Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 23.06.2018 12:10:32 Gelesen: 276177# 279@  
Liebe Freunde,

bisweilen sehen wir Briefe, bei denen im Firmenstempel des Absenders das Wort "franco", "Frei", "franquirt" oder Ähnliches steht. Der Grund dürfte mit der Änderung der Gebührenstruktur vom 1.8.1850 zusammen hängen, als plötzlich und zum ersten Mal in Bayern und im ganzen Postverein Briefe, wenn man sie nicht frankierte, wesentlich teurer wurden und zwar um 3 Kreuzer je Loth und Entfernungsstufe.



Als der Postverein mit dem 1.1.1868 zu existieren aufgehört hatte, wurde es gar noch drastischer, denn gewöhnliche Frankobriefe kosteten nun 3 Kreuzer, dieselben unfrei aber 7 Kreuzer, so dass hier eine Steigerung der Frankorate von 133% vorlag, was wohl auch die allermeisten Korrespondenten dazu brachte, endlich Marken in die Hand zu nehmen und ihre Post damit zu bekleben, wie es die Postverwaltungen schon seit 1850 wünschten.

Ein Brief aus dem lieblichen Lindau im Bodensee vom 8.6.1869, Absender war die Firma J. G. Wartmann, wurde an die Firma J. Michael Wild Sohn in Plössberg/Oberpfalz frankiert verschickt. Im Inhalt desselben schreibt der Lindauer folgendes:

"Als Erwiderung auf Ihr Geehrtes v(om) 24. Mai pto = Porto ersuche ich Sie heimit mir als Probe ...".

Der Plössberger hatte also ein Schreiben nach Lindau unfrankiert abgehen lassen, welches im 1. Gewicht 7 Kreuzer, über 1 Loth sogar 11 Kreuzer gekostet haben musste. Diese waren dem Lindauer übel aufgestossen, denn er wollte nicht die o. g. 133% Aufschlag bezahlen. Da der Plössberger von 3 Artikeln sogar Proben schicken sollte, wollte man damit sicher gehen, dass diese frankiert abgesandt würden, um nicht noch mehr Postporto zahlen zu müssen.

Der sanfte Hinweis im Firmenstempel "fo" für franco und die entsprechende Angabe im Briefinhalt selbst dürften dafür gesorgt haben, dass man nun auch in Plössberg nur noch frankiert nach Lindau verschickte.

Weil sich Herr Sem mit einem Befund viel Mühe gegeben hat, wiederhole ich den Tenor desselben hier ganz kurz: PF XXVII (laut Vogel) = rechts unten Durchbalkung der "3". Schön, dass es diese Zugabe noch gab, genommen hätte ich ihn in jedem Fall auch ohne den Plattenfehler.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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