Thema: Bleisulfidschäden: Die Folienproblematik in der Philatelie
Richard Am: 26.11.2007 11:43:03 Gelesen: 208720# 1@  
Die Folienproblematik in der Philatelie - Ein Problem mit Zukunft!

Von Wolfgang Maassen

http://www.sammlerstube.net - Folien sollen schützen. Wertvolles bewahren. Schätze präsentabel machen und sie damit für die Zukunft erhalten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten greifen Sammler, besonders aber auch Aussteller, deshalb gerne auf die Blattschutzfolien namhafter Hersteller zurück, um ihre nicht selten teuer erworbenen Marken und Briefe darin aufzubewahren bzw. in Exponaten einem interessierten Publikum zu präsentieren. Dabei mehrten sich in den letzten Jahren Beobachtungen, die nicht nur von statistischem Interesse sind: Selbst vor wenigen Jahren erworbene klassische Marken bestimmter Provenienz verfärbten sich unter bestimmten Aufbewahrungskonditionen in vergleichsweise kurzer Zeit, wie die Auktionatoren Peter Sem und Peter Feuser belegen konnten. Handlungsbedarf war also angesagt, der Sammler und Käufer klassischer Raritäten verlangt zu Recht Aufklärung und Hilfestellung.

Phänomene

Verfärbungen bei klassischen Marken sind nicht neu. So konnte der Sammler schon im „Lehrbuch der Briefmarkenkunde“ der Gebr. Senf (Leipzig 1905) nachlesen: „Feuchte oder verdorbene Luft wirkt auf Marken, die z.B. auf Briefen befindlich, in Briefbündeln oder Kisten derselben lange ausgesetzt sind, so zerstörend, dass eine Anzahl Marken braun, schwarzbraun bis schwarz gefärbt werden, die vorher gelb, grün, ziegelrot, blau usw. waren. Verdorbener Klebstoff greift oft derart an, dass die Farben für immer verloren sind, ja, was noch hässlicher ist, dass die Marken gefleckt werden, ohne dass es ein Mittel dagegen gäbe. Auch der Einfluss des Tageslichtes wirkt ungünstig auf die Farben der Marken, die z.B. bei Ausstellungen, mehrere Tage ausgesetzt sind. Natürlich richten die direkten Sonnenstrahlen noch viel mehr Schaden an, indem sie nicht nur Farben-Nuancen erzeugen, sondern die Farben oft vollständig vernichten, so dass schließlich nur noch das weiße Markenpapier und, wenn einer vorhanden ist, der Entwertungsstempel als Rest des ehemaligen Postwertzeichens übrig bleiben“. (S. 345) Die Literatur, auch dies hier zitierte Werk, benennt weiterhin die Gefahren beim Waschen von Briefmarken, die bei Marken mit leicht verwischbaren Farben Unheil (Ver-/Entfärberungen) anrichten können.

So findet der Leser des MICHEL Briefmarkenkataloges Europa 1938 schon bei den bayrischen Ausgaben von 1862 den Hinweis: „Durch chemische Einflüsse schwärzlich oder grüngelb gewordene Stücke von Nr. 8 können mit Wasserstoffperoxyd gereinigt werden“. Dieser Hinweis fehlte noch in der Ausgabe von 1935, und ist in Senf- Katalogen überhaupt nicht zu finden. Allerdings findet man sie auch in neueren Katalogauflagen nicht mehr, selbst nicht im MICHEL- Spezial, wenn der Autor nichts übersehen hat. Wohl aber findet sich bei Preußen Nr. l im MICHEL-Spezial 2002 der Hinweis „Vorsicht! Die Farbe der Mi.-Nr. l neigt zu Farbveränderungen (Oxidation)“, was chemisch völlig falsch ist, denn es handelt sich um Sulfidbildung. Und schon im MICHEL 1942 (dem Autor lag die Auflage 1944/45 vor), steht bei Preußen zu lesen: „Nr. 6-13 sind zum Schutz gegen Fälschungen mit einem netzartigen weißen Unterdruck von kohlesaurem Bleioxid versehen, der bei chemischer Behandlung mit Schwefelwasserstoff schwärzlich oder bräunlich hervortritt. Durch Feuchtigkeit schwarz gewordene Nr. l, 13 und 16 können durch Wasserstoffperoxid aufgefrischt werden“. BPP-Prüfer Dr. Oechsner, von Hause aus Chemiker, meint dazu: „Sehr gut, etwas laienhaft, aber richtig! In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass in der Philatelie leider der Begriff 'Oxydation' für jede Art einer Verfärbung gebraucht wird, was meistens falsch ist. Vielfach handelt es sich um Sulfidbildungen“. Interessant ist, dass im MICHEL Spezial 2002 nun zu lesen ist: „Bei chemischer Behandlung (Schwefelwasserstoff) oder unsachgemäßer Lagerung der Marken (Feuchtigkeit) tritt er (gemeint ist der Sicherheitsunterdruck, Anm. d. Autors) schwärzlich oder bräunlich hervor. Die Verfärbung lässt sich dann nicht mehr entfernen“.

