Thema: Philatelie in der Presse
Richard Am: 12.05.2009 17:24:24 Gelesen: 1307916# 228@  
Schweiz: Marken-Pfusch der Post ärgert die Sammler

Von Thomas Knellwolf

Thurgauer Zeitung (11.05.09) - Bei der Eishockey-Weltmeisterschaft im eigenen Land schnitten die Schweizer Spieler bekanntlich unter ihren Möglichkeiten ab. Einen noch schlechteren Eindruck machte die Schweizerische Post mit ihrer Sondermarke zum Turnier. Während den einheimischen Eishockeyanern das Pech an den Schlittschuhen klebte, hafteten viele der selbstklebenden Wertzeichen wegen Fehlern in der Produktion so sehr an den Bögen, dass sie selbst bei vorsichtigem Loslösen zerrissen. Trotz den Parallelen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Eidgenössische Wertzeichen waren lange Zeit konstant Weltklasse, was man von den hiesigen Hockeyspielern nicht behaupten kann.

Falsche Farbe, Flecken, keine Zacken

Der Ruf des Briefmarkenlandes Schweiz hat in Fachkreisen in jüngster Zeit arg gelitten – Nicht nur wegen des Sujets mit der Schlittschuhkufe, das dem Post-Kundendienst als «Problembriefmarke» bestens bekannt ist. «Früher gab es alle paar Jahre einen grösseren Fehler», sagt der Glarner Sammler und Fachjournalist Jakob Kubli, «heute gibt es fast bei jeder Ausgabe Fehldrucke oder falsche Stanzungen.» Hans Schwarz, Chefredaktor der «Schweizer Briefmarken Zeitung», bestätigt: «Farbabweichungen, Flecken und nicht korrekte Zähnung bei Briefmarken waren für die Fachwelt früher Höhepunkte.» Heute hätten sie «merklich zugenommen».

Dass die Schweiz einst für über 100 Länder in erstklassiger Qualität millionenfach Briefmarken gedruckt hat, ist nur noch Erinnerung», bedauert der eingefleischte Märkler Kubli. In aktuellen Katalogen des Fachhandels werden fehlerhafte Exemplare fast aller hiesigen Neuausgaben angeboten. Angepriesen wird beispielsweise ein Bogen einer 2008er-Sondermarke zur historischen Rheinbrücke in Stein mit nicht weniger als vier Fehlern.

Fehler steigern Preise tausendfach

Der Anfang vom Ende der schweizerischen Briefmarken-Perfektion lässt sich datieren: 2001 musste die renommierte Spezialdruckerei Hélio Courvoisier S. A. in La Chaux-de-Fonds liquidiert werden. Im Jahr darauf stellte die Schweizerische Post aus wirtschaftlichen Gründen den Betrieb ihrer hauseigenen Wertzeichendruckerei ein. Seither werden die Briefmarken mit dem Schriftzug Helvetia komplett im Ausland produziert, in Frankreich, in Holland, in Deutschland, in Fernost, anderswo.

In Qualitätsprüfung wird seither weniger investiert. «Die Kontrollen», sagt Jean-Paul Bach, Präsident des Schweizer Briefmarken-Händlerverbands, «entsprechen nicht mehr dem einstigen Schweizer Standard». Darüber mag sich der Basler Fachhändler nicht ärgern, denn für ihn sind Marken mit Fehlern ein gutes Geschäft. Für sogenannte Abarten greifen Sammler gerne tiefer ins Portemonnaie. «Fliegenschisse», fast nur mit der Lupe erkennbare Unreinheiten, kosten ein paar Franken mehr.

So wird eine Abart, bei welcher der Tenniscrack Roger Federer einen kleinen blauen Punkt auf dem Leibchen hat, in einem druckfrischen Katalog für 79 Franken angeboten. Von blossem Auge erkennbare Fehler sind Eingefleischten gut und gerne ein paar Hundert Franken mehr Wert. Den «verschobenen Buchfinken», eine 85-Rappen-Marke mit markanter Verschiebung der Druckfarben, erhält der Liebhaber derzeit für 996 Franken. Für seltene und grobe Abweichungen legen Philatelisten gar Tausende Franken auf den Ladentisch.

Zu viele Abarten sind nicht lustig

Trotz solchen guten Gewinnaussichten bereitet die massiv höhere Fehlerquote den Fachgeschäften und spezialisierten Auktionshäusern, von denen es in der Schweiz immer weniger, aber immer noch viele gibt, nicht nur Freude. «Wenn es zu viele Abarten gibt», sagt Fachhändler-Präsident Bach, «findens die Sammler irgendwann nicht mehr lustig.»

Die Post kann die Sorgen der Sammler verstehen, will aber nicht zurück in die gute alte Zeit. «Briefmarkendruck ist nicht mehr unser Kerngeschäft», sagt Post-Sprecher Oliver Flüeler frank und frei. Im Alltagsgeschäft, dies sei die Hauptsache, gäbe es bei den Wertzeichen kein Qualitätsproblem. «Sammlerprobleme», ergänzt Flüeler, «sind nicht Normalkunden-Probleme.» Die Schweiz sei immer noch ein führendes Briefmarkenland, sagt er und verweist auf ein kürzlich preisgekröntes Motiv der Schwarzen Madonna von Einsiedeln oder eine Marke mit gestickten St. Galler Spitzen. Auch mit dem weltweit ersten Wertzeichen mit Schoggiduft oder Marken, welche die Kunden selber bedrucken konnten, versuchte die Post zu punkten.

Marken-Sauglattismus

Längst nicht alle Sammler können sich für solche Aktionen erwärmen. Für Puristen sind solche kleinen Papierchen ein Ausdruck von «Sauglattismus». «Marken aus Holz, Stickereimarken, duftende Marken, Marken mit aufgeklebten Kristallsplittern oder Meteoritenstaub sind zwar attraktiv für den Gelegenheitssammler und -käufer», hält die Association Internationale des Journalistes Philatéliques in ihrer Publikation fest. Ihre Wirkung verblasse jedoch «wie der Schweif eines Kometen».

Die Fachvereinigung beklagt sich im selben Beitrag, das Postamt verkomme «mehr und mehr zu einem Einkaufsladen, in welchem Zeitungen, Bücher, Schreibwaren und so weiter erhältlich sind». Der Spiessrutenlauf durch solche Schalterhallen lohne sich nicht mehr. Sondermarken könnten auch in der Schweiz nur noch an wenigen Spezialschaltern erstanden werden.

Die Sammlergemeinde wird immer kleiner. Die Schweizerische Post verzeichnet noch knapp 50'000 Abonnenten, die jede neue Marke beziehen. In Zeiten von E-Mail, SMS und Pauschalfrankierung sinken die Auflagen der Wertzeichen. «Das Kunsthandwerk des Kupferstechers gibt es kaum mehr», sagt Postsprecher Flüeler, «auch die Post arbeitet unter Kostendruck.»



Lange zählten Briefmarken aus der Schweiz zu den besten der Welt. Neuerdings weisen viele Produktionsfehler auf. Die Sammler sind sauer, die Händler reiben sich die Hände.
Postmarken «Pro Juventute», 2005, mit fehlendem Violettdruck (links) und Stickereimarke, 2000, es fehlt eine Null (korrekte Wertstufe 500). (Bild: Jean-Paul Bach)

(Quelle: http://www.thurgauerzeitung.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/MarkenPfusch-der-Post-aergert-die-Sammler/story/19414101)
 
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