Thema: Saalauktionen: Mutmassungen und Verschwörungstheorien am Auktionsmarkt
Richard Am: 10.02.2019 09:31:10 Gelesen: 1548# 1@  
Im StampsX Forum hat Mitglied Altsax (Jürgen) einen für Einlieferer und Käufer sehr interessanten Beitrag verfasst, den wir mit seiner Erlaubnis hier wiedergeben:

Verschwörungstheorien finden nur dort einen Nährboden, wo sachlich zutreffende Informationen fehlen. Insofern besteht bei vielen Privatsammlern durchaus ein Bedürfnis an Informationen über Funktionsweise und Besonderheiten des Auktionsmarktes. Das gilt insbesondere deshalb, weil sowohl auf Einlieferer- als auch Käuferseite Profis mit Sammlern konkurrieren, die Kenntnisse und Erfahrungen sich also prinzipiell erheblich unterscheiden (können).

Dazu einige Informationen und Ratschläge:

Große Auktionshäuser sind i.d.R. nicht auf bestimmte Gebiete spezialisiert, erhalten aber durch ihren Bekanntheitsgrad sowie entsprechende "Verbindungen" bevorzugt Einlieferungen von Erben bzw. Testamentsvollstreckern, also Personen ohne spezifische Kenntnisse ihrer Einlieferungen. Das ist die sogenannte "frische Ware". Das von den Einlieferern dabei meist genannte Ziel ist die "vollständige Verwertung". Erreichbar wird das durch "attraktive" (= niedrige) Ausrufpreise und das weitgehende Belassen besserer Stücke in geschlossen angebotenen Sammlungen respektive Lots.

Derartige Auktionshäuser haben einen überdurchschnittlichen Anteil an professionellen Käufern, seien es nun Händler oder Auktionatorenkollegen. Diese Sekundäranbieter wiederum unterziehen sich der Mühe, das erworbene Material auf Basis ihrer Kenntnisse intensiver zu durchforsten und detailliert anzubieten. Dabei werden in der Regel höhere Erlöse erzielt.

In Einzelfällen werden Einzellose auch mit attraktiver Beschreibung versehen zu höheren Preisen angeboten. Das mag in der Hoffnung geschehen, daß allein die Beschreibung ausreicht, im Kopf des Interessenten einen höheren Wert zu erzeugen. Möglicherweise reicht auch die Werbewirkung besonders spektakulärer Ausrufpreise aus, ein solches Angebot zu rechtfertigen.

Beim Vergleich der Katalogbeschreibung von Einzellosen zwischen dem Erstanbieter und dem Sekundärverwerter läßt sich nicht selten feststellen, daß erstere sachlich, letztere eher "verkaufsfördernd" ausgestaltet sind.

Eine besondere Rolle im Auktionsmarkt spielen die meist kleineren, inhabergeführten Häuser, die auf bestimmte Gebiete spezialisiert sind. Sie nehmen auch kleinere Lose als Einlieferungen an und beschreiben sie mit entsprechend hoher Sachkenntnis. Dort finden sich oft Einlieferungen von spezialisierten Sammlern, ausgerufen zu marktgerechten Preisen.

Was bedeutet das für den Sammler als Käufer?

a) man reduziere die Losbeschreibung auf die in ihr enthaltene sachliche Zustandsinformation und kläre offene Punkte mit dem Anbieter vor Auktionsbeginn.

b) alle Wertungen in den Beschreibungen lasse man unbeachtet.

c) man biete nennenswerte Beträge nur auf Stücke, zu deren Seltenheit konkrete Informationen vorliegen. Es besteht beispielsweise ein großer Unterschied zwischen der Aussage "3 Stücke (dem Auktionssachbearbeiter) bekannt" und der "lt. Attest bisher 3 Stücke dem Verbandsprüfer bekannt" (sofern dieser schon länger im Amt ist).

Was bedeutet das für den Sammler als Verkäufer?

a) Stücke, die üblicherweise nach Katalognummern über Listen verkauft werden, verkaufe man direkt an entsprechende Händler. Der (Um-)Weg über Auktionen erhöht lediglich die Spesen. Dasselbe gilt für kleinpreisige (bis ca. 50 €) Spezialitäten.

b) Spezialitäten im mittelpreisigen Segment (bis ca. 200 €) sollten über auf das Gebiet spezialisierte Auktionatoren (oder ggf. Händler) vermarktet werden.

c) Das gleiche gilt für höherpreisige Stücke dann, wenn kein internationaler Markt für das Gebiet besteht. Andernfalls ist auch ein großes Auktionshaus der Kategorie "Erstverwerter" geeignet unter der Voraussetzung, daß die Beschreibung der Einzellose qualifiziert vorgenommen werden kann.

d) wer die Verwertung seiner Sammlung den Erben überlassen möchte resp. muß, sollte Vorkehrungen treffen, daß die obigen Grundsätze eingehalten werden. Dazu empfiehlt sich die Einsetzung eines sachkundigen Treuhänders.

Fazit: In der Regel wird man im Verwertungsfalle nur einen Teil des eingesetzten Kapitals erhalten. Um so wichtiger ist es, diesen Teil nicht noch durch unnötige "Zwischenstationen" zu schmälern.

Beste Grüße

Jürgen
 
Quelle: www.philaseiten.de
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