Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 08.01.2019 15:46:27 Gelesen: 252509# 360@  
Lieber Hanspeter,

diesen Text darfst du deiner Liebsten auch ungekürzt übermitteln - ich hoffe, sie freut sich über diese innige Liebeserklärung. :-)

Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Portobrief aus dem lieblichen Wunsiedel vom 25.10.1855 nach Waldsassen, wo er in Ermangelung eines lesbaren Ankunftsstempels sicher nicht viel später eingetroffen sein dürfte. Die P(artei) - S(ache) war mit 12 Kreuzern Porto belastet auf die Reise gegangen.



Mit der Ergänzungsverfügung vom 26.5.1850 kosteten Portobriefe bis 12 Meilen (hier: 22 km = 3 Meilen) bis 1 Loth 6 Kreuzer und über 1 bis 4 Loth 12 Kreuzer.

Der Grund für das höhere Gewicht wurde auch genannt: "Mit 1 Beilage". Dem Brief selbst war als ein sog. "Unterbund", also etwas mit Bindfaden untergebunden worden, was nicht in ihn passte, ohne seine Transportfähigkeit zu gefährden.

Der Kaufgrund war aber das, was neben dem Beilagenvermerk notiert wurde: "Eingetragen".

Nun wird man sich fragen, warum, wer auch immer, eine "Beilage" irgendwo eintragen sollte, schließlich gab es doch den Brief. Aber so einfach war das nicht, denn der Briefpostgegenstand, der hier zur Auflieferung kam, bestand aus a) dem Brief selbst und b) seiner Beilage (heute würden wir Anlage dazu sagen).

Dazu ist zu bemerken, dass die Post ihren Versendungsauftrag nur dann pflichtgemäß durchgeführt hatte, wenn a) Brief und b) Beilage zusammen dem Empfänger ausgehändigt werden konnten. Der Absender hier war das Landgericht Wunsiedel, der Empfänger das Landgericht Waldsassen - und in gerichtlichen Angelegenheiten waren Beilagen eben sehr wichtig, oft wichtiger, als der Brief selbst, der oftmals nur als Begleitdokument fungierte und jeden Tag neu hätte verschickt werden können. Das "Unikat" aber war i. d. R. die Anlage, auf die es ankam.

Große Probleme bereiteten allen Beteiligten, also Absender, Empfänger und der Post selbst die Fälle, in denen zwar der Brief selbst, nicht aber die Anlage zugestellt werden konnte, weil aus der Anlage allein, so sie überhaupt offen, zugänglich und lesbar war, kaum abgeleitet werden konnte, unter welchem Rubrum sie geführt wurde und wer ein Anrecht auf den Erhalt derselben ableiten konnte.

Dadurch, dass man "Eingetragen" notierte, bestätigte man im Postbuch des Landgerichts Wunsiedel, genau diesen Brief unter der laufenden Geschäftsnummer 323 MIT einer Anlage verschickt zu haben und war als Absenderbehörde fein raus.

War z. B. ein recommandirter Brief mit einer solchen Anlage versehen und ging dieselbe auf dem Transportweg zum Empfänger verloren, war auch dies allein schon ein Reklamationsgrund und es konnte ein Laufzettel nur für diese Anlage kostenlos abgefertigt werden! Viele Sammler wissen davon nichts und wundern sich, warum man damals doch so viel Wert auf diesen Terminus legte, der uns Philatelisten doch gar nichts sagt, weil die damaligen Anlagen heute natürlich alle vom Brief selbst getrennt sind und nicht mehr eruiert werden können. Aber damals waren sie äußerst wichtig und jede Besonderheit mit einem Brief mit Anlage ist schon eine Besonderheit in sich.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Quelle: www.philaseiten.de
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