Thema: Österreich: Altbriefe bestimmen und bewerten
bayern klassisch Am: 16.10.2018 11:05:35 Gelesen: 49371# 115@  
@ Franz88 [#114]

Hallo Franz,

da hast du eine ganz besondere Vorderseite an Land gezogen - und ich erzähle dir auch gleich, warum.

Anschrift: An ein löbliches K. Justizamt Pegau in Sachsen. Das 2. "K" wurde gestrichen, weil Sachsen nur Königreich war, nicht kaiserlich + königlich. 2 "K" zu schreiben war die Macht der Gewohnheit.

Über den Marken links steht: Mit -1- Wanderbuch.

Das ist natürlich großes Kino, dass man einen der ganz wenig erhaltenen Briefe mit einem Wanderbuch zeigen kann - in 40 Jahren intensiver Altdeutschland - Postgeschichte kenne ich keine 10 Stück davon - klasse Kauf von dir !!!

Der Brief war recommandirt, so dass auf der heute nicht mehr vorhanden Siegelseite einst eine 10 Neukreuzer Marke für die Recogebühr verklebt worden war.

Nun zur nächsten Besonderheit: Oben links steht: 5 13/20 L(oth) für das ermittelte Gewicht.

Da die Entfernung Prag - Pegau über 20 Meilen (also über 150 km) betrug, hätte das Franko für einen einfachen, unter 1 Loth wiegenden Brief schon 15 Neukreuzer (Nkr.) betragen. Angefangene Lothe kosteten immer auch den einfachen Satz, so dass dieser Brief mit über 5 bis unter 6 Loth in der 6. Gewichtsstufe lag, wofür hätten 6 x 15 = 90 Nkr. frankiert werden müssen. Man hat aber nur 75 Nkr. verklebt.

Ich biete dir jetzt 2 Möglichkeiten an:

1. Die Aufgabepost hat einen Fehler gemacht und den Brief falsch gewogen und dadurch falsch frankieren lassen. Oder:

2. Die Abgabepost in Sachsen hat den Brief nachgewogen (das durfte sie) und ein fehlendes Franko von 15 Nkr. festgestellt.

Den Fehler konnte man bei einem eingeschriebenen Brief (und nur dann!) nicht dem Absender anlasten, weil die Post bei eingeschriebenen Briefen für deren korrekte Frankatur verantwortlich war (sonst nicht). Entweder hat Sachsen die Sache auf sich beruhen lassen, weil die 75 Nkr. ja komplett in die Tasche Österreichs gingen und wenn die Österreicher sich um 15 Nkr. zu ihren Ungunsten verrechneten, sollte kein Sachse 4 Neugroschen nachbezahlen müssen.

Alternativ hätte Sachsen den Frankomangel in einem "Francodefect" in der eingehenden Briefkarte festhalten können. Ob man das gemacht hat, weiß ich nicht und ich halte es auch für eher unwahrscheinlich, weil das viel Arbeit war und am Ende diese Arbeit Sachsen hatte, ohne davon zu profitieren.

Ich vermute also, dass man den Brief ohne Nachtaxe dem Empfänger aushändigte und die Sache auf sich beruhen ließ.

Generell sind unterfrankierte Recobriefe sehr selten, weil die Post selten Fehler machte, die Privaten aber recht oft.

Ein unterfrankierte Recobrief in den Postverein, dazu noch mit einem Wanderbuch (deshalb war er auch so schwer, weil das Wanderbuch (ich hatte mal 2 bayerische Wanderbücher) nicht in den Brief selbst passt und mit einem Bindfaden verschnürt dem Brief angebunden werden musste, dürfte ab ein echtes Unikat darstellen.

Danke fürs Zeigen dieser Granate und liebe Grüsse,
Ralph
 
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