Thema: Vorphilatelie: Sächsische Kurfürstenbriefe 1640 - 1805
roteratte48 Am: 18.06.2009 13:49:58 Gelesen: 27875# 1@  
Ein Thema, das leider ein wenig eingeschlafen ist - die schönen Briefe des 16. - 19. Jahrhunderts. Angeregt durch eine Diskussion in den letzten Tagen mit einem Fiskalphilatelisten habe ich mich durch einen Satz sächsischer Briefe gewühlt - und dabei fiel mir eine Frage des alten threads ein, die damals unbeantwortet blieb: Nach welchen Gesichtspunkten sammelt man solche Belege eigentlich? Anhand nur weniger Belege möchte ich ein Beispiel zeigen, wie man vorgehen könnte und dabei mit recht geringem finanziellen Aufwand und ohne riesengroßes geschichtliches Wissen eine kleine Sammlung gestalten kann, die ein Ausgangspunkt zu vielfältigen Spezialisierungen (Politikgeschichte, Heimatgeschichte, Postgeschichte, Fiskalphilatelie bis hin zur Ästhetik und zur Kalligraphie) zu sein vermag. Um diejenigen Mitglieder des Forums, die dem "alten Zeugs" nichts abgewinnen können, nicht zu langweilen, habe ich einen neuen thread eröffnet - der lässt sich gegebenenfalls rasch wieder schließen und überblättern.

Als Thema einer solchen kleinen Sammlung habe ich "Die sächsischen Churfürsten in der Zeit zwischen 30-jährigem Krieg und Beginn des Königreichs" ausgesucht - es hat sich anhand der aus der Kiste gekramten Briefe so ergeben. Das Haus WETTIN stellte in diesen knapp 200 Jahren alle sächsischen Churfürsten - insgesamt waren es nur acht (spricht für die Gesundheit der regierenden Häupter in Sachsen!). Ich habe einfach nur Briefe aneinandergereiht, die an die jeweiligen Amtsinhaber gerichtet waren:

Erster in dieser Reihe war Churfürst Johann Georg I (Regierungszeit 1611 - 1656). Der Brief an ihn datiert aus 1640, also genau aus der Zeit, in der Sachsen am stärksten unter den Kriegsereignissen litt - die Schweden verwüsteten große Teile des Landes.



Ihm folgte sein 1613 geborener Sohn Johann Georg II (Regierungszeit 1656 - 1680). Die beiden Briefe an ihn sind datiert 1667 und 1670 - die attraktiv gestalteten Ergebenheitsadressen muss ich nicht jedesmal transkribieren; hier einmal als Beispiel für alle:

"Dem Durchlauchtigsten Hochgebohrenen Fürsten und Herrn, Herrn Johann Georgen dem Andern, Herzogen zu Sachßen, Jülich, Cleve und Bergk, des heiligen Römischen Reichs Erzmarschalln und Churfürsten, Landtgraffen in Thüringen, Marggraffen zu Meißen, auch Ober- und Niederlaußiz, Burggraffen zu Magdeburgk, Graffen zu der Mark und Ravensbergk, Herrn zu Ravenstein, meinem gnädigsten Churfürsten und Herrn"



Nach seinem Tode 1680 wurde sein Sohn Churfürst von Sachsen - und er hiess - ei verbibbsch - schon wieder Johann Georg, logischerweise der III. Er regierte nur elf Jahre, bis 1691, und gehörte zu den bedeutenden Militärstrategen seiner Zeit. Auf dem Kriegsschauplatz, bei der Belagerung von Mainz, erkrankte er an der Pest und verstarb im Alter von 44 Jahren in Tübingen. Der abgebildete Brief (1883) war Ansatzpunkt zu dieser kleinen Dokumentation - er trägt links oben auf der Textseite den ersten sächsischen Impost, der 1682 per Dekret beschlossen worden war und völlig untypisch keine Wertangabe trägt! (Wer an solchen Teilgebieten Freude und Interesse hat, dem seien die vorzüglichen Handbücher von Wolfgang Morscheck in Bad Säckingen ans Herz gelegt - kurz googlen führt auch auf seine liebevoll gemachte Internetpräsenz!). Dieser Fiskalstempel wurde ab 1700 von einer Vielzahl weiterer, in zahlreiche Wertstufen und Klassen unterteilte Signetten abgelöst, die sich auf nahezu allen Briefen mit amtlichen Charakter finden.




