Thema: Alliierte Besetzung Gemeinschaftsausgaben: Michel streicht 919 F aus Katalog
Richard Am: 05.10.2018 09:12:25 Gelesen: 38482# 5@  
Liebe Mitglieder,

selten haben wir auf einen Beitrag im aktuellen Philaseiten Brief eine so starke Resonanz wie auf den zur Streichung der 919 F aus dem aktuellen Michel Katalog.

Leider haben mehrere Prüfer von BPP und VP einer Veröffentlichung ihrer Texte nicht zugestimmt, ebenso wie Mitglieder der betreffenden Arbeitsgemeinschaft.

Zugestimmt hat jedoch unser Mitglied Christian Geigle, Präsident des BPP - vielen Dank dafür.

---

Sehr geehrter Herr Ebert,

zum Thema 919 F:

Diese "Fehlfarbe" wurde vor einigen Jahren vom BPP (Verbandsprüfstelle/Herr Straub und mir) untersucht. Es gab schon länger den Verdacht, dass es sich um eine Folienverfärbung durch PVC-Folien handeln könnte.

Es wurde über einen längeren Zeitraum eine umfangreiche Registratur aller erreichbaren, ARGE-geprüften Stücke angelegt. Die Farbunterschiede innerhalb der 919 F waren enorm, vor allem aber tauchten gestempelte Exemplare in größerer Zahl quer durch ganz Deutschland auf, nicht nur an einigen wenigen Postorten, wie das bei seltenen Marken üblicherweise der Fall ist. Es gab auch immer nur ein einziges Stück aus dem jeweiligen Postort.

Der Höhepunkt war ein ziemlich zerfledderter, astreiner Bedarfs-R-Brief von Berlin nach Breslau, der angeblich mit 2 x 919 a, 3 x 919 b und 1 x 919 F frankiert war. Ein Bedarfsbrief, bei dem aus drei verschiedenen Bogen rote 12-Pfennigmarken verklebt wurden - wie absurd ist denn diese Vorstellung! Die Marken sind schön fleckig, unterschiedlich von PVC "gezeichnet" und deshalb 2005 von der ArGe als "echt" bestimmt.

Meine Registratur umfasst ca. 100 Stücke. Der Erkenntnisgewinn beim Durcharbeiten ist enorm: Die 919 F kann es so nicht geben! Es handelt sich stets um eine Verfärbung aus einer ganz normalen 919, die vielleicht auch ohne äußeres Zutun erfolgt, weil die Druckfarbe nicht stabil ist. Gestützt wird diese These durch die Tatsache, dass die gestempelten Marken alle sehr früh sind, also den ersten Auflagen entstammen.

Ein Selbstversuch der Verbandsprüfstelle des BPP ergab eine blitzsaubere "Produktion" von 919 F. Ein halber Bogen 919 a ** wurde in nagelneue PVC-Blattschutzhüllen eines deutschen Herstellers gepackt, luftdicht verschlossen und mit einigen Alben beschwert für ein halbes Jahr bei Zimmertemperatur gelagert. Die zweite Hälfte des Bogens kam zu Kontrollzwecken in einer Pergaminhülle in den Tresor. Beim Auspacken zeigte sich bei den PVC-umschlossenen Marken eine deutliche Dunkelfärbung hin zur 919 F, die Kontrollmarken waren unverändert rot. Offensichtlich ist die Dunkelfärbung von der Lagerdauer, aber auch dem Anteil an Schwefel-Stabilisatoren in den angeblich "weichmacherfreien" PVC-Folien abhängig. Die Braunfärbung bei Rottönen unter PVC-Folien kennen wir zu Genüge von etlichen Marken des Deutschen Reiches, aber auch bei Bund- und Berlin-Frühausgaben. Beispiele habe ich in einem schön öfter zitierten Vortrag gebracht. Sie sind unter Fachleuten unstrittig.

Interessant ist, dass die letzte 12 Pf.- Parteidienstmarke (Mi.-Nr. D 161) ebenfalls in allen Schattierungen von leuchtendrot bis mittelbraun vorkommt. Vermutlich wurde sie mit derselben (instabilen) roten Farbe gedruckt. Von einer D 161 F ist mir nichts bekannt, wohl aber vom Ärger der Sammler über verfärbte Marken in Lindner- und SAFE-Vordruckalben mit PVC-Folienblättern.

Die Entscheidung, die 919 F als "nicht bestimmbar" aus dem Katalog zu nehmen, war richtig. Es hätte schon viel früher passieren sollen, aber anscheinend haben interessierte Kreise unsere Erkenntnisse nicht wahrhaben wollen und wollten ihre "Schätze", für die sie (leider) einmal viel Geld bezahlt haben, retten. Das kann ich ja subjektiv nachvollziehen, aber es dient nicht der Wahrheitsfindung. Jetzt daraus eine "Verschwörungstheorie des BPP gegen die ArGe" zu konstruieren ist schon ein bißchen übertrieben. Ebenso unverständlich ist es für mich, dass der Farbenbestimmer der ArGe, Herr Bernhöft, auch in 2018 wider alle heutigen Erkenntnisse Prüfbefunde zu angeblichen 919 F verfasst. Das sollte Herr Dr. Ostermann einmal kritisch hinterfragen. Ich helfe ihm dabei gerne mit meinem Archivmaterial.

Mit freundlichem Gruß,

Christian Geigle
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/11892
https://www.philaseiten.de/beitrag/187819