Thema: Neues von der BDPh Strukturkommission
Richard Am: 28.11.2018 09:31:06 Gelesen: 33435# 85@  
Heute kann ich hier im Forum eine Ausarbeitung mit dem das Konzept der BDPh Strukturkommission im Detail veröffentlichen. Der Text ist unterschrieben vom Mitglied der Strukturkommission Jürgen Herbst und wurde während der Messe in Sindelfingen an den BDPh Vorstand und die BDPh Verwaltungsräte (= Landesverbände) verteilt.

Vermutlich ist der Inhalt weitgehend identisch mit dem Text der in der philatelie November 2018 veröffentlicht werden sollte um ihn als Basis einer breit angelegten Diskussion mit alles Mitgliedern des BDPh zu verwenden.


Evolution statt Revolution – ein Vorschlag zur Neuausrichtung des BDPh

Die vom Bundesvorstand und Verwaltungsrat einberufene Strukturkommission hat in mehreren Sitzungen von Frühjahr bis Herbst 2018 ein Konzept erarbeitet, in dem Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie es mit der organisierten Philatelie zukunftssicher weiter gehen kann. Die Kommission besteht aus Jürgen Witkowski (Vorsitzender), Jürgen Häsler, Jürgen Herbst, , Werner Müller, Dr. Klaus D. Schult, und Gerhard Weiß.

Nachfolgend hat Jürgen Herbst im Einvernehmen mit allen Kommissionsmitgliedern die Gedanken formuliert, die zu dem Konzept geführt haben, das eine Option für die Zukunft sein könnte. Jürgen Witkowski (Vorsitzender)


Ausgangslage und Aufgabenstellung

Die Struktur der organisierten Philatelie in Deutschland basiert auf der gesellschaftlichen Situation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Philatelie war ein von vielen und in allen Altersgruppen gepflegtes Hobby. Es existierte eine große Anzahl von Vereinen, die ihren Mitgliedern Kommunikationsmöglichkeiten, Kontakte und Hilfestellung bei der Wissensvermittlung und Materialbeschaffung boten.

Deren Zusammenschluss zu Verbänden weitete diese Möglichkeiten auf die überregionale und nationale Ebene aus. Die Verbände bauten entsprechende Organisationen auf.

Mit zunehmender Verlagerung der Kommunikation in das Internet und der entstehenden Tendenz zur Individualisierung in der Gesellschaft verloren die Vereine zumindest für jüngere Mitglieder an Attraktivität. Auch die Philatelie als Freizeitbeschäftigung trat in Konkurrenz zu vielen anderen Möglichkeiten und wurde in ihrer Bedeutung zurückgedrängt.

In der Folge erwies sich der organisatorische Aufbau mit Bundesverband, Mitgliedsverbänden und Vereinen als überdimensioniert. Es wurden Strukturen aufrecht erhalten, die für die verbliebenen Aufgaben nicht mehr erforderlich waren und die auch den Anforderungen der jüngeren Generation in Bezug auf Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten nicht ausreichend Rechnung trugen.

Nicht zuletzt der sich fortsetzende Mitgliederschwund und die damit einhergehenden Einnahmerückgänge förderten die Bereitschaft, über neue Strukturen der organisierten Philatelie nachzudenken. Der Anfang wurde gemacht mit einem „Weniger vom Selben“, nämlich der Vereinigung kleinerer Mitgliedsverbände zu größeren Einheiten.

Mit derartigen Maßnahmen sind zwar akute Finanz- und Personalprobleme behebbar, eine Lösung von Problemen, die auf der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse beruhen, ist damit jedoch nicht verbunden.

Die Hauptversammlung des BDPh in Wittenberg führte schließlich zu der Erkenntnis, dass grundsätzliche und tiefgreifende Veränderungen erforderlich sind, über die Struktur des Verbandes also nachzudenken ist.

Der neu gewählte BDPh-Vorstand entschloss sich daraufhin, diese Aufgabe einer „Strukturkommission“ zu übertragen, in der die Interessen des BDPh und der Mitgliedsverbände ebenso wie die der Vereine, Arbeitsgemeinschaften und Einzelmitglieder des BDPh vertreten sein sollten.

Vorgehensweise

Im Gremium bestand Einigkeit in der Zielsetzung, vorab die Aufgaben zu definieren, die die Gesamtorganisation zum Nutzen der Sammler übernehmen sollte und kann. Ungeachtet bestehender Strukturen war daraus eine „ideale“ Organisationsform abzuleiten. Der Übergang von der vorhandenen Struktur zur erarbeiteten sollte so geplant und gestaltet werden, dass die aktuell aktiven Funktionsträger möglichst eng eingebunden bleiben, also eine kontinuierliche Anpassung möglich ist, wenn sie sich als wünschenswert darstellt.