Noch kürzer als er regierte sein ältester Sohn - na klar - Johann Georg IV. Er starb unter geheimnisvollen Umständen bereits im Alter von 26 Jahren nach nur drei Jahren Regierungszeit (1691 - 1694) - offiziell an den Blattern, inoffiziell wurde gemunkelt, er sei vergiftet worden. Belege zu ihm sind entsprechend rar - hier ein Brief an ihn aus dem Jahre 1693:



Da die kurze Ehe Johann Georgs IV kinderlos war, wurde sein Bruder zum Nachfolger als Träger der Churfürstenwürde - und damit betritt ein Grosser die Bühne der Weltgeschichte: Friedrich August I. von Sachsen, häufig August der Starke genannt. Er war nicht nur Churfürst von Sachsen (1694 - 1733), sondern (unter dem Königsnamen August II. von Polen) ab 1697 auch Großherzog von Litauen und König von Polen. Briefe an ihn sind auf Grund der langen Regierungszeit recht häufig - da ich sie in einem anderen Sammlungsteil aufbewahre (mea culpa), kann ich leider hier eine Ergebenheitsadresse nicht präsentieren. Als Ersatz nur ein Brief von ihm mit dem Briefkopf, der nun (1732) logischerweise den Titel des "Königs in Pohlen" mit aufnimmt:



Warum er den Beinamen "der Starke" erhielt, lag unter anderem auch an der Zahl seiner Maitressen und den Unmengen der mit diesen gezeugten Kinder; Prinzessin Wilhelmine von Preussen unterstellte ihm gar 354 (!) Nachkommen. Diese Zahl ist sicherlich unrealistisch, immerhin erkannte er 8 uneheliche Kinder offiziell an. Ehelich dagegen hatte er nur einen einzigen Sohn, der ihm 1733 auf dem Thron nachfolgte - Friedrich August der II von Sachsen, Regierungszeit 1733 - 1763, (bzw. Friedrich August III. von Pohlen). Die Adresse auf diesen beiden Briefen aus dem Jahre 1740 resp. 1744 sind im Übrigen völlig gleich wie Adressen an August den Starken - beide trugen ja die identischen Titel inklusive den des polnischen Königs:



Hier müsste nun eigentlich ein Brief abgebildet werden, der an Churfürst Friedrich Christian von Sachsen gerichtet ist - aber - was wäre eine Zusammenstellung ohne Lücke?! Ich kann einen solchen Brief leider nicht zeigen - sie sind selten zu finden und das erklärt sich aus der extrem kurzen Amtszeit. Friedrich Christian regierte nur ganze 74 Tage (1733)! Stellvertretend für ihn regierte bis zur Volljährigkeit seines Sohnes Friedrich August offiziell seine Gemahlin Maria Antonia von Bayern; tatsächlich aber wurden die politischen Geschäfte geführt durch seinen Bruder Franz Xaver, Prinz von Sachsen und Prinz von Polen, mit dem Titel "Administrator von Sachsen". Einen Brief an ihn wiederum vermag ich zu zeigen, er datiert aus dem Jahre 1768, unmittelbar vor Übergabe der Amtsgeschäfte an den im Dezember des Jahres volljährigen Friedrich August III:



Und damit gelangen wir zum letzten sächsischen Churfürsten überhaupt, seit 1763 offizieller Nachfolger seines Vaters, aber erst ab Dezember 1768 gemäss der goldenen Bulle zu Amtsgeschäften fähig. Friedrich August III. Er regierte als Churfürst bis 1806, bevor durch das Arrangement mit Napoleon Sachsen die Königswürde einführte; danach regierte er weitere 21 Jahre bis 1827 als erster König Sachsens unter dem Königsnamen Friedrich August I., genannt "der Gerechte". Die beiden Briefe an ihn (aus dem ersten bzw. dem letzten Jahr seiner Churfürstenzeit, 1769 und 1805) bilden zugleich den Abschluss dieser kleinen Exkursion in die Geschichte Sachsens.



Wenn der eine oder andere Leser durch die Belege und die wenigen Erläuterungen erneut oder auch erstmals Spass an dieser Sparte der Vorphilatelie gewonnen hat, dann sind die zwei Stunden, die ich jetzt vor dem Computer verbracht habe, gut angelegte Zeit. Wie immer und nach wie vor gilt, dass ich evtl. entstehende Fragen gerne beantworte, soweit ich dazu in der Lage bin. Und lasst Euch nicht abschrecken von Namen und Zahlen - fast alles in diesem kleinen Exkurs lässt sich von jedem Laien innerhalb weniger Minuten im Internet "ergooglen"!

Schöne Grüsse an alle Forenmitglieder - Rolf
 
Quelle: www.philaseiten.de
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