Thema: Österreich: Fiskalmarken
Cantus Am: 23.05.2017 02:44:56 Gelesen: 17105# 10@  
@ Gernesammler [#9]

Hallo Rainer,

du zeigst hier zwei sehr schöne fiskalische Belege. Dabei ist das erste Exemplar keine Ganzsache, wie du irrtümlich wegen der aufgedruckten Stempelmarke annimmst, denn mit dem Erwerb oder der Nutzung einer Ganzsache werden ausschließlich und ausdrücklich postalische Dienstleistungen zugesichert, das trifft hier nicht zu. Man nennt solche Dinge "Ganzsachenähnliche Formulare". Unter diese Oberbegriff gibt es eine riesige Anzahl von Belegen unterschiedlichster Art, denn nicht nur Rechnungen, Protokolle, Bescheinigungen oder andere kostenpflichtige Dinge, sondern fast die gesamte Fracht- und Paketpost von Österreich gehört in diesen Bereich.

In Österreich wurden früher an die 450 Amtshandlungen mit Stempelmarken bezahlt. Diese Form der Zahlung galt ab 1854 bis zum Jahr 2002.

Die Stempelmarken waren jeweils auf Formulare wie Anträge oder Ansuchen sowie auf etwaige Beilagen, aber auch auf Rechnungen und Ähnliches zu kleben und galten damit als Beweis der Entrichtung der notwendigen Gebühr. Es gab diese Marken, ähnlich wie Briefmarken, mit dem jeweiligen Aufdruck des Wertes. Um den korrekten Betrag zu erreichen, war es oft notwendig, durch Stückelung mehrere Marken aufzukleben. Sie mussten entweder durch das Amt, bei dem man etwas einreichte, oder durch die Unterschrift desjenigen, der die Stempelgebühr zu entrichten hatte, entwertet werden.

Zu kaufen gab es die Stempelmarken auf Finanzämtern oder in Trafiken. Eine (Tabak-)Trafik ist in Österreich eine Verkaufsstelle für Tabakwaren, Zeitungen, Magazine, Schreibwaren, Post- und Ansichtskarten und andere Kleinwaren, dabei heute beispielsweise auch für Parkscheine und Fahrscheine für städtische Verkehrsmittel.

Vor allem Gewerbetreibende hatten sich bei häufiger Verwendung eines bestimmten Formulars, z.B. bei Rechnungen, schon vorab die Stempelgebühr aufdrucken lassen, um das lästige Besorgen der Marken und das Bekleben vermeiden zu können, so sicherlich auch bei deiner ersten Rechnung. Da jeder Gewerbetreibende grundsätzlich völlig frei in der Gestaltung seiner Rechnungen war, gibt es dabei natürlich auch die unterschiedlichsten Papierarten und -farben, das ist also nichts Besonderes. Wenn du aber anfängst, dich näher damit zu beschäftigen, wirst du feststellen, dass es bei den Stempelmarken, aber auch bei den entsprechenden Aufdrucken im Bild Jahreszahlen gibt, die das Jahr kennzeichnen, für das diese Marken erstmals verwendet worden sind. Bei manchen Marken waren das viele Jahre, bei anderen, z,B. in der Inflationszeit, nur kurze Zeiträume.

Die in diesem Fall festgestellte gemeinsame Versendung der Rechnungen ist vermutlich auf beabsichtigte Portoersparnis zurückzuführen, Genaueres wird aber nicht mehr zu ermitteln sein.

Viele Grüße
Ingo
 
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