Thema: (?) (2894) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 09.05.2018 09:37:04 Gelesen: 773455# 1257@  
Liebe Freunde,

etwas "off topic", aber hoffentlich doch ganz interessant zu sehen und zu lesen, wie ich finde.

Viele Anfänger der Postgeschichte des 19. Jahrhunderts wundern sich immer wieder, wie die Post Briefe zustellen konnte, deren Adresse nach heutiger Auffassung als äußerst dürftig angesehen werden kann. Sei es, dass ein Massenname wie Müller oder Mayer nur mit abgekürztem Vornamen da steht, sei es, dass Firma Schulz in München ohne Adressangabe notiert wurde, oder gar eine sogenannte N. N. - Anschrift gewählt wurde ("nomen nescit" = Namen weiß ich nicht) und, zur Verwunderung aller, die große Masse dieser Briefe konnte scheinbar problemlos zugestellt werden, jedenfalls sind Retouren auf Grund mangelhafter Adressangabe recht selten und wären in weit höherem Maße zu vermuten, hätte es die heutige Post mit dergleichen Schlampertheiten zu tun.



Heute zeige ich eine Aufenthalts = Karte aus München vom 7.12.1865 von der dortigen Polizei - Direktion, welche für einen Herrn Isidor Schreyer, Rechtspraktikant aus Waltershof (heute: Waldershof, östlich von Bayreuth gelegen) ausgestellt wurde. Selbiger war dunnemals 26 Jahre jung, katholisch und ledig (der Glückliche!). Als Wohnungsangabe wurde notiert: Dachauerstr. (richtig: Dachauer Str.) No. 63/3 (also im 3. Stock, oder auf der 3. Stiege) b(ei) Bernlochner.

Auch der Zweck des Aufenthalts war anzugeben: Praxis. Die Befristung war auf ein Jahr festgelegt, so dass diese Aufenthaltskarte am 7.12.1866 auslaufen würde. Nach Ablauf der Gültigkeit war jeder Inhaber dieser Karte verpflichtet, die Verlängerung beim Fremden - Büro rechtzeitig zu veranlassen. Jedwede Übertretung wurde nach den Bestimmungen des Polizei - Straf - Gesetzes geahndet und im Gegensatz zu heute dürfte das kein Zuckerschlecken gewesen sein.

Gelegentlich finden wir Briefe oder Postkarten, die den Satz: "Selbst mit Hilfe der Polizei nicht zu ermitteln" aufweisen, nämlich dann, wenn die Post ein Poststück nicht zustellen konnte und sich an die Polizeibehörde wendete. Diese brauchte nur die Aufenthaltskarten zu überprüfen und konnte dann sehen, wo ein "Zuagraßda" wohnte - hier bei Bernlochner also, wenn das nicht auf der Adresse spezifiziert worden war.

Gott-sei-Dank hat sich seit einigen Jahren herum gesprochen, dass auch solche Peripherie - Belege (meine Erfindung, es mag bessere Ausdrücke dafür geben) zu einer postgeschichtichen Sammlung gehören, zeigen sie doch Gründe für das Finden oder Nicht - Finden von Empfängern auf, die sonst im Dunkeln zu liegen haben müssten.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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