am 28. Februar 1859 in Berlin mit einer Preussen Nr. 8 abgeschlagen und einem schönen, klaren Vierringstempel mit der Nummer 103 versehen.

Rechts sieht man noch - leider etwas undeutlich - den Kastenstempel von Berlin. Der Brief erreichte Hermannstadt am 05.03.1859.

Zu jener Zeit hatte Kaiser Franz Joseph I. das Zepter in der Monarchie übernommen und Hermannstadt war soeben Landeshauptstadt Siebenbürgens geworden. Eine "Markgrafschaft Sachsenland", wie sie der junge Kaiser 1848 zugesagt hatte, wurde verworfen. Österreichische Verwaltungsbeamten steuerten das ferne Siebenbürgen zentral von Wien aus.

Der Kreis Hermannstadt zählte damals mit all seinen Bezirken etwa 320.000 Einwohner. Den darin lebenden Rumänen (neben Sachsen und Szeklern) wurden bereits 1848 die gleichen Rechte wie den Sachsen zugestanden. Dabei gab es ein Zensuswahlrecht (Wahlrecht nach Steuerleistung). Erst im Jahre 1863/64 kam es zur Wahl eines Landtags (im berühmten Gasthaus römischer Kaiser), wobei sich dieser dann aus 56 Ungarn und Szeklern, 58 Rumänen und 44 Sachsen zusammensetzte. Die Rumänen wurde dank der Sachsen als gleichberechtigte Landesnation etabliert.

Leider hatte das Unternehmen 1865 schon wieder ausgedient, denn die Ungarn wollte "mehr" und der österreichische Kaiser beugte sich dem Willen der Budapester Regierung! 1867 hörte Siebenbürgen dann faktisch auf zu existieren. Nur noch Militär blieb in Hermannstadt liegen, denn es war nach wie vor eine Grenzstadt zur naheliegenden Walachei. Der Rest regelte Budapest. Hermannstadt war keine Hauptstadt der Sachsen und keine Landeshauptstadt Siebenbürgens mehr.

Im Jahr 1869 gab es in Hermannstadt (Quelle: Harald Roth, Hermannstadt, Kleine Geschichte einer Stadt in Siebenbürgen) etwa 67% Deutsche, 20% Rumänen und 11% Ungarn. Nicht vergessen sollte man auch (Quelle Hermann Roth) 168 jüdische Familien, die sich hauptsächlich als Kaufleute in Hermannstadt angesiedelt haben. Es gab sogar eine jüdische Zeitschrift in jiddischer Sprache "Der siebenbürgische Israelit".

Ich bin froh, einen schönen Brief aus dieser Zeit zu haben, in der Hermannstadt so etwas war wie eine kosmopolitische Stadt und ein weltoffenes Handelszentrum.

Liebe Grüße

10Parale

  
 
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