Thema: Saalauktionen: Ergebnisse viel zu niedrig - wer ist schuld daran ?
olli0816 Am: 08.08.2018 15:39:44 Gelesen: 30302# 84@  
Hallo Karl,

der Briefmarkenmarkt ist, was die Verkaufswerte betrifft, ziemlich geteilt. Fakt ist, dass neuere Sammelgebiete, die früher sehr viele Menschen gesammelt haben und deren Sammelbasis immer kleiner wird, heute ganz schlechte Preise erzielen. Wenn man sich die Auktionskataloge namhafter Anbieter anschaut, kannst Du z.B. eine DDR 1949 bis 1990 postfrisch komplett heute für ca. 500 EURO + Aufschlagsgebühren bekommen. Trotzdem bleiben viele Standardsammlungen liegen. Selbst ältere Gebiete wie Generalsammlungen Deutsches Reich gibt es im Überfluss und wenn einige Auktionshäuser versuchen, diese zu verramschen, bleibt einiges liegen. Bund oder Berlin ist in vielen Jahrgängen so gut wie unverkäuflich. Sicherlich ist das für viele Erben und alte Sammler, die früher sehr viel mehr Geld ausgegeben haben eine Enttäuschung und das resultiert in den von dir angesprochenen "miesen Preisen". Nur warum sollte ein vereinzelter Bieter, dem zwanzig gleichwertige Sammlungen angeboten werden, die sonst keiner kaufen mag, einen guten Preis zahlen? Das ist nicht logisch.

Andererseits machen die Auktionshäuser immer mehr Umsatz. Das liegt an der an anderen Hälfte gesuchter Marken, die aber gemessen am Gesamtmarkt nur einen kleineren Teil ausmacht. Selbst häufige Marken wie ein schwarzer Einser und selbst eine Basler Taube (da gibt es sogar erstaunlich viele Briefe mit dieser Marke) erreichen hohe Ergebnisse, weil diese nach wie vor begehrt sind und einige Leute dort ihr Geld "verstecken". Briefmarken im Wert von 100.000 EURO kann man halt mal unter der Hand dem Erben weitergeben, ohne das der Fiskus was merkt. Vieles sehr seltenes hat mehrere Interessenten und diese treiben die Preise hoch, obwohl der normale Sammler das gar nicht kennt. Die Situation kann sehr schnell kippen, wenn einige aufhören mit dem Sammelgebiet oder wegsterben. Trotzdem denke ich, dass es immer eine Anzahl Marken gibt, die hohe Preise erzielen. Gerade die klassischen Gebiete bieten sich dafür an und die Anzahl möglicher Marken ist sehr begrenzt. Selbst die häufigste Marke von Braunschweig ist nicht häufig. Gut, dieses Sammelgebiet ist nicht populär, von daher kann man sich heute diese Marken bis auf die ganz seltenen durchaus zusammenkaufen. Und wenn Braunschweig tatsächlich aus irgend einem Grund populär werden sollte, werden diese Marken recht schnell unerschwinglich. Das gleiche gilt für sehr viele Gebiete und wenn man ganz krasse Entwicklungen wie z.B. China anschaut, werden selbst Marken mit hohen Auflagen auf einmal teuer. Der hässliche Affe aus China - Jahr des Affen Michel 1594 - hatte immerhin eine Auflage von 5 Millionen. Viele Chinesen haben das Briefmarkensammeln und vor allem die Spekulation damit entdeckt und deswegen kostet die laut Michel 2.800 EURO ungestempelt. Und das ist keine Marke, die Du für 10% Michel bekommst im Gegensatz zu Bund Jahrgang 1960, wo 10% selbst in bester postfrischer Erhaltung einfach nur utopisch ist.

Zum anderen: Was willst Du von Marken erwarten, die mit 5 bis 30 Millionen Exemplaren gedruckt wurden? Wir haben 80 Millionen Einwohner und nur ein Bruchteil der Leute mit abnehmender Tendenz sammelt. Da ist es einfachste Mathematik, dass da nichts besonderes bei herauskommt. Was die Abonnenten der Post heute betrifft, kann es sogar sein, dass die ganz gut unterwegs sind. Die Auflagen sind sehr viel niedriger und ich schätze, das gut gestempelte Marken und Briefe mit Ausgaben ab ca. 2010 bis heute sehr selten sind. Je näher an die Gegenwart, desto seltener, weil der Bedarf an Briefe schreiben kontinuierlich zurück geht und die Post immer mehr Verfahren hat, um Briefmarken zu vermeiden. So traurig es klingt: Wir brauchen effektiv heute keine Briefmarken in alter Form mehr. Das Thema ist für den praktischen Gebrauch zwar noch nicht ausgestorben, aber der einzige Grund dafür ist, dass die Post noch genug Geld damit verdient, um es aufrecht zu erhalten. Aber selbst das ist ein Witz heute: Versuchen doch nicht wenige Länder, mit Blockausgaben in Miniauflagen und irrwitzigen Preisen zusätzlich Kasse zu machen, indem sie den Instinkt und die Gier einzelner Sammler ansprechen, diese zu erwerben. Frankreich als Beispiel die Blöcke 366 und 367 von 2017. Der Block 366 hat 330.000 Stück Auflage, eine normale Größe, die meisten haben etwa 400.000 Stück. Dagegen der Block 367 hat eine Auflage von 42.000 Stück, also eine künstliche Verknappung. So etwas machen sehr viele Postanstalten und natürlich machen sie damit das Sammeln von modernen Gebieten kaputt. Die Postanstalten suggerieren einen Wert, der gar nicht vorhanden ist, weil es inzwischen keinen mehr kratzt. ob die 7.000ste Marke oder der 500ste Block des Landes eine Miniauflage hat. Von daher kann man leider konstatieren, das ein Mitgrund der miesen Preise bei modernen Gebieten der Ausgabepolitik selbst ehedem seriöser Gebiete, die inzwischen Raubstaatencharakter haben, mit verschuldet ist.

Zu deiner Frage des Verkaufs: Besitzt Du etwas, was früher alle gesammelt haben, bekommst Du dafür wenig Geld. Bund Jahrgänge z.B. 1970 bis 1980 ist wertlos. ETBs aller Jahrgänge sind wertlos. Und das gilt für vieles. Um noch etwas zu bekommen, ist dein Weg z.B. über Vereinzelung der beste, den Du gehen kannst. Du wirst trotzdem nicht sehr viel dafür bekommen.

Für mich persönlich ist die Situation dagegen richtig gut. Wenn ich Geld anlegen will, kaufe ich keine Briefmarken, sondern Aktien. Das trenne ich. Alles was ich für Briefmarken ausgebe ist für mich als Wert nicht mehr vorhanden. Wenn man sich an dem Gedanken gewöhnt hat, wird man später nicht enttäuscht. Dafür bekomme ich für das gleiche Geld heute wesentlich mehr Briefmarken. Was will ich mehr?

Wer Briefmarken für das Alter gekauft hat, um seine Rente aufzubessern hat auf das falsche Pferd gesetzt. Manchmal verliert man und manchmal gewinnen die anderen.

Trotzdem viel Spaß beim Veräußern. Das ist ja auch eine nette Beschäftigung und ich habe bereits auch einiges an doppeltem einzeln verkauft.

Grüße Oliver
 
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