Thema: ? (34-35) Stenographie: Kurzschriften wie DEK, Gabelsberger, Stolze-Schrey u Co.
Max78 Am: 03.12.2017 01:35:32 Gelesen: 32161# 21@  
@ Robertomarken [#34]

Hallo Robert...,

ich weiß nicht, ob Du noch aktiver Leser bist, aber auf Deine Frage, die Du vor rund 8 Jahren gestellt hattest, kann ich eine etwas genauere Antwort geben. Allgemein an Dich, lieber Richard: nenne das Thema doch am besten "Stenographie: Kurzschriften wie DEK, Gabelsberger, Stolze-Schrey & Co". Auch wenn es nur ein Randgebiet ist, wird es so besser passen.

Zur allgemeinen Info über Kurzschriften folgendes in Kürze: heutzutage verwendet man die Deutsche Einheitskurzschrift, die ca. 1924 als ein "Resümee" einzelner Systeme festgelegt wurde. Effektiv, wahnsinnig schnell und in drei Stufen unterteilt: Verkehrsschrift, Eilschrift und Redeschrift. Es gibt heutzutage rund 250 professionelle Stenographen, die in Unternehmen tätig sind, aber auch im deutschen Bundestag fleissig am Mitschreiben sind. Kein Wunder, denn weder ein Diktiergerät noch eine Computertastatur können eine vollendete DEK (Deutsche Einheitskurzschrift) zeitlich und qualitativ toppen. Ein durchschnittlich geübter Stenograph ist dreimal schneller als ein "Zehnfingersystematiker + Tastatur". Rekord: 520 Silben pro Minute!

Schon in früherer Zeit entwickelten sich regional einzelne Kurschriftsysteme und fanden großen Anklang. Was heute fast ausgestorben ist, war damals der Renner. Auch auf vielen Postkarten, Stempeln und anderen philatelistischen Stücken lassen sich die etwas wirr anmutenden Schnörkel und Kringel finden. Bei Roberto's Beispiel war die Zuordnung auch nicht ganz einfach. Man bräuchte einen großen Bücherschrank, der all' die Hefte und Lehrbücher fassen könnte, die im Laufe der Jahrzehnte verlegt wurden. Wenn man sich aber schon einmal ausgiebiger mit der DEK beschäftigt hat, kommt man relativ schnell auch in die anderen Systeme rein, da sie eine ähnliche "Struktur" besitzen. Bei diesem Beispiel handelt es sich keinesfalls um Gabelsberger und auch nicht um das vereinfachte Einigungssystem Stolze-Schrey, wie es um 1911 publiziert wurde. Man kann aber im einzelnen das System von Stolze (oder/und) Schrey herauslesen. Zu späterer Zeit kann ich einmal die Hauptunterschiede (kurz) erläutern. Mit etwas Spielerei und Spass an der Sache bekommt man folgenden Text aus der Karte (manch ein Vereinsmitglied in diesem Forum wird wohl grinsen müssen ;-):



Lieber Fred! Es wird immer schöner. Ich's dir doch gesagt auf der V.T. (Vereinstagung), dass ich in dem Schreiben von Walter Mathauer (?) an Noack (?) gelesen hatte, dass Matthauer wohl Noack auch nicht kennt. Ich hatte das Schreiben damals, als nicht wichtig, gar nicht in die Akte aufgenommen. Beiden hole ich es und lasse es noch diesmal durch und finde, dass Mathauer damals sich an Noack gewandt hatte, und zwar nur deswegen, weil er glaubte, Noack stehe zu uns allen, zu dem Darmstädter Verein in sehr nahem Ver... (?), und weil er die Sache nicht gleich vor den Rat ... ! Dazu hätte doch Noack damals uns sofort davon benachrichtigen müssen. Stattdessen aber verheimlicht er die ganze Sache und bringt hinten herum sein Schreiben an die V.T. Ganz klar, wenn Noack nach dem Wunsch von Mathauer die Sache ... (?) im Darmstädter Verein vorgebracht hätte, so wäre die ganze Sache auf der V.T. 1904 Wasser gewesen. Dieser Punkt ist von uns noch gar nicht berücksichtigt und mir scheint, gerade ihm eine besondere Wichtigkeit zuzukommen, weil darin der Beweis liegt, dass Noack tatsächlich im Stillen gegen uns nach Kräften gearbeitet hat. - Ich meine übrigens, es wäre gut wenn du zuvor Einschickung deines Materials (was ich hier habe, werde ich natürlich dem Rat dann vorlegen) beim Rat sofort beantragst, dass der Rat aufgrund deines Materials sich darüber äußert, ob er es für bewiesen hält, dass Noack tatsächlich heimlich gegen den Verein gearbeitet hat vor der V.T. 1904, und dass Noack in dem Fall schluss... (?) wissentlich die Unwahrheit gesagt hat. Das musst du abwägen, weil du ja den ...beweis, nämlich des Vorkommnisses der Verein setzt gegen dich, nichts in Händen hast. Außerdem wenn der Rat in dieser Sache eine Meinung ausspricht. Du kannst dir ja die Sache auch schließlich etwas selber zurechtlegen. * Jedenfalls bald. * Du musst ja anführen, ich hatte dir gesagt, dass ...beweise gegen Noack im Rat Materialien seien, und diese stehen dir doch zur Verfügung! Roeren (?) erzählte mir, dass Gießen 2 Rundschreiben liegengelassen hätten. Die wiederum verlegen Angriffe gegen unsere Inhalte. Morgen ist Rat. Da erfahre ich's. Herzliche Grüße Dein Wilhelm. Grüße an Elleisen (?). Wann kommt er?

Ja ja, immer diese Streitigkeiten. - Viele dieser Vorsilben und Kürzel konnte ich in keinem der ca. 10 Lehrbücher finden, die ich mittlerweile besitze. Das zeigt, dass sich die einzelnen Systeme im Laufe der Jahre weiterentwickelten oder sich vereinzelt individuelle Auslegungen finden lassen. Diese Karte wurde 1905 geschrieben. Doch wie alt war der Schreiberling, wann erlernte er sein System und passte er es im Falle einer Erneuerung immer wieder an? Alles interessante Fragen für mich und ich hoffe, dass ich noch schöne Beispiele zu diesem Thema finden kann, vor allem mit engerem Bezug zur Philatelie. Soll ja schließlich auch passen. ;-)

einen schönen Sonntag wünscht Max

[Themenüberschrift auf Wunsch von Max redaktionell umbenannt, bisher "Schreibschrift Sütterlin oder Gabelsberger Kurzschrift ?"]
 
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