Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 27.10.2018 11:29:19 Gelesen: 258777# 334@  
Liebe Freunde,

alte Schlachtschiffe der Postgeschichte wie ich glauben manchmal, schon (fast) alles gesehen zu haben. Oft haben wir Recht - hier aber nicht, denn solch einen Brief kannte ich bisher noch nicht, jedenfalls nicht in dieser Schwere.





Geschrieben am 1.8.1843 in Englburg, ca. 25 km Fußmarsch nach Vilshofen, dort am Folgetag aufgegeben und gerichtet an:

Seiner Excellenz dem Hochgebornen Herrn Herrn Maximilan Grafen von Seyssel d´Aix, K. Bayer. Kämmerer, Generallieutnant, Capitaine des Gardes, Inhaber mehrerer hohen Orden in München

Die Aufgabepost setzte als innerbayerisches Porto für Briefe über 12 bis 18 Meilen sagenhafte 1 Gulden 15 Kreuzer fest. Ein einfacher, bis 1/2 Loth schwerer Brief kostete bei dieser Entfernung 6 Kreuzer, jedes weitere halbe Loth kostete folglich 3 weitere Kreuzer, so dass wir hier einen Brief der 24. Gewichtsstufe vor uns haben.

Bei einer Entfernung von 17,6 Meilen nach München ist von Vilshofen auszugehen - der Absender hätte den Brief auch nach Grafenau oder Freyung bringen können, was nicht weiter war, als nach Vilshofen, aber dann wäre der Brief in die nächst weitere Entfernungszogen über 18 bis 24 Meilen gefallen und hätte einfach 8 Kr. und so wie hier 1 Gulden 42 Kreuzer gekostet.

Im Inhalt oben links sehen wir auch den Grund für das Gewicht, schrieb doch der Empfänger "Beilagen remitirt" (also zurück gegeben) und tatsächlich waren Grundstücksauszüge damals beigefügt worden, die ihn so schwer machten (11 1/2 bis 12 Loth = 66g bis 75g).

"By the way" - oft fragen mich Sammler anderer Gebiete, ob das Porto/Franko eines Briefes von Bayern stimmen könnte, weil es ihnen so hoch erscheint, schließlich weisen diese Briefe keinerlei Gewichtsnotationen oder Vermerke wie "mit Beilage", "mit Unterbund", "mit Akten" usw. auf und ich entgegne dann immer, dass sie das nicht mussten und die bayer. Post i. d. R. nur Fahrpoststücke wog und das Wiegeergebnis vermerkte, bei der Briefpost wie hier aber einfach hoch taxierte und es damit bewenden ließ.

Aber zurück zu unserem Brief - der Empfänger war einer der höchsten Würdenträger Bayerns und die festgesetzte Taxe wurde auf Kosten der Staatskasse gestrichen, weil dieser passiv portofrei in Bayern war, also eh nie etwas bei Portobriefen zu zahlen hatte. Daher hatte auch der Absender auf die Frankatur verzichtet, wäre er doch hier mit 1 Gulden 15 Kreuzer dabei gewesen und das Geld wäre fort gewesen.

Oft wird der Begriff "Unikat" in Beschreibungen eingesetzt, aber nur besserer Standard gezeigt - hier dürfte dieses Wort keiner Fehleinschätzung unterliegen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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