Dazu stellt Dr. Oechsner weiterhin fest: „Dieser Satz ist unsinnig, da kein Sammler seine Marken bewusst mit dem - äußerst giftigen – Schwefelwasserstoffgas behandelt. Es muss klargestellt werden, dass Schwefelwasserstoff in Spuren bei jedem natürlichen Fäulnisprozess entsteht und daher mehr oder weniger überall (besonders in Wohnräumen) vorhanden ist. Es kommt auf die Art der Lagerung an (Durchlüftung!), ob und wie weit diese Umwelteinflüsse sich schädlich auf die Marken auswirken. Die Entfernung der Verfärbungen mit Wasserstoffperoxid hängt natürlich stark vom Ausmaß der Sulfidbildung ab. Ist sie sehr groß, wird sie schlecht rückgängig zu machen sein, ohne die Marke zu beschädigen.“ Als wirkliche Hilfe erweisen sich solche Anmerkungen in den Katalogen. Wie Peter Feuser seit nun fast drei Jahren in Schreiben an Albenverleger und später auch an die Verbände nachwies, wurde es immer dringlicher, - und es war auch seit Jahren literaturbekannt (siehe z.B. ein Bericht von Erwin Friese, Schöneck, über Verfärbung von Preußen-Marken in „Preußen-Studien 65-27). Wie lauten nun die genauen Fakten? Feuser stellte eine „erschreckende Häufung von chemisch veränderten Marken der klassischen Periode bis etwa 1880 fest“. Marken dieser Zeit sind in der Regel mit anorganischen Naturfarben gedruckt, erst danach mit synthetischen organischen Farben, und folgende Veränderungen konnte er dokumentieren:

1. Bestimmte klassische Markenfarben neigen aufgrund der Farbzusammensetzung zur „Oxydation“, vor allem Orange- und Gelbtöne (typisches Beispiel: Preußen Nr. l). Bei diesen Marken reichen offenbar schon unbedeutende äußere Einflüsse zur „Oxydation“, die es zu allen Zeiten gab (siehe MICHEL-Anmerkung oben), sich aber in letzter Zeit häufen.

2. Erstausgaben, die auf farbigem Papier gedruckt wurden (z.B. bei Baden und Württemberg) wurden glasig, färbten sich vorder- und/oder rückseitig schwarz und zerstörten sich zunehmend selbst.

3. Ausgaben, die einen normalerweise nicht sichtbaren Sicherheitsunterdruck als Schutz gegen Fälschungen haben (z.B. Preußen, zweite/dritte Ausgabe) weisen plötzlich infolge chemischer Farbveränderung den Unterdruck sichtbar aus.

Als Ursache glaubte Feuser Blattschutzhüllen identifizieren zu können, die jeweils links gelocht und an drei Seiten geschlossen sind, deren Inhalt somit weitgehend von der Luftzufuhr abgeschlossen sind. Auch die seit vielen Jahren zunehmend mehr verbreiteten Alben, die durchsichtige, aber verschweißte Folien aufweisen und auf Kartonagen angebracht sind, sieht er als mögliche Verursacher dieser zuvor geschilderten Schadensphänomene. Demgegenüber fand er keine Hinweise auf chemische Veränderungen bei Lagerung des Marken-/Briefmaterials in handelsüblichen Klemmtaschen, Einsteckbüchern, bei Falzbefestigung oder bei Kartoneinsteckkarten, selbst wenn letztere mit Schutzhüllen aus Kunststoff umgeben waren. Auch Briefalben mit Kunststoffblättern, bei denen ein Zwischenblatt aus Papier eingelegt ist, selbst die bekannten Kunststoffhüllen für Briefe und Ansichtskarten zeigten solche Vorfälle nur in vereinzelten Fällen. Interessant sind Feusers Feststellungen mit Hüllen, die der Bürohandel anbietet, die ja in der Regel nicht weichmacherfrei sind, was zumindest bei modernen Marken, bei denen man Wert auf Fluoreszenzerhalten u.a. legt, eine Rolle spielt. Bei Verwendung von billigen Leitz-Blattschutzhüllen traten die geschilderten Phänomene nicht auf und vergleichbares darf wohl für die dünnen Billighüllen anderer Hersteller gelten. Ebenfalls unbekannt sind sie ihm bei herkömmlichen Falzlosalben, bei denen Marken unter HAWID-Klemmtaschen konserviert sind.

