Thema: Philatelie in der Presse
Richard Am: 12.06.2009 08:47:29 Gelesen: 1307469# 251@  
Zackige Leidenschaft

Von Katja Thomas

Schweriner Volkszeitung / ddp, Plau am See (09.06.09) - Winzige Unterschiede, die oft nur Kennern auffallen, entscheiden über den Preis des wohl kleinsten "Wertpapiers", der Briefmarke. Ein Fehldruck verleiht ihr einen Höhenflug, eine fehlende Zacke in der Zahnung setzt sie Altpapier gleich. Für Jürgen Lange sind Briefmarken mehr als ein Hobby. Für ihn sind sie eine lebenslange Leidenschaft.

Das kleine Dachzimmer von Jürgen Lange zeugt von seiner lebenslangen Leidenschaft für Briefmarken. Umgeben von Regalen voller Ordner, Sammelalben, überquellenden Kartons und Papierstapeln fühlt sich der 80-jährige Philatelist aus Plau am See wohl. Hier lagern Tausende Briefmarken, Briefe und Postkarten. Der Rentner muss nur eine der Briefmarken zur Hand nehmen, schon entspinnt sich ein Erzählfaden, der sich immer feiner verästelt. Von der Beschaffenheit des Papiers, dem Variantenreichtum der Farbe und den Besonderheiten der Zähnung weiß er genauso viel zu berichten, wie vom geschichtlichen Hintergrund, der sich hinter jedem der kleinen Postwertzeichen versteckt.

"Er ist ein wandelndes Lexikon", sagt die 17-jährige Pauline, eine der Schützlinge von Lange. Als Ehrenamtlicher betreut er in Plau am See den mecklenburgischen Landesring der Deutschen Philatelisten-Jugend. Pauline ist seit neun Jahren dabei, sammelt Briefmarken vor allem mit Pferden und vom Aussterben bedrohten Tieren.

Regelmäßig nimmt Lange sich einen prall gefüllten Karton und geht damit in Schulen. Die Kinder wühlen zwischen Briefmarken und Briefen und staunen. Lange lenkt er seine Blicke auf Details: Hat die Marke Zacken oder ist sie gewellt, ist sie durchstochen, handschriftlich entwertet oder gestempelt, hat sie vielleicht sogar einen kleinen Fehler? Das wäre wunderbar, denn dann steigert sich womöglich noch ihr Sammlerwert.

1942 hatte Lange mit dem Sammeln für seine Verhältnisse ganz groß angefangen. Für fünf Mark bestellte er sich 500 Briefmarken aus aller Welt. "Die Rechnung hab ich noch im Keller." Doch die ganze Welt, das war zu viel, also hat er sich auf Deutschland beschränkt. "Das habe ich durchgehalten bis zur Wende." Dann habe er die Marken verkauft. "Für das Geld bin ich mit meiner Frau nach Amerika gefahren." Jetzt habe er sich auf Mecklenburg-Vorpommern spezialisiert, auch das sei noch viel.

Ein paar alte Sammlerstücke hat Lange behalten. "Hier!", sagt er und zeigt auf eine Marke, "der 17. Juni! Arbeiteraufstand in Berlin." "Oder hier, eine aus den Zeiten der Rezession. Die war damals 50 Milliarden Mark wert." Dann zeigt er einen Briefumschlag nur mit dem Namen des Adressaten und Berlin. "Das ist damals angekommen."

Gern schmökert Lange in seinem Gorch-Fock-Album: Darin befinden sich nicht nur Briefmarken zum Segelschulschiff, sondern auch die Rede zum Stapellauf 1933, die Anzugsordnung auf dem Schiff, ein Messbrief und sogar ein Stück Teakholz vom Deck. Und eine Karte, die er selbst 1944 als Marineflakhelfer vom Segelschiff aus an seine Mutter geschrieben hat, auch ein Liebesbrief seiner damaligen Freundin ist darunter. Damals, 1945, hatte er gerade bei einem Bauern in der Lüneburger Heide als Landhelfer gearbeitet. So überkreuzt sich in den Briefmarken Welthistorie mit privaten Geschichten.

Lange hat im Laufe seines Lebens viele Briefe verschickt, auch an sich selbst, damit die wirklich über die Post gehen. "Auf E-Mails kann man keine Briefmarken kleben, leider. Also hört nicht auf, Briefe zu schreiben und nehmt schöne Briefmarken, nicht die schnöden aus dem Automaten. Damit macht ihr den Sammlern eine Freude."

(Quelle: http://www.svz.de/mecklenburg-vorpommern/artikeldetail/article/529/zackige-leidenschaft.html)
 


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