Thema: Philatelie in der Presse
Richard Am: 22.11.2007 10:29:07 Gelesen: 1330687# 45@  
Viel Geld für eine halbe Briefmarke

Münchner Merkur, Taufkirchen (19.11.07) – Ein 145 Jahre alter, sehr wertvoller Brief aus Taufkirchen wird demnächst in der Schweiz versteigert.

Die Anschrift bedeckt fast die gesamte Vorderseite des sauber gefalteten Briefs. Sie benötigt gut sechs Zeilen: ,,Sr. Excellenz dem Hochwürdigsten Hochwohlgeborenen Herrn Herrn Gregor, Erzbischof von München=Freysing Reichsrath Commenthur des Civil=Verdienst=Ordens der bayer. Krone pp. Meinem gnädigsten Herrn in München". Zur Zeit des hier angesprochenen Gregor von Scherr, Oberhirte der Diözese von 1856 bis 1877, hatte man den Wildwuchs bei solchen Ergebenheitsadressen bereits beschnitten. Der Brief ist ein gedrucktes Formular, und die Vielzahl von weiteren Titeln und Orden versteckt sich hinter einem diskreten ,,pp".

Solche ,,Bischofsbriefe" sind bei Sammlern begehrt, aber nicht extrem selten. Anders als der Brief, um den es hier geht. Er wird Anfang Dezember beim Schweizer Auktionshaus Corinphila in Zürich versteigert. Ausruf: 20 000 Schweizer Franken. Viel Geld für etwas Altpapier? Der Grund für den stolzen Preis klebt links unten: Eine braune Marke im Wert von sechs Kreuzern. Genau genommen sogar nur die Hälfte einer Marke. Sie wurde fein säuberlich diagonal durchgeschnitten. Und das macht sie so interessant.

Taufkirchen zählte 1862, dem Jahr, in dem dieser Brief aufgegeben wurde, eine Kirche, eine Schule, das Wasserschloss und ­ seit dem 1. Mai 1848 ­ eine Postexpedition sein eigen. Reich wurde der Expeditor allerdings nicht, denn Briefe versenden war kompliziert und teuer.

Als der hier vorgestellte Brief am 29. September 1862 den Postschalter erreichte, hätte er mit einer der blauen Drei-Kreuzer-Marken beklebt werden müssen, von denen 76 Millionen Stück gedruckt worden und die daher reichlich vorhanden waren. Nur nicht mehr in Taufkirchen. Sie waren dem Expeditor ausgegangen und nicht rechtzeitig nachbestellt worden. Anscheinend waren auch keine Ein-Kreuzer-Marken mehr vorrätig, sonst hätte man eben drei davon verkleben können.

Guter Rat war teuer. Übers Ohr hauen wollte der Expeditor seinen Kunden auch nicht, indem er ihm einfach eine der noch vorhandenen Sechs-Kreuzer-Marken unterjubelte. Auch duldete der Staat keinen Schwindel. Jede Marke musste abgerechnet werden. In einer solchen Zwickmühle gab es einen Ausweg, den die Postverwaltung zwar nicht gerne sah, aber sie duldete: Man halbierte eine Sechs-Kreuzer-Marke, klebte sie auf den Brief, entwertete sie mit dem Mühlradstempel und schlug dazu noch den Ortsstempel ab.

Und so kam es, dass aus einem Brief, der normalerweise zweihundert Euro wert gewesen wäre, eine Rarität wurde, die ein Vielfaches kostet: Nicht nur einer der ohnehin schon überaus seltenen Briefe mit einer halbierten Marke, sondern der einzige ,,Bischofsbrief" überhaupt, der mit einer solchen Notmaßnahme aufwarten kann.

(Quelle: http://www.merkur-online.de/regionen/dorfen/Taufkirchen-Brief-Versteigerung-Briefmarke;art8851,861285)

Ein erstklassiges Sammlerstück: Der Briefumschlag wird demnächst in der Schweiz versteigert. Foto: Corinphila Auctions AG


 
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