Weitere Stellungnahmen

Wolfgang Flemming, BPP-Prüfer für Preußen, sind solche Phänomene ebenfalls nicht unbekannt. Die Preußen-Marken 1,13,15, aber auch Baden Nr. 22 und Lübeck Nr. 2 haben Farbbestandteile, die sich unter bestimmten Umwelteinflüssen (falsche Lagerung und Pflege, zuviel Feuchtigkeit) verändern können. Dies hätten auch gerade die IHK-Gutachten bei Schadensfällen infolge der Flutwasserkatastrophe 2002 im Osten einmal mehr bestätigt. Dr. Oechsner sieht auch modrige Luft, die in winzigen Mengen Schwefelverbindungen enthält, als möglichen Verursacher. Kolportiert wird auch das Erlebnis eines Auktionators, der eine Sammlung als Einlieferung entgegennehmen sollte, die in einem Tresor in der Nähe des Hausschwimmbades untergebracht war. Sie war ebenso verfärbt wie eine Bogensammlung Böhmen und Mähren eines Prüfers, die infolge 99% Luftfeuchtigkeit zu einem festen Block zusammengeklebt war. Peter Sem, ein auch in der Katalogliteratur ausgewiesener Experte der Ausgaben von Bayern und Thum & Taxis, kennt die Problemfälle ebenfalls seit längerem und kann Feusers Feststellungen, also auch die Zunahme dieser Fälle seit Mitte der 90er-Jahre, bestätigen, z.B. bei den Bayern-Marken Nr. 3,8 oder 11, aber auch bei 2 II, 7,9 und 10. Und zwar in solchen Fällen, in denen diese Marken für zwei bis fünf Jahre in Folienalben der in Frage kommenden Firmen aufbewahrt wurden.

Gutachten

Peter Feuser, der sich schon am 4. Juli 2000 an betroffene Albenhersteller wandte, sah seine Offensive zwar registriert, ohne dass daraus aber Handlungsalternativen erfolgten. Nach mehreren in seinen Augen vergeblichen Versuchen wandte er sich vor der letzten Internationalen Briefmarkenbörse in Sindelfingen 2002 nicht nur an den APHV (bei diesem hatte er schon mehrfach vorher interveniert), sondern auch an alle anderen Verbände und die Presse. Er legte u.a. ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten vor (PTS München, 4.7.2002), das sinngemäß zitiert feststellte, dass die Druckfarben der hier zur Klärung anstehenden Briefmarken einen extrem hohen Bleianteil aufweisen, die hinterfragten Folien einen Anteil von 0,5 Prozent Zinn-Schwefel- Stabilisatoren. Das Gutachten sieht in dieser Konstellation eine mögliche (allerdings auch nicht sichere!) Reaktionsbildung, bestimmte „langsame Migrationsvorgänge“, an deren Ende als Endprodukt Bleisulfid, ein extrem schwerlösliches und schwarz gefärbtes Schwermetallsalz entsteht. Selbst in kleinsten Spuren ruft Bleisulfid die belegten Verfärbungen hervor.