Innerhalb der bestehenden Organisation wurden folgende Problemfelder benannt:

Vereine

Überalterung und biologisch bedingter Mitgliederschwund führen zu einem Mangel an aktiven Funktionsträgern. Dadurch verlieren die Vereinsabende an Attraktivität für potentielle Neumitglieder. Nicht selten löst sich der Verein auf in Ermangelung der Bereitschaft zur Übernahme von Vorstandsämtern.

Mitgliedsverbände

Insbesondere kleine und mittelgroße Mitgliedsverbände haben Schwierigkeiten mit der qualifizierten Besetzung aller Vorstandsämter und Funktionspositionen. Dadurch fehlt die Möglichkeit, für die Vereine der Region alle vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Die Organisationsform als Verein bindet administrative Ressourcen.

BDPh

Durch Mitgliederschwund und starke Reduzierung der Stiftungsmittel müssen zunehmend bisher geleistete Aufgaben und gewährte Zuschüsse reduziert bzw. gestrichen werden. Bei der Gewinnung leistungsbereiter ehrenamtlicher Funktionsträger besteht eine Konkurrenzsituation zu den Mitgliedsverbänden. Die aktuelle Beitragsstruktur mit diversen Sonderregelungen und Doppelmitgliedschaften folgt keinem schlüssigen Konzept und wird vielfach als unangemessen empfunden. Vereinsmitglieder erhalten zwar einen BDPh Mitgliedsausweis, sind aber nicht Mitglieder des Bundesverbandes. Formal verfügen sie über Verein und Landesverband zwar über Mitwirkungsrechte an der jeweiligen Entscheidungsfindung, faktisch wird davon jedoch so wenig Gebrauch gemacht, dass von demokratischen Strukturen nicht gesprochen werden kann. Im Ortsvereinsleben spielen Verbands- und Bundesfragen so gut wie keine Rolle.

Einzelmitglieder im BDPh

Es besteht ein Potential an Sammlern, die sich aus unterschiedlichen Gründen keinem Ortsverein anschließen möchten bzw. in Wohnortnähe keinen finden, aber Anschluss an die Sammlerorganisation insgesamt suchen. Diese Möglichkeit wird durch die BDPh-Einzelmitgliedschaft geboten. Organisatorisch stellen diese Mitglieder jedoch einen Fremdkörper dar. Konkrete Leistungen für sie existieren nicht, sie erhalten lediglich die Verbandszeitschrift. Die Wahrnehmung ihrer satzungsmäßigen Mitwirkungsrechte in der Hauptversammlung ist organisatorisch allenfalls dann zu bewältigen, wenn nur ein sehr geringer Teil von ihnen davon Gebrauch macht.

Arbeitsgemeinschaften

Der Nutzen des BDPh für die Arbeitsgemeinschaften erschöpft sich meistens in ihrer Nennung auf der homepage. Die für den Ankauf der Rundbriefe erstatteten Beträge decken beim heutigen Qualitätsstandard die Druckkosten nicht mehr.

Insofern wird die geforderte Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitsgemeinschaftsmitglieder im BDPh vielfach als unangemessen empfunden.

Nicht organisierte Sammler

Der BDPh nimmt für sich in Anspruch, die Interessen aller Sammler zu vertreten, also auch die der nicht in Vereinen oder als Einzelmitglied organisierten. Um Interessen vertreten zu können, muss man sie kennen. Erst aus dieser Kenntnis lassen sich dann ggf. Aktivitäten ableiten, die eine Mitgliedschaft im BDPh attraktiv machen.

Die seitherige Struktur der philatelistischen Organisationen beruht auf dem Prinzip, dass die Ortsvereine erste und wichtigste Anlaufstelle der Sammler darstellen. Ihre Aufgabe ist es, für ihre Mitglieder die wesentlichen Leistungen zu erbringen. Anzahl und Kenntnisbreite der Vereinsmitglieder sind Grundlage dafür, dass Wissensvermittlung und –austausch gewährleistet sind.

Die Verbände haben in dieser Struktur die Aufgabe, die Vereine dort zu unterstützen, wo deren eigene Ressourcen nicht ausreichen. Außerdem vermitteln sie die Kontaktpflege untereinander und helfen bei der Organisation größerer Projekte.

Der Bundesverband wiederum übernimmt die Koordination der Aktivitäten der Mitgliedsverbände und ihre Unterstützung bei Projekten nationalen Maßstabs. Außerdem vertritt er die Sammlerschaft nach außen gegenüber staatlichen und privatwirtschaftlichen philatelistischen Organisationen im nationalen wie im internationalen Bereich.

Die Funktionalität dieser Aufgabenverteilung leidet wie geschildert an Entwicklungen, die sich vor allem auch im drastischen Rückgang der Mitgliederzahlen äußern. Die Sicherstellung des bisherigen Leistungsumfanges für die Sammler erfordert daher eine Konzentration auf größere Einheiten bei Vereinen und Verbänden oder eine Aufgabenverlagerung auf die nächst höhere Ebene dort, wo die jeweilige untere dauerhaft ihre Leistungsfähigkeit einbüßt.

Das in einem Konzeptvorschlag zu gestalten, sieht die Strukturkommission als ihr Ziel an.

Vorschlag für eine neue Verbandsstruktur

In der Diskussion über das Vorgehen bei der Erarbeitung dieses Konzeptes erschien es sinnvoll, gedanklich unabhängig vom Ist-Zustand vorzugehen. Nach Erarbeitung einer als ideal angesehenen Struktur sollten Überlegungen zu Übergangsschritten angestellt werden. Es bestand Einigkeit darüber, dass eine gewisse Kontinuität der Strukturen unerlässlich ist, um Vereine und Verbände nicht zu überfordern und die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement niemandem zu verleiden.

Kern der vorgeschlagenen Struktur ist die einheitliche Möglichkeit aller Sammler zur unmittelbaren Mitgliedschaft im BDPh. Sie soll losgelöst sein von sonstiger Vereinszugehörigkeit. Unter Bezugnahme auf die bisherigen regionalen Strukturen im BDPh werden fünf Regionen mit insgesamt 50 Regionalvertretern etabliert. Diese werden von den Mitgliedern ihrer Region gewählt und bilden deren Vertretung auf der Hauptversammlung. In Regionen übernehmen die Regionalvertreter im Rahmen ihrer Möglichkeiten Kommunikations- und Betreuungsfunktionen gegenüber den dort ansässigen Mitgliedern, soweit das nicht bei Mitgliedern von Ortsvereinen bereits dort geschieht. Es soll ausdrücklich keine Konkurrenzsituation zu Ortsvereinen und Mitgliedsverbänden entstehen. Das Konzept hat zum Ziel, regional bestehende Lücken bei philatelistischen Organisationen zu füllen.

Auch im Hinblick auf diese Absicht können philatelistische Vereine, Verbände und Arbeitsgemeinschaften außerordentliche Mitglieder im BDPh werden. Sie zahlen keine Beiträge und haben kein Stimmrecht in der Hauptversammlung. In Abhängigkeit von der Anzahl ihrer im BDPh organisierten Mitglieder erhalten sie vom BDPh Unterstützung finanzieller und ideeller Art.

Der Kommissionsvorschlag basiert auf der Annahme, daß die Mitgliedsverbände in den meisten Fällen ihrer Betreuungsfunktion gegenüber den ihnen angeschlossenen Ortsvereinen im bisherigen Umfange weiterhin nachkommen. Es erscheint sinnvoll, bei sinkendem Volumen, wie es beispielsweise bei der Anzahl von Ausstellungen vorliegt, Funktionsstellen von den Mitgliedsverbänden in den BDPh zu verlagern. Derartige Maßnahmen müssen im Einzelfall abgestimmt werden und sind u. U. von Mitgliedsverband zu Mitgliedsverband unterschiedlich zu regeln. In vielen Fällen wird vermutlich auch Personengleichheit zwischen den Regionalvertretern und Funktionsträgern in Vereinen und Mitgliedsverbänden bestehen, sodass auch von daher eine reibungslose Zusammenarbeit gewährleistet ist.

Neu zu schaffen ist eine internetbasierte Möglichkeit der Kommunikation und Information zwischen den Mitgliedern unter Einschluß der Vereine, Verbände und Arbeitsgemeinschaften, die in Übersichtlichkeit und Bedienbarkeit weit über die Möglichkeiten der aktuellen homepage hinausgeht.

Durch den Rückgang der Mitgliederzahlen und dadurch verursachte Finanzierungs- und Personalprobleme sahen sich in der Vergangenheit einige Mitgliedsverbände gezwungen, sich aufzulösen bzw. ihre Aktivitäten zusammenzulegen. Das erarbeitete Konzept bietet alternativ die Möglichkeit, den BDPh und dessen Regionalvertretern Aufgaben wahrnehmen zu lassen, für die in den Verbänden keine Mittel und kein Personal mehr in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Die Strukturkommission hat bewußt darauf verzichtet, alle sich in diesem Falle ergebenden organisatorischen und personellen Konsequenzen im Detail durch den Satzungsvorschlag zu regeln. Das System der Regionalvertreter und ihre Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden soll sich erst einspielen, ehe am „grünen Tisch“ Festlegungen getroffen werden, die sich möglicherweise als unpraktikabel erweisen könnten.

Die gesamte Neukonzeption basiert auf dem Willen, das ehrenamtliche Engagement innerhalb der philatelistischen Organisationen dort, wo es funktioniert, möglichst unangetastet zu lassen und Änderungen dort vorzunehmen, wo sich innerhalb der bisherigen Strukturen Probleme gezeigt haben.

Jürgen Herbst
 
Quelle: www.philaseiten.de
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