Thema: (?) (668) Postverhältnisse Bayern - Österreich
bayern klassisch Am: 01.12.2018 11:09:54 Gelesen: 186895# 302@  
Liebe Freunde,

wir lieben ja alle diese ganz besonderen Briefe, von denen man i. d. R. ein Leben lang träumt und von denen, wenn man großes Glück hat, ab und zu einer seine Aufwartung in der eigenen Sammlung macht.

Heute ist so einer hier eingeflogen und ich möchte ihn euch gerne vorstellen, zeigt er doch 3 Besonderheiten, wovon jede Einzelne schon einen Beitrag wert wäre.



Der Absender, die Gebrüder Kindervater aus Wien, hatten einen einfachen Brief unter 1 Loth zu versenden an die Firma Müller & Lapp nach Kitzingen in Bayern. Doch wollten sie diesem Brief noch ein paar Anlagen spendieren in Form von Mustern ohne Wert(h), die sie ihm angehängt hatten. Das treffende Franko hatten sie sicher selbst ausgerechnet, denn Firmen wussten oft besser über die Besonderheiten von Versendungen Bescheid, als Postler, deren Fehlerquote bei allem, was nicht gerade alltäglich war, oft nur zu dramatisch anstieg.

Weil man aber demjenigen, der den Brief zur Post tragen sollte, vlt. nicht 100%ig traute, überstempelte man die 3 benötigten 9 Kreuzer Conventionsmünze (CM) mit dem großen, blauen Firmenstempel, so dass ein Ablösen durch den Überbringen (oft der Stift des Betriebes) sinnlos gewesen wäre. Auch eine Art der Vorausentwertung.

Man ververmerkte auch "Kitzingen a(m) M(ain) via Leipzig"a n diesem 19.6.1858, weil man nicht den langsameren, direkten Weg nach Unterfranken präferierte, sondern den schnellen via Prag - Bodenbach - Leipzig - Hof - Nürnberg und Würzburg, wie wir siegelseitig an dem Kitzinger Ankunftsstempel vom 21.6.1858 sehen. Luftlinie waren es ab Wien 485 km, bei direkter Postversendung wohl ca. 600 km und hier knapp 1.000 km.

Da die Postaufgabe um 17.00 Uhr erfolgte und der Brief von Würzburg aus erst reexpediert nach Kitzingen werden musste, ist die Leistung aller Beteiligter nicht hoch genug einzuschätzen.

Die Aufgabepost verwog ihn mit 4 1/4 Loth, so dass sich das Franko wie folgte berechnete: Brief unter 15,625 g mit Muster bis 2 Loth über 20 Meilen = 9 Kreuzer, bis 4 Loth = 18 Kr. und wie hier über 4 bis 6 Loth = 27 Kr. CM.

Sind schon Briefe im 1. Gewicht als Muster ohne Wert(h) anhängend nicht gerade häufig, so sind jene über 4 bis 6 Loth m. E. große Seltenheiten.

Briefe aus Österreich nach Bayern mit Firmenstempel - Vorausentwertung kannte ich bisher gar nicht.

Leitungen via Bodenbach habe ich Dutzende - schneller als dieser hier war aber bisher kein nachgewiesener Brief, zumal innen der Empfänger den Erhalt am 21.6. bestätigte und hinzu fügte, dass er den Brief sogar noch am selben Tag beantwortete (also noch zur Post brachte). Das war dann vor 19 Uhr in Kitzingen der Fall.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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