Thema: Auktionsmarkt weiter in Bewegung - Grosse Sammlungen kommen an den Markt
Richard Am: 07.11.2018 09:07:49 Gelesen: 5042# 1@  
Auktionsmarkt weiterhin in Bewegung

(wm) Während die Konzentration im Segment der Briefmarkenversteigerungsfirmen weiter anhält, ein „Global Player“ nun auch in Düsseldorf ein Akquise-Domizil eröffnet, mehrt sich die Zahl sog. „hochkarätiger“ Spitzenkollektionen und Investitionsposten, die in großer Gesamtzahl fast weltweit auf den Markt drängen. Einzelne Firmen kündigen bereits an, dass sie in kommender Zeit teils bis zu sieben Sonderkataloge mit solchem Ausnahme-Material offerieren. Insider sprechen offen die Frage aus, ob der Markt dies auf längere Sicht vertragen kann.

Die Kumulierung von „Hochprozentigem“ trifft auf wirtschaftspolitische Begleitumstände, die nur schwer prognostizierbar sind, Anleger, Investoren, aber auch die vielzitierten „kleinen“ Sammler zuweilen verunsichern.

Momentan erscheint der Markt noch als stabil, Sorge und Befürchtungen sind nicht explizit angesagt, gelinde Skepsis vielleicht eher. Dies mag auf den ersten Blick beispielsweise eine Information des renommierten Schweizer Auktionshauses David Feldman bestätigen, das zum 1. Dezember 2018 die von Käufern zu zahlende Provision (das Aufgeld) von bisher 20 nun auf 22% des Zuschlagspreises erhöht und dies mit „steigenden Transaktionskosten“ und dem offenbar ebenso steigenden „Volumen kleinerer Käufe“ begründet. Allerdings gilt diese Erhöhung nur bei Zuschlagslosen bis 50 000 Euro/CHF/GBP. Für noch höherwertige Lose werden „nur“ 18% fällig. Weiterhin informiert das Auktionshaus: „Der bisherige Zuschlag für Versicherungen wird nun jedoch nicht mehr erhoben, und wir werden weiterhin keine Online- und Telefonbietergebühren sowie Losgebühren berechnen.“

Der zweite Blick aber lohnt. Zum einen, weil solche Provisionserhöhungen bereits seit Jahren im In- und Ausland zu vermerken sind (sofern aufzuschlagende Mehrwertsteuer einberechnet ist, auch noch höhere Werte notiert werden können), zum anderen, weil zu vernünftigen Preisen angesetzte Ware nach wie vor viele interessierte Käufer findet. Wenn dann allerdings zahlreiche Ausnahme-Kollektionen eines österreichischen Industriellen im gleichen Jahr den Weg in den Markt finden, zu teils sehr hoch angesetzten Ausrufpreisen bei verschiedenen Auktionshäusern zum Ausruf kommen, dann bleibt es nicht aus, dass die Verkaufsquote eher – höflich ausgedrückt – sehr durchschnittlich ist. Eben dies ist ein Zeichen für einen gesunden Markt, der sehr aufmerksam zu registrieren weiß, was marktgerechte Preise sind. Ob dann Rücklose dem Auktionator oder dem Vermittler Freude machen, sei dahin gestellt. Zuweilen gelten solche Lose als „verbrannt“.

In dieser Situation, in der die über Jahrzehnte zusammen getragenen Sammlungen zweier Milliardäre – in Österreich von Peter Zgonc, in Deutschland von Erivan Haub – auf den Markt kommen, kann man sich der Burrus-Auktionen erinnern, die von 1962–1967 von einem extra zum Verkauf gegründeten Amhelca-Trust vermarktet wurden. In über 75 Versteigerungen und zahlreichen Privatverkäufen wurde das immense Material – Insider schätzten den damaligen Wert auf mehr als 50 Millionen DM – geschickt auf zahlreiche Auktionshäuser verteilt, die diese nach Ferrari wohl weltgrößte Sammlung portionierten und zu maßvoll angesetzten Preisen auch gut verkauften. Damit belebten sie den Markt und gaben diesem eine enorme Chance, noch weiter zu wachsen.

Wenn also von 221 Losen einer Sudetenland-Sammlung von Peter Zgonc nur 131 als verkauft in der Ergebnisliste erscheinen, von dessen 135 Losen ausgesuchten Österreich-Materials nur 45 und von seiner Deutsches Reich-Sammlung (246 Lose) nur 124 weggingen, mag dies auf nachlassende Nachfrage interpretiert werden. Zutreffender – und dies beweisen andere special- oder name-sales – dürfte allerdings die Einschätzung sein, dass der Ausruf vieler der offenbar vom Einlieferer resp. dessen Vermittler limitierten Lose deutlich zu hoch angesetzt war.

Selbst der Eindruck, bei manchen Auktionshäusern komme zeitgleich „zu viel“ hochklassiges Material zum Ausruf, trügt. Denn der Philatelie-Markt ist vielfältig, kennt hunderte von Sammelgebieten und entsprechend für jedes Gebiet zahllose Sammler. Wenn dann bei ein- und demselben Auktionshaus zum gleichen Termin Grandprix- oder Großgoldsammlungen von Chile, Kap der Guten Hoffnung, Australien, Altdeutschland, Schweiz und was auch immer angeboten werden, so treffen diese Offerten auf weltweit verschiedene Käuferkreise. Diese sorgen für gute Nachfrage, sofern die Preisansätze angemessen sind und auch wirkliche Steigerungsmöglichkeiten ermöglichen.

Für Skepsis und Befürchtungen gibt es also kaum einen guten Grund, solange Marktanbieter die jahrhundertalte Erfahrung beherzigen, dass zu hohe Ausrufpreise ebenso schädlich sein können wie das zeitgleiche Angebot zu großer Materialmengen ein- und desselben Gebietes. Volker Parthen, der die ehemalige Altdeutschlandsammlung von John Boker versteigerte, wusste, wie man es marktgerecht machte: Fünfzehn Jahre (!) und achtzehn Auktionen bedurfte es, diese riesige Boker-Sammlung zu teils sensationellen Erlösen platzieren. Geschickt vermied er bei den ersten acht Versteigerungen einzelne komplette Teilgebiets-Auktionen (Baden, Bayern etc.), sondern bot in jeder Auktion immer nur überschaubare Partien all dieser Gebiete an. Boker und Parthen hatten Geduld – und sie belebten damit den Markt, ähnlich wie es Jahrzehnte zuvor bei den Burrus-Auktionen der Fall gewesen war.

Torschlusspanik und Weltuntergangsszenarien sind also keineswegs angebracht. Vernunft und Weitsicht schon.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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