Was hier recht schlüssig klingt, wird aber - das sei deutlich betont - mit der Bemerkung „unter Umständen“, also mit Vorbehalt in diesem Gutachten vorgetragen. Der APHV sah sich deshalb besonders in der Pflicht, weil die in Frage kommenden Firmen ja seine Mitglieder sind, wohingegen der BDPh seine Mitglieder vor möglichen Schäden bewahrt sehen will. Feuser hatte angesichts der in seinen Augen schleppenden Verzögerung bei der Behandlung seiner Dokumentationen Ende 2002 den Austritt aus dem APHV erklärt. Am 27. März erklärte die Verlegergruppe des APHV ihre weiteren Aktivitäten: „Im November 2002 hat der APHV - Bundesverband des Deutschen Briefmarkenhandels - nach zahlreichen Einzelgesprächen eine Kommission von verschiedenen Experten der Philatelie eingesetzt, um Fragen zur Unterbringung klassischer Briefmarken zu klären. Insbesondere geht es darum, Ursachen von Verfärbungen bei Briefmarken der klassischen Periode bis ca. 1880 festzustellen, die offenbar auch bei sorgfältiger längerfristiger Lagerung eintreten können. Verschiedene Stimmen konstatieren Zusammenhänge mit chemischen Substanzen in den Briefmarken selbst und in verschiedenen Alben- und Folienprodukten, deren Inhaltsstoffe in eine Wechselwirkung treten können, (siehe dazu auch die Pressemitteilung des APHV in philatelie Nr. 306, 57). Die „Folien-Kommission“ hat im Auftrag des APHV in den zurückliegenden Monaten mehrfach getagt und die Problematik aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet. Dabei wurden auch Veröffentlichungen bekannt, die zeigten, dass bereits seit rund 100 Jahren bei diversen Briefmarkensorten von Verfärbungen berichtet wird, die unterschiedlichen Ursachen zugeschrieben wurden. Inzwischen vorliegende Gutachten aus den Jahren 1977 bis 2003 ermöglichten keine eindeutige Aussage darüber, ob sich eine ursächliche Schädigung klassischer Marken durch die Unterbringung in bestimmten Folien nachweisen lässt.

Um ein abschließendes Urteil zu erhalten, beschloss die Kommission, ein Gutachten bei der EMPA, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in St. Gallen/Schweiz, einem der renommiertesten Institute Europas, in Auftrag zu geben. Die EMPA hatte bereits Jahre zuvor Folienmuster beanstandeter Alben untersucht. Unter Darstellung der Sachlage richtete APHV-Präsident Carl-Heinz Schulz im Januar 2003 ein Schreiben an die EMPA mit der Frage: „Ist es Ihnen möglich, bei Zurverfügungstellung des entsprechenden Briefmarkenmaterials und aller handelsüblichen Aufbewahrungsmaterialien im Rahmen einer Langzeit-Simulation die entsprechenden Wechselwirkungen zu untersuchen und zu belegen?“ Die Antwort von Dr. A Ritter, Chemiker der Polymeranalytik vom 10. Februar 2003 ist ernüchternd. Aufgrund der geschilderten Problematik sah sich die EMPA nicht in der Lage, ein allgemein gültiges Gutachten zu erstellen. Der APHV sieht damit seine Chancen erschöpft, anhand von Analysen eine eindeutige Bestimmung der Ursachen solcher Veränderungen zu erreichen und ein eindeutiges, für alle Seiten akzeptables Abschlussurteil vorlegen zu können. Solange es ausschließlich Gutachten gibt, die von den Beteiligten je nach Interessenlage interpretiert werden können, ist es dem Verband unmöglich, hier als letzte Instanz zu fungieren. „Soweit der erste Teil der Erklärung der Verleger im APHV. Sicherlich wird man das Ergebnis unterschiedlich werten können und Beteiligte wie Betroffene finden hier ein Feld vor, das es eben keiner der beiden Seiten leicht macht, sich entweder frei von Verursachung zu sprechen oder eben einen „Mohr“ gefunden zu haben, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann. Teure Schadensersatzprozesse sind damit ebenso aus dem Felde wie die moralische Gewissheit, eine reine Weste zu haben. Kriminaljuristisch könnte man dies als „Freispruch mangels Untersuchungsmöglichkeit“ bezeichnen.

Es ist auch bemerkenswert, dass der APHV hier die Verlegergruppe speziell in der Pflicht sieht, also eigentlich gerade die Gruppe, die von Feusers Kritik ausschließlich getroffen war. Nach außen hin wäre es vielleicht der Sachklärung dienlicher gewesen, wenn eine dritte, unparteiische Instanz hier gehandelt hätte. So fällt auf, dass in dem Gutachten der EMPA durchaus ausdrücklich davon die Rede ist, dass die Problematik „solcher Migrationen“ bekannt sei; dies taucht aber in der Erklärung der Verlegergruppe des APHV nicht mehr auf! Über die Gründe kann man nur spekulieren, aber gerade dies ist dem Ernst der Sachlage nicht angemessen. Zufrieden stellen kann dies keine der Parteien, zumal damit Unterstellungen Tür und Tor geöffnet ist. Dies argwöhnt wohl auch der APHV-Bundesverband, der im zweiten Teil seiner Pressemeldung hervorhebt: „Der APHV hat unternommen, was ihm möglich war; er hat nichts unversucht gelassen, um Klarheit in diese Problematik zu bringen, und er wird sich auch. weiterhin für jede Erörterung dieses Problems zu Verfügung stehen. Der APHV hat sich zu keinem Zeitpunkt einer Verantwortung entzogen oder vor Stellungnahmen gedrückt. Aber Schuldzuweisungen aufgrund einer unbeweisbaren Sachlage können und dürfen nicht die Sache des Verbandes sein. Um so wichtiger ist es nun, eine Eingrenzung der betroffenen und gefährdeten Briefmarkensorten vorzunehmen.

Angesichts der geringen Resonanz betroffener Sammler nach den bisherigen Veröffentlichungen bleibt zu hoffen, dass der Anteil geschädigter Stücke geringer ist als von manchen Seiten dargestellt. Bei aller Bedeutung dieser Untersuchungen ist darauf hinzuweisen, dass rein mengenmäßig betrachtet nur ein minimaler Prozentsatz an Briefmarken von der geschilderten Problematik betroffen ist. Ausgaben aus der Zeit ab ca. 1880 sind nach allen bisherigen Erkenntnissen nicht in der dargestellten Weise sensibel für Materialeinflüsse. Seit wenigen Tagen liegt nun ein weiteres Gutachten vor, in dem der untersuchten Folie ausdrücklich Wirkungsneutralität in Bezug auf die getesteten klassischen Marken bescheinigt wird. Der APHV appelliert an alle, die sich in dieser Angelegenheit engagieren, Fairness und Sachlichkeit in der teils äußerst kontrovers geführten Diskussion walten zu lassen. (Köln, im März 2003)

Fachgruppe Verleger im APHV

Aktiver Verbraucherschutz

Verbraucherschutz ist etwas anderes als was in der APHV-Erklärung zu lesen ist. Verbraucher- und Sammlerschutz sind konkrete Vorschläge, was der Sammler tun kann, um künftigen Schäden vorzubeugen, aber auch eine Information darüber, was die Verleger solcher PVC-Folien nunmehr bereit sind, ggf. zu ändern. In Ermangelung konkreter Vorgaben seitens des APHV versucht der Autor einmal das zusammenzutragen, was aus der ganzen leidigen Diskussion als Handlungsalternativen sich abzeichnen könnte, natürlich ohne für sich Expertenkenntnisse in Chemie oder eine Art göttlicher Eingebung in Sachen Verfärbungen in Anspruch zu nehmen:

• Das hier geschilderte Phänomen betrifft nur bestimmte klassische, damit auch altdeutsche Marken, also Marken, die meist vor 1880 hergestellt wurden. Sammler moderner Marken des 20./21. Jahrhunderts können (vorerst) aufatmen.

• Es betrifft wohl primär - und dies auch in Zukunft - Marken/Briefe/Ganzsachen, die nahezu luftdicht in solchen Folien, und zwar in PVC-Folien langfristig ohne Belüftung gelagert wurden.

• Faktoren wie erhöhte Luftfeuchtigkeit, Modrigkeit, mangelnde Durchlüftung, eventuell auch Druck bei der flächigen Lagerung, können das Problem der Verfärbung verstärken, vielleicht gar (mit?) hervorrufen.

Was kann man also tun? Im Prinzip ergeben sich Handlungsanweisungen aus den möglichen Ursachen. Grundsätzlich sollte man als Sammler und Besitzer dieser und vergleichbarer Marken (das Phänomen dürfte ja auch für so manche klassische Marke, aus Alteuropa und Übersee gelten!):

• langfristig diese Marken nicht in PVC-Folien aufbewahren, sondern ausschließlich außerhalb solcher Folien;

• längerfristige Aufbewahrung ist – nach dem derzeitigen Kenntnisstand - ungefährlich in Polystyrol-Folien, aus dem die bekannten HAWID-Taschen und vergleichbare Produkte anderer Hersteller mit anderen Produktnamen gefertigt sind;

• Aussteller sollten Blattschutzhüllen nur kurzzeitig (also nur für die Ausstellungszeit) verwenden, danach die Hüllen direkt wieder entfernen;

• Briefmarkenmaterial ist in trockenen, gut durchlüfteten Räumen aufzubewahren, es sollte von Zeit zu Zeit gewendet und „bewegt“ werden;

• Alben sollten stehend, also nicht liegend, aufbewahrt werden, ohne Druck für die Alben entstehen zu lassen;

• direkte Sonneneinstrahlung und zu viel Licht ist zu vermeiden;

Auch, wenn die Verlegergruppe in ihrer Erklärung offenbar keine Notwendigkeit sah, Konsequenzen für die künftige Produktion von PVC-Hüllen anzudeuten, so scheint es doch ratsam, diese Produzenten an ihre Verpflichtung für den Schutz der Briefmarken zu erinnern. Dabei sei hier nicht der Eindruck erweckt, dieser würde nicht von diesen ernst genommen. Gerade die deutschen Hersteller haben sich zu allen Zeiten sehr bemüht, hohe Qualitätsstandards zu entwickeln und diese über die Jahre auch aufrecht zu erhalten. Und zweifelsohne wird kein Hersteller wissentlich das Risiko eingehen, ein gefährdendes Material auf den Markt zu bringen, würde er sich damit doch sein eigenes „Grab“ schaufeln. Dennoch sollte hier auch künftig der Zusammenhang von mangelnder Luftzuführung, also Belüftung, bei dreiseitig geschlossenen PVC-Folien und deren mögliche Folge mit zusätzlichen Gutachten und Experimenten untersucht werden. Denn dass dies nicht untersuchungsfähig sein könne, wäre ja ein „Witz der Philateliegeschichte“. Es mag dahingestellt bleiben, ob eine direkte ursächliche Reaktionsbildung als Wirkursache von einzelnen Folien, also unabhängig von Temperatur- und Luftverhältnissen, erfolgt oder nicht. Nicht dahin gestellt bleiben darf allerdings der Zusammenhang zwischen der Verwendung der Folien und der daraus möglicherweise resultierenden Folgen als „Begleiterscheinung“.

Denn, was für Medikamente gilt (Beipackzettel!), gilt sicherlich auch für solche Produkte, was nichts anderes heißt, als dass der Hersteller eine Verpflichtung hat, auf Fehlverwendungen und daraus evtl. resultierenden Folgen hinzuweisen. Und wenn man es nicht weiß, frage man eben seinen Arzt oder Apotheker. Und die Frage an die Verleger, ob durch technische Veränderung der Folien, z.B. Folien-Belüftungsschlitze bzw. innenseitige kleine Kunststoffnoppen, die einen Luftzirkulationsabstand von Folien zum Albenblatt belassen, dem Problem nicht gar vorzubeugen wäre, - diese Frage ist ebenfalls künftig noch zu beantworten. Angesichts der nach wie vor offen stehenden Problemfragen muss auch die Anfrage an die Verlegergruppe im APHV erlaubt sein, ob in künftigen Prospekten und Werbeangeboten für die hier angesprochenen Hüllen dieser Verlage nicht entsprechende Verwendungs- bzw. Ausschlusshinweise enthalten sein sollten.

Ein Problem mit Zukunft

Bisher lehnte sich der Sammler moderner Marken- und Briefware noch ruhig und gelassen in seinen Sessel zurück. In einem zweiten Teil dieses Berichtes wird noch zu zeigen sein, dass die Zukunft auch für diese Sammler ihre Überraschungen bereit hält. Das Thema moderne Druckverfahren, Gummierungsarten und Stempeltypen erweist sich gerade in den letzten Jahren als ausgesprochen vielfältig. Thermo-, InkJet-, Laserdruck, selbstklebende Gummierung oder gar nun auch Tinten-Strahl-gedruckte Stempel: hier eröffnet sich ein weites Feld. Und wohl keiner findet es sehr erfreulich, wenn er teuer erworbenes Material in zehn oder 20 Jahren vielleicht bestenfalls noch auf einem Auktionskatalog-Ausschnitt oder einer Kopie als das erkennen kann, was es ursprünglich einmal war. Eines ist sicher: die Zukunft hat schon begonnen, wohl aber auch, dass man mit der nötigen Sorgfalt und Weitsicht der Mehrzahl denkbarer Probleme durchaus vorbeugen kann. Panik ist ebenso wenig angesagt wie fahrlässige Verallgemeinerung, wohl aber sachliche Information und differenzierte Problematisierung.

Wolfgang Maassen, überarbeitet M. M.

(Quelle: http://www.sammlerstube.net/bibliothek/philatelie/034.html)
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/292
https://www.philaseiten.de/beitrag/1887