Thema: Baldwin's Coins & Stanley Gibbons in der Strand Collectibles Group vereinigt
Carolina Pegleg Am: 10.07.2009 19:34:13 Gelesen: 97012# 45@  
@ Lars Böttger [#42]

Hallo. Es bleibt interessant.

1. Das charakteristische bei einem Termingeschäft ist dass die Abwicklung des Vertrages (Lieferung, Abnahme, Zahlung) zu einem später vereinbarten Termin erfolgt. Es gibt keine versprochene Rendite. Man hat nichts in der Hand und hofft darauf, dass man die versprochenen Waren später billiger beschaffen kann, als man es heute versprochen hat. Vorliegend erfolgt die Abwicklung am Tage der Investition. Der Investor erwirbt bestimmt Marken, kann sie mit nach Hause nehmen, wenn er will, und erhält eine vorab versprochene Mindestverzinsung, wenn er sich entscheidet die Marken zurückzugeben (oder hat verschiedene andere Optionen). Die Firma trifft jedes Jahr Rückstellungen, auf den Fall, dass die Mindestverzinsung in Anspruch genommen wird. Wenn die Firma Pleite geht, gehören dem Investor immer noch die Marken. Sonst noch Parallelen zum Warentermingeschäft?

2. Natürlich wendet SG International GAAP (IFRS) an. Darauf bezogen sich meine Aussagen. Die Anwendung von IFRS ist seit ein paar Jahren für börsennotierte Firmen in der EU so vorgeschrieben. Ich hatte aber zuvor auch in die Bilanz von SG geschaut, um zu sehen, nach welchen Buchhaltungsregeln die Bilanz erstellt und geprüft wurde. Mit den nationalen GAAP (UK, German GAAP etc.) kenne ich mich nicht so aus; könnte mich zur Not so durchhangeln. US GAAP kenne ich mich ganz gut, mit IFRS ordentlich aus. Unter IFRS wird das Inventar -- wie schon gesagt -- zum niedrigeren Wert von Erwerbskosten und Realisierungswert geführt; unter US GAAP ist es der niedrigere Wert von Erwerbskosten und Wiederbeschaffungskosten, allerdings mit bestimmten Korrekturen, so dass beide Methoden sich im Ergebnis sehr ähnlich sind. Einen SG-hauseigenen Impairmenttest -- für alle: die Methode mit der festgestellt wird ob ein Buchwert noch dem Marktwert entspricht -- gibt es nicht.

3. Ich verstehe den Zusammenhang nicht ganz. Wenn SG sein Inventar an Briefmarken liquidieren müsste, dann würde sicher weniger dafür gezahlt als der Buchwert. Ist es das was Du meinst? Das trifft jede Konkurssituation zu. Es ist vollkommen klar, dass jede Firma Pleite gehen kann. Schutz bringt nur eine weitgefächerte Anlage. Im konkreten Fall ist das Risiko eines Totalausfalls dadurch gemindert, dass dem Investor die Marken gehören. Diese Marken sind immerhin Unikate. Direkt verliert der Investor im Konkurs nur die versprochene Verzinsung. Einen indirekten Effekt gibt es wenn auf einmal durch die Liquidation von SG "massenhaft" Marken auf den Markt kämen, und es zu einem Preisverfall bei klassischen Marken kommt. Aber selbst dann hat der Investor immer noch etwas in der Hand. Ich will das Risiko nicht schön reden. Im Gegenteil. Wer will schon dass seine für 10,000 erworbenen Marken jetzt nur noch 2,000 wert sind. Man muss aber auch sehen, dass bei einer Vielzahl anderer Investitionen Anleger im Falle einer Insolvenz einen vollständigen Verlust erleiden.

4. Ich habe sowohl von dem Kleinsparer, als auch von potentiellen institutionellen Anlegern gesprochen und in welcher Konstellation für wen eine Anlage in Briefmarken möglicherweise sinnvoll sein kann. Es trifft also nicht zu, dass "wir NICHT über Investoren, die mit einem Milliardenvermögen eine Diversifizierung suchen, sondern über Kleinsparer, die etwas mehr Verzinsung möchten, reden". Ich habe über beide gesprochen, und ich denke, dass hier alle das auch so verstanden haben.

Betreff "gelutschte Drops" ist ebenso ein Schlagwort wie "Schweinebäuche". Ich weiss, dass meine Diskussion nicht so eingängig ist wie solche Verallgemeinerungen. Ich finde den Ausdruck auch ganz witzig. Was diese Anlage hier aber mit den Aktien-Neuemissionen von T-Online und Infineon zu tun hat, kann ich nicht verstehen. Es wird hier alles kreuz und quer durcheinander geworfen. Die Anlage, um die es hier geht, hat mit Infineon oder T-Online Aktien -- man glaubt es kaum -- noch weniger zu tun als mit Schweinebäuchen.

Im Prinzip können wir also nach nun 40+ Beiträgen den Charakter der Anlage humorvoll so zusammenfassen: Aufgezogen wird das "Pyramidenschema" von einer AG (!). Sie leiht Geld zu ca. 5% und bildet Rückstellungen auf die Zinszahlung. Für das Gesamtvolumen der auszugebenden Briefmarkenanleihen bestehen vorab bestimmte Limits, die sich nach Grösse und Liquidität der Firma richten. Weiter werden für die Anlagen seitens des Aufsichtsrates aktiv die Genehmigung durch die Bankenausicht gesucht, um die Anlagen als regulierte Anlagen besser vermarkten zu können. Dies beides widerspricht zwar der Idee eines Pyramidenschemas, aber um das genau zu verstehen müsste man sich auch genauer damit beschäftigen, und es ist "vollkommen klar" dass das hier genauso läuft wie AFINSA oder H.C. Schwenn und zu dem, der tiefer einsteigen will, kann man leider nur sagen: None are so blind as those who will not see und damit basta.
Die eingeworbenen Anlagegelder werden sodann in die Firma investiert (Expansion, Kauf von Inventar). Durch den Handel mit Autogrammen und Briefmarken sowie die Herstellung von Katalogen wird ein return on capital von etwa 20% erwirtschaftet. Daraus zahlt die Firma den Aktionären eine Dividende. Nach Ablauf der Anlagefrist können Investoren ihr Geld zurückerhalten (plus Verzinsung) oder nehmen an etwaigen (unsicheren) ausserordentlichen Wertsteigerungen teil. Das "Pyramidenschema" funktioniert so ähnlich wie ein "Warentermingeschäft" oder die "gelutschten Drops von Infineon", denn jeder Aufleger eines "Fonds", will schliesslich leben. Deshalb gibt es nur einen Gewinner und viele Verlierer.

Noch Auszug aus dem Jahresabschluss 2008:

"The biggest challenge we face in the sale of our various investment products is to overcome the unwillingness of the majority of financial institutions and Independent Financial Advisers to promote an unregulated investment product.
A solution to this problem is to launch a regulated investment fund. During 2008, we had various discussions with banks and fund managers to establish their interest in establishing a rare stamp investment fund under our management. Our aim is to achieve a successful fund launch during 2009."

Wenn SG eine der Bankenaufsicht unterliegende "regulierte" Anlage in Briefmarken auf die Beine stellt, wäre das Neuland. 2009 ist vorbei. Müssen wir mal sehen ob es 2010 was wird. Am Inhalt des Investitionsprospektes, insbesondere an der darin vorgeschriebenen Diskussion der Risiken, besteht sicher allgemeines Interesse (wenn es dann soweit ist).
 
Quelle: www.philaseiten.de
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