Thema: Philatelie in der Presse
Richard Am: 20.05.2009 20:32:52 Gelesen: 1307907# 234@  
Die Aktie des kleinen Mannes im Sinkflug

Von Benno Gasser

Tagesanzeiger.ch (17.05.09) - Zürich war in den vergangenen Tagen ein Mekka der Philatelisten. Nach 25 Jahren war die Stadt wieder Austragungsort einer nationalen Ausstellung.

Der Kontrast könnte kaum grösser sein: In den Hallen des UBS-Sportzentrums Guggach, wo sonst pfeilschnelle Tennisbälle durch die Luft fliegen, war in den vergangenen drei Tagen mit der Ausstellung «Züri 09» die grosse Ruhe eingekehrt. Im Zentrum der lichtdurchfluteten Halle stehen Dutzende von Exponaten, während die zahlreichen Händler rundherum ihre Stände aufgebaut haben. Mit der «Züri 09» werden gleich mehrere Jubiläen gefeiert: 125 Jahre Schweizerischer Philatelisten-Verein und 30 Jahre Philatelisten-Verein UBS. Zudem fanden vor 25 und 75 Jahren ebenfalls zwei nationale Briefmarken-Ausstellungen (Naba) in Zürich statt.

Klubs kämpfen um Mitglieder

Das Hobby Briefmarkensammeln hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Dies zeigt beispielsweise die Zahl der Abonnenten für Briefmarken und Ersttagscouverts. In den 80er-Jahren waren es mehr als 180'000 Abonnenten, heute ist es noch ein Bruchteil dieser Zahl. Oder die sinkenden Mitgliederzahlen in Philatelistenvereinen: Der Schweizerische Philatelisten-Verein Zürich kämpfte in den 90er-Jahren ums Überleben und musste mit dem Philatelisten-Verein Oerlikon fusionieren. Damit erreichte der Klub einen Bestand von 416 Mitgliedern. Mittlerweile ist er auf 188 gefallen. René Haupt, Organisator der «Züri 09», kennt diese Schwierigkeiten. Die Vereine würden vor allem mit Nachwuchsproblemen kämpfen. Es sei ihnen nicht möglich, in den Schulhäusern mit Plakaten und Flyern Kinder und Jugendliche direkt anzusprechen und für die Philatelie zu begeistern. Um jüngere Leute vermehrt zu erreichen, liegt der «Schweizerischen Briefmarkenzeitung» seit Anfang dieses Jahres ein herausnehmbarer Teil bei: die Jugendzeitung «Zack». Neben den vielen heutigen Freizeitangeboten und Internetspielen habe die Philatelie einen schweren Stand, sagt Haupt.

In den 80er-Jahren war Briefmarkensammeln ungemein populär. Die Briefmarke galt als Aktie des kleinen Mannes. Dies hatte zur Folge, dass sich Leute aus Spekulationsgründen gleich stapelweise Briefmarkenbogen kauften. Die Folge ist, dass Schweizer Briefmarken aus den vergangenen vier Jahrzehnten den Markt überschwemmten und sich heute kaum noch verkaufen lassen. Ein kleiner Trost: Briefmarken, die 1964 und später auf den Markt kamen, können nach wie vor als Frankatur verwendet werden.

Interessante Geschichten dahinter

Ein Rundgang durch die «Züri 09» zeigt, dass Briefmarkensammeln zu Unrecht ein Mauerblümchendasein fristet. Hinter vielen der Briefe und Marken verbergen sich interessante Geschichten. Dazu zählen etwa Dokumente aus den beiden Weltkriegen, wie die Karten von Kriegsgefangenen, die sie ihren Liebsten schrieben. Oder mehr als 200 Jahre alte Briefe, die damals von Boten oder privaten Postdiensten übermittelt wurden. Die Schweiz hat auch eine grosse philatelistische Vergangenheit: Sie war das zweite Land, das weltweit Briefmarken herausgab und das erste mit einer farbigen Marke.

Auch der ehemalige Stadtpräsident Elmar Ledergerber (SP) bekennt sich im «Züri 09»-Grusswort als Briefmarkenfan. Obwohl er kein Sammler sei, besitze er eine stattliche Sammlung von Postzeichen. Die Briefmarke sei ein Zeitzeuge, die Philatelie werde die Leidenschaft vieler bleiben. Dem schliesst sich auch OK-Präsident Haupt an (er sammelt alles über die Postgeschichte im Sarganserland): «Briefmarkensammler wird es immer geben.»



Briefmarkensammler fachsimpeln an der Ausstellung «Züri 09» im UBS-Sportzentrum Guggach.
(Bild: Peter Lauth)

(Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Die-Aktie-des-kleinen-Mannes-im-Sinkflug/story/30992155)
 
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