Thema: Die berühmtesten und wertvollsten Briefmarken der Welt
Heinz 7 Am: 17.08.2017 23:08:23 Gelesen: 586098# 224@  
@ 10Parale [#222]

Lieber Freund,

anhand einer Rarität will ich die Schwierigkeit aufzeigen, einen fairen ("richtigen") Katalogwert zu finden. Nehmen wir dazu die folgende Marke:

Postmeistermarke Mount Lebanon, Louisiana, 5 Cents rotbraun.



Diese Marke ist ein Unikat! Bis heute kennt man nur dieses eine Exemplar (auf Brief).

Die Marke war bereits im XIX. Jahrhundert bekannt, war bei Senf 1912/1913 aber nicht aufgelistet (damals waren nur 70 Marken katalogisiert, Senf 1-61, 63-71. Scott listete 2000 fast doppelt so viele: 137 verschiedene Hauptnummern auf, Scott 1-143, mit 6 Lücken).

Der legendäre Sammler Ferrary besass auch diese Marke! Sie wurde am 14.6.1922 angeboten, vermutlich das allererste Mal. Es war die 4. Ferrary-Auktion, Los 50. Ohne Startpreis, ohne Schätzpreis.

Die Marke (bzw. der Brief) wurde zu Francs 13'500 verkauft, dazu kamen 17.5 % Zuschlag = FRF 15'862.50. Ich kenne den genauen Umrechnungskurs vom 14.6.1922 nicht (FRF in CHF), darum behelfe ich mir mit der Angabe (gemäss Resultatliste): 1 GB£ = 50.90 FRF und erhalte also als Resultat = GB£ 311,64. (Die Umrechnung von 0,64 GB£ in Shilling und Pence erspare ich mir). Im Juni 1922 war der Kurs des GB£ zu Schweizer Franken 1 GB£ = CHF 23.355. Damit errechnen wir einen Wert von CHF 7278.36. Bis 31.12.1922 erhöhte sich der Betrag um CHF 118.88 (Verzinsung um 3 %, 196 Tage). Damit ergibt sich ein "theoretisch richtiger" Katalogwert von CHF 7'397 Ende 1922. So weit, so gut. Per Ende 1999 wären dann daraus CHF 72'031 geworden.

Erst 34 Jahre später wurde der Brief wieder verkauft (3. Caspary-Auktion, Los 287). Der Katalogwert betrug damals offenbar US$ 3'500 (Scott No. 60 X 1). Der Brief wurde immerhin zu US$ 5'500 verkauft. Die Auktionsfirma (H.R. Harmer, New York) verlangte damals kein Aufgeld zum Zuschlagpreis.

Machen wir unsere Rechnung aufs Neue. Ein US$ galt im März 1956 CHF 4.285. Daraus errechnen wir einen Kaufpreis von CHF 23567.50. 6.3.1956 bis 31.12.1956 ergab dies Zinsen von CHF 577.40, Ende 1956 war der Brief theoretisch also CHF 24'145 wert. Hochgerechnet auf Ende 1999 erhalten wir einen theoretischen Katalogwert von CHF 86'065.

Im LIFE-Artikel war der Brief übrigens erwähnt, und mit US$ 5'000 bewertet (1954), erstaunlich nahe am tatsächlichen Verkaufspreis rund 2 Jahre später.

Erst 43 Jahre später, am 28.9.1999 kam die Sammlung Kilbourne zum Verkauf, bei R.A. Siegel (Sale 815). Das Los erzielte einen horrenden Preis von US$ 350'000 + 10 % = US$ 385'000 und löste so meines Wissens den berühmten "Livingston"-Brief als teuerste Einheit aller Zeiten der Konföderierten Staaten ab. Im Scott Katalog "2000" war der Brief damals noch mit US$ 100'000 katalogisiert; die Kilbourne-Auktion war nach dem Redaktionsschluss dieses Kataloges.

Der US$ war damals bewertet mit 1 US$ = CHF 1.5246, daraus errechnen wir einen Kaufpreis von CHF 586'971 (per 28.9.1999). CHF 4'500 rechnen wir dazu (bis 31.12.) und erhalten so CHF 591'471.

Dieser dritte bekannte, echte Markt-Wert liegt also viel höher als derjenige von 1922 oder 1956!

1922: CHF 72'031
1956: CHF 86'065
1999: CHF 591'471 (alle Werte aufgerechnet per 31.12.1999)

Am 19.11.2009 wurde dieser Brief wieder verkauft (Spink Shreves New York). Der Erlös war "nur" US$ 220'000 + 15 % Aufgeld (20 % für die ersten US$ 2000) = US$ 253'100 (nach meiner Berechnung). Der US$ hatte nochmals kräftig an Wert verloren (1 US$ = CHF 1.0123). Wir errechnen also einen Kaufpreis von CHF 256'213 (November 2009), das sind nur noch 43.3 % des Preises 10 Jahre früher.

Welcher Katalogwert war also korrekt von 1900 bis heute? Die US$ 100'000 im Scott 2000 schienen vielleicht eher hoch, wurden dann aber nahezu Makulatur, spielten beim Verkauf der Sammlung Kilbourne keine Rolle mehr.

Wir haben meines Wissens in 110 Jahren nur 4 x einen Marktwert feststellen können.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
Quelle: www.philaseiten.de
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