Thema: Südtirol 1918/19: Postwertzeichen oder Private Erzeugnisse ?
stephan.juergens Am: 03.01.2019 08:34:03 Gelesen: 16207# 12@  
@ Markus Pichl [#8]

Tre-Veneto (Drei-Venetien) und Terre redete (wörtlich: erlöste Gebiete) sind die aus der italienischen (Literatur) Geschichte relevanten Stichworte. Der italienisch Nationalismus hat eine ähnlich „theoretischen“ Unterbau wie der Deutsche (du erinnerst dich an „von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“), in der Praxis sind mit beiden Begriffen, die nach der Einigung Italien in 1861 bei Österreich gebliebenen Gebiete gemeint, die in späteren Kriegen zu Italien gekommen sind, bzw. kommen sollten.

Wenn man sich die Geschichte Venedig anschaut, wird man feststellen, dass diese Stadt viele Kolonien hatte - die ganze „jugoslawische“ Küste runter bis einschließlich Albanien und Griechenland, Teile der griechischen Inseln inkl Kreta, teile des türkischen Festlandes (Smirna = Izmir) etc. Dann hast du eine ungefähre Vorstellung davon, welche Gebiete der italienische Nationalismus „heim ins Reich holen wollte“ (das war der Mainstream-Teil der Nationalistischen Bewegung, der „spinnerte Teil“ wollte das Römische Reich wiederherstellen).

Philatelistisch heißt insbesondere Triveneto für uns, dass Venetien-Tridentina [im engeren Sinne die Gegend um Trient - Trento), Julisch-Venetien (die Gegend um Trieste inkl. Görz und Dalmatien mit Fiume, Cataro = Kotor und Zara) mit dem zwischenliegenden Veneto [Venedig, Udine) als Einheit betrachtet werden müssen. Die Österreicher hatten ja im ersten Weltkrieg Teile Italiens besetzt [siehe z.b. Lokalpost Udine) genauso wie die Italiener Gebiete besetzten, die nach 1866 österreichisch geblieben waren. Für die italienisch besetzten Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg gibt es eine gemeinsame Ausgabe („centesimi di Corona“), die in den Katalogen zweimal notiert sind (unter Trentino-Süd-Tirol und unter Dalmatien), die sich aber eigentlich nur beim 1 Kronen wert gut unterscheiden lassen - die Aufdrucke der anderen Werte sind nahezu identisch, und da beide Ausgaben Pfennigkram sind, kümmert sich auch kein Sammler darum, die wirklich auseinander zu halten.

Die Portoprovisorien Bozens sind der Theorie nach entstanden, weil die italienische Postverwaltung keine oder nur wenige Portomarken nach Südtirol geliefert hat - und man müsste den Leuten ja ihre Renten auszahlen können. Wenn ich mir den Beleg-Lage so anschaue, würde ich meinen, da haben auch Postbeamte ihre Finger drin gehabt, die einen Briefmarkenhändler kannten.

Zu guter letzt: Julisch-Venetien findet sich als AMG-VG ein zweites Mal in den Katalogen und Alben - dann sind wir allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg und eher im Konflikt zwischen Jugoslavien und Italien denn zwischen Österreich und Italien.
